Die Begeisterung für Aktien aus dem Bereich künstliche Intelligenz hat an den Aktienmärkten zuletzt etwas nachgelassen. KI-Überflieger wie Nvidia und Super Micro Computer befinden sich nach ihren enormen Kurssprüngen in einer Korrekturphase, die schon seit Anfang März anhält. Die laufende Berichtssaison in den USA hat zudem gezeigt, dass allein die Nennung von „KI“ nicht mehr ausreicht, um die Anleger aus der Reserve zu locken. Es ist bereits sehr viel Hoffnung in die KI-Aktien der Technologieunternehmen eingepreist, weshalb die Investoren nun verstärkt darauf achten, ob sich der KI-Boom auch in den Zahlen widerspiegelt.
Das Beispiel Meta hat gezeigt, wie schnell es auch mal abwärts gehen kann, wenn die KI-Hoffnungen nicht erfüllt werden. Anleger warfen die Aktie aus dem Depot, nachdem das Unternehmen mitgeteilt hat, dass sich die massiven Investitionen in künstliche Intelligenz noch nicht auszahlen und auch in naher Zukunft nicht auszahlen werden. Die Aktie stürzte nach den Quartalszahlen um über 20 % ab und löste auch bei anderen Tech-Werten einen Kurseinbruch aus. In der Spitze büßte Meta immerhin mehr als 200 Milliarden Dollar an Börsenwert ein.
Aktien: KI-Hype schon vollständig eingepreist?
Insgesamt fällt auf, dass die Unternehmen in ihren Geschäftsberichten und Ausblicken weniger über „künstliche Intelligenz“ sprechen, ein Schlagwort, das für den kometenhaften Anstieg der Tech-Aktien verantwortlich ist – was die Frage aufwirft, wie viel von den Vorteilen der Technologie bereits in die Kurse eingepreist ist?
Laut einer Bloomberg-Analyse der Berichte der Unternehmen aus dem S&P 500, Nasdaq 100 und Stoxx Europe 600 ist die Erwähnung des Begriffs in den Earnings Calls der noch laufenden Berichtssaison im Vergleich zu den vorangegangenen vier Berichtszeiträumen stark zurückgegangen.
Die nachlassende Nennung von „KI“ könnte darauf hindeuten, dass die Unternehmen konservativer geworden sind, inwieweit sich der KI-Boom kurzfristig in den Bilanzen widerspiegelt. Analysten weisen darauf hin, dass es noch zu früh ist, um einen breiten KI-getriebenen Produktivitätsboom zu erwarten. Nichtsdestotrotz stiegen die Kurse vieler KI-Aktien kräftig an. Technologiewerte, die auf künstliche Intelligenz ausgerichtet sind, haben in diesem Jahr weiterhin die Rally der US-Aktien angeführt, allerdings hat diese Ertragssaison gezeigt, dass die Anleger schwerer zu beeindrucken sind.

KI ist noch kein Produktivitätswunder
„Ich sehe noch nicht das große Produktivitätswunder der KI“, sagt UBS-Chefstratege Bhanu Baweja. „Wenn ich unsere Analysten außerhalb des Technologiesektors frage, ob sie ihre Kosten- oder Umsatzprognosen aufgrund von KI signifikant geändert haben, gibt es viel Achselzucken, was mir sagt, dass es sich hier um eine Evolution und nicht um eine Revolution handelt.“
Die Strategen der Bank of America unter der Leitung von Sebastian Raedler gehören ebenfalls zu den Skeptikern. Sie stellten zu Beginn der Berichtssaison fest, dass sie große Produktivitätsgewinne bei US-Aktien bereits eingepreist sahen, wobei die Aktienrisikoprämie – die Rendite, die von Aktienanlegern gegenüber risikofreien Anlagen wie US-Staatsanleihen erwartet werden kann – auf einem 20-Jahres-Tief lag.

KI braucht Zeit
„Der Markt hat beschlossen, dies nicht als zyklische Erholung, sondern als strukturelle Verbesserung zu interpretieren.“ schrieb Raedler. „Die breite Akzeptanz technologischer Fortschritte und der damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile braucht Zeit. Zu erwarten, dass sich die Vorteile durch KI bereits zwei Jahre nach dem Einzug der künstlichen Intelligenz bemerkbar machen, wäre ungewöhnlich schnell.“
Die Schlüsselfrage ist, ob der Markt noch am Anfang eines KI-getriebenen Produktivitätsschubs steht? Dann könnte sich die Aktienrisikoprämie wieder zugunsten von Aktien verschieben, so die Experten. Noch preisen die Marktteilnehmer erhebliche Produktivitätsgewinne ein, die noch gar nicht absehbar sind, wie die niedrige Risikoprämie zeigt, sagen die BofA-Strategen.
Dennoch hat der Handel mit künstlicher Intelligenz einen übergroßen Einfluss auf die Aktienmärkte gehabt. Ein Korb von KI-Aktien von Goldman Sachs ist in diesem Jahr um 22 % gestiegen und hat damit den Philadelphia Semiconductor SOX Index sowie den Nasdaq 100 geschlagen.

Gegenwind für KI-Aktien
Zuletzt gab es Momente, in denen die Alarmglocken der Anleger läuteten. Beispielsweise löste Meta Platforms einen 400-Milliarden-Dollar-Ausverkauf bei Tech-Aktien aus, nachdem das Unternehmen den Markt nicht davon überzeugen konnte, dass es KI monetarisieren kann. Zudem zeigte der Ausblick von Meta, wie teuer der Vorstoß in diesem Bereich für viele große Tech-Unternehmen sein wird. Auch der Chipdesigner Arm Holdings Plc gab nach einer lauwarmen Umsatzprognose für das Geschäftsjahr nach, was die Sorge vor einer Verlangsamung der KI-Ausgaben weckte.
Der große Test für den KI-Sektor, aber auch den Gesamtmarkt, werden die Ergebnisse von Nvidia sein, die am 22. Mai veröffentlicht werden. Die Erwartungen an das Vorzeigeunternehmen im Bereich der künstlichen Intelligenz sind hoch und steigen weiter. Für die Aktie, die in diesem Jahr um mehr als 80 % gestiegen ist, gibt es keine Verkaufsempfehlungen und 61 Kaufempfehlungen, wobei das durchschnittliche Kursziel um 12 % angehoben wurde.
FMW/Bloomberg
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