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Aktienmärkte: Jahresrückblick – Börse lehrt Demut!

Aus meiner Sicht war 2020 ein besonderes Lehrjahr für Börsianer, das zeigt, dass es ein „Gibtˋs nicht“ an der Börse zumindest in Teilbereichen nicht gibt!

„Börse lehrt Demut“ – dieser bekannte Spruch des ungarischen Spekulanten, André Kostolany, der 1999 im Alter von 93 Jahren verstorben war, bringt seine ganze Erfahrung in Sachen Aktienmärkte zum Ausdruck. Eine riesiges Sammelsurium an Erfahrungen mit der Börse, die er bereits seit dem Jahr 1924 nach seiner Lehre bei einem Börsenmakler sammeln konnte. Das Jahr 2020 war für die Aktienmärkte extrem – und wieder einmal eine Periode, die viele scheinbar sichere Erkenntnisse über den Haufen geworfen hat, besonders bitter für Ökonomen, die auf kein Modell der Vergangenheit zurückgreifen konnten.

Aktienmärkte: Besser wusste es man nur im Nachhinein

Achterbahnfahrt, begleitet von einer Geldflut biblischen Ausmaßes, so könnte man das Jahr 2020 für die Aktienmärkte in eine Kurzdarstellung bringen. Blicken wir nur einmal kurz auf den Stand der Dinge zum Ende des Jahres 2019 aus der Sicht eines aktiven Investors:

Der S&P 500 war in den letzten 11 von 13 Börsentagen gestiegen, bereits fünf Wochen hintereinander. Die Kurse lagen weit über dem 200-Tage-Durchschnitt, das Angstbarometer Fear&Greed-Index beschloss das Jahr 2019 mit 93 Punkten, dem höchsten Niveau seit 2017. RSI und Put/Call-Ratio lagen auf den höchsten Niveaus der letzen beiden Jahre. Man war sich bewusst, dass eine Korrektur kommen musste, es kam dann auch zu dem häufig erlebten Januarrückschlag (in der letzten Januarwoche, beim Dax nur um gut 500 Punkte), anschließend ging die Reise weiter bis zu den Allzeithochs des 20. Februar. Der Frühindikator Ifo-Index war im Januar gefallen, im Februar gestiegen – kaum einer hatte Corona auf dem Schirm.

Covid-19 und der tiefe Sturz

Die Bilder aus dem italienischen Bergamo lösten einen Einbruch der Aktienmärkte in nie dagewesener Geschwindigkeit aus. In nur 16 Tagen von einem All Time High in einen Bärenmarkt, in nur 34 Tagen erreichte man ein Minus beim S&P 500 von 33 Prozent und beim Dax von fast 40 Prozent. Die Vorsicht vieler Investoren wurde belohnt, ein externer Schock löste eine sowieso schon fällige Korrektur aus. Es kam zu einem Lockdown im April, insgesamt befanden sich bis zu vier Milliarden Werktätige in häuslicher Quarantäne. Die Nachrichten wurden immer schlechter, selbst das Ifo-Institut rechnete kurzzeitig für Q2 mit einem Konjunktureinbruch von 20 Prozent in Deutschland. Auch die Jahresprognosen für die Weltwirtschaft stellten selbst das Jahrhundertereignis Finanzkrise in den Schatten.

Die Wende, eingeleitet durch gigantische Rettungspakete

Jetzt begann erst die Anlageproblematik für aktive Investoren. Die rechtzeitig ausgestiegenen Anleger rechneten mit noch viel tieferen Kursen, andere hatten ihre Depots erst im März zu niedrigen Kursen geräumt. Aber durch eine konzertierte Aktion der Notenbanken stiegen die Kurse der Indizes bereits am 24. März um bis zu 10 Prozent. Ausgelöst von Rettungspaketen in Billionen Dollar- und Euro-Höhen, nicht nur durch die Zentralbanken, sondern auch durch die Regierungen mit Stimulusmaßnahmen, Kurzarbeiter- und Helikoptergeld. Die von vielen Analysten und Kommentatoren stets ausgerufene Bärenfalle – der Kursanstieg sei trügerisch – erwies sich als wahrer Depotkiller.

Der Dax stieg von seinem Intraday-Tief am 23. März mit 8255 Punkten bis zum 8. Juni auf 12.941 Punkte, in zweieinhalb Monaten und es dauerte beim Dow Jones nur 193 Handelstage vom Rezessionstief bis zu einem neuen Allzeithoch, der Durchschnitt aus den letzten Rezessionen liegt bei 1428 Tagen. Nicht zu reden, von dem was einige einige Stay-at-Home-Aktien in dieser Zeit vorlegen konnten.

Die Achterbahnfahrt der Konjunktur

Natürlich musste das zweite Quartal 2020 einen gigantischen Wirtschaftseinbruch bringen. Industrie und Handel wurde staatlicherseits „par ordre du mufti“ bis auf die essenziellen Branchen gezwungen, den Betrieb einzustellen. Die Folgen waren die vielfach beschriebenen BIP-Einbrüche von knapp unter 10 Prozent (USA und Deutschland) und bis zu 18,5 Prozent in Spanien, Europa gesamt war mit minus 12,1 Prozent mit von der Partie. Nicht einmal zu Kriegszeiten mussten bisher Friseure ihr Geschäft einstellen.

Aber das Ende des Lockdowns, auch mit den jahreszeitlich bedingten rückläufigen Coronazahlen, sorgten bereits im dritten Quartal für ein Wachstum in Deutschland, verglichen mit dem Vorquartal um 8,3 Prozent, Frankreich, Italien und Spanien sogar um 16 bis 18 Prozent. Dann kam die zweite Welle von Covid-19.

Die Kursanomalien im Herbst

Wer hätte im Frühjahr 2020 den Hype der Aktienmärkte im August erwartet, im Zusammenhang mit dem Aktiensplits von Apple und Tesla, die von einer neuen Generation Anleger (Stichwort RobinHoodies) eine unglaubliche Euphorie an den Märkten erzeugten. Es kam zu Korrekturen, sowohl im September als auch im Oktober, im Vorfeld der US Wahlen. Es war aber eine Phase, die von rational geprägten Investoren gehandelt werden konnte, aber schwerlich die anschließende überschießende Reaktion nach oben. Als Paradebeispiel sei nur der Monat November genannt.

Auf eine gewaltige Short Squeeze infolge der Wahlturbulenzen (Trump: Es war Betrug) kam die große Meldung am 9. November von BioNTech/Pfizer mit der Beantragung der Impfstoffzulassung – die ein Game Changer war, wie er nur alle paar Jahre vorkommt. Blitzartig wechselten Anleger die Seiten, vollzogen eine Brancherotation hin zu Value, die bis heute anhält. Das Ergebnis war die beste Performance beim S&P 500 in einem Monat November seit 1928.

Wer konnte davon auch nur ein wenig timen?

Das Jahresende und die Impfstoffeuphorie

Wer hätte sich im Sommer erträumen können, dass es binnen 12 Monaten die Entwicklung eines Impfstoffes gegen ein Virus geben könnte – von der Sequentierung, über die klinischen Phasen bis zur Produktion von Millionen Dosen Impfstoff? Die große Impfphase hat begonnen und wieder wird darüber spekuliert, ob die Aktienmärkte nicht viel zu weit gelaufen sind. Die Märkte hätten sich von der Realwirtschaft entkoppelt. Ja, aber was ist mit dem KGV des 32 Billionen Dollar-Index S&P 500 von 22, im Vergleich zu den negativen Realrenditen am Anleihemarkt im Umfang von über 30 Billionen Dollar?

Fazit und Ausblick

Börse lehrt Demut, lautete die Überschrift über diesen Artikel, was bei vielen Anlegern sicherlich trotzdem nicht der Fall sein wird. Denn weiterhin herrscht der Glaube, dass man punktgenaue Prognosen für Wirtschaft und Aktienmärkte abgeben könne. Und es gibt wie in allen Lebensbereichen die Fraktion derer, die es schon vorher gewusst haben wollen.

Damit sind wir beim Börsenjahr 2021: Die gerade veröffentlichten Prognosen sagen ein Plus für die Aktienmärkte zu Silvester des kommenden Jahres voraus. Beim Dax mit plus 7,3 Prozent, beim S&P 500 mit 5,8 Prozent im Durchschnitt der Voraussagen. Was durch die Santa Clause-Rally auch schon wieder nicht mehr stimmt. Klingt zunächst logisch, wenn man an die Kraft des billigen Geldes denkt, welches durch die Notenbanken noch für lange Zeit zugesichert wurde. Aber was ist, wenn es doch zu einem Anstieg der Inflation (wenngleich in Maßen) kommt, wenn die Kapitalmarktzinsen zu einer kleinen Konkurrenz für die Aktienmärkte heranreifen, wenn ein Anspringen der Wirtschaft zu einem „Sell on good News“ führt und die Zombiefirmen doch reihenweise in den Abgrund stürzen?

Aus meiner Sicht war 2020 ein besonderes Lehrjahr für Börsianer, das zeigt, dass es ein „Gibtˋs nicht“ an der Börse zumindest in Teilbereichen nicht gibt. Dazu noch letzte Beispiele: Wer hätte geglaubt, dass es 2020 einen negativen Ölpreis geben könnte oder dass Tesla eine Marktkapitalisierung binnen eines Jahres erreicht, die fast dem Wert aller Automobilunternehmen der Welt zusammen entspricht?

Hierzu passt ein guter Spruch aus dem Angelsächsischen: „Wer behauptet die Entwicklung vorausgesehen zu haben, ist entweder ein großer Lügner oder er hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen!“

Die Entwicklung der Aktienmärkte 2020 zeigt eines: Börse lehrt Demut!



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