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BGH: Nullzins ist „sachgerechter Grund“, Sparkasse darf Sparverträge kündigen

Wenn die EZB de facto für einen langen Zeitraum die Zinsen abschafft, und eine Bank oder Sparkasse ihren Kunden vor geraumer Zeit langfristig hohe Zinsen fest zugesagt hat, wer hat dann das Problem? Doch wohl die Bank, nicht wahr? Nein, bei Bedarf zählen Verträge eben nicht, wenn sie der Bank schaden. So kann man die heutige Entscheidung am Bundesgerichtshof (BGH) durchaus interpretieren. Aber nein, es wurde ja Recht gesprochen. Wer sind wir, dass wir uns über einen Richterspruch erhöhen? Worum ging es? Eine Sparkasse wollte alte Sparverträge kündigen, weil sie die hohen Zinsen nicht mehr zahlen wollte. Begründung laut Gericht Zitat:

Unter Hinweis auf das niedrige Zinsumfeld erklärte die Beklagte am 5. Dezember 2016 die Kündigung des Sparvertrages aus dem Jahr 1996 mit Wirkung zum 1. April 2017 sowie die Kündigung der Sparverträge aus dem Jahr 2004 mit Wirkung zum 13. November 2019. Die Kläger sind der Ansicht, dass die von der Beklagten erklärten Kündigungen unwirksam seien.

In den AGB der betroffenen Sparkasse war dazu zu finden, Zitat:

Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.

Da steht sie also, die entscheidende Formulierung. Bei einem „sachgerechten Grund“ darf die Sparkasse den Sparvertrag kündigen. Und der Bundesgerichtshof ist heute zur der Entscheidung gekommen, dass die Abschaffung der Zinsen durch die EZB offenbar so einen „sachgerechten Grund“ für die Sparkasse darstellte, dass sie den Vertrag mit dem Kunden beenden darf!

In diesem speziellen Konstrukt musste die Sparkasse 15 Jahre warten, bis eine maximale Prämienstaffel erreicht wurde. Die Maximalprämie müsse erst erreicht werden. Dann aber könne die Sparkasse aus besagtem Grund den Vertrag kündigen. Hier die Begründung des BGH im Wortlaut:

Einen über das Ende des 15. Sparjahres hinauswirkenden Ausschluss des Kündigungsrechts haben die Parteien dagegen auch im Hinblick auf die unbefristete Laufzeit des Vertrages nicht vereinbart. Nach dem Inhalt der Vertragsantragsformulare hat die Beklagte die Zahlung einer Sparprämie lediglich bis zum 15. Sparjahr versprochen. Ab diesem Zeitpunkt waren die Sparverträge zwar nicht automatisch – mit der Folge der Fälligkeit und Rückzahlung der Spareinlagen – beendet, sondern liefen weiter. Nach dem Vertragsinhalt stand der Beklagten aber ab diesem Zeitpunkt ein Recht zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen unter Beachtung der in Nr. 4 Satz 1 der Bedingungen für den Sparverkehr geregelten Auslauffrist von drei Monaten zu.

Schließlich ergibt sich etwas anderes auch nicht aus dem von der Beklagten verwendeten Werbeflyer. Die in dem Werbeprospekt enthaltene Musterrechnung, die auf einen Zeitraum von 25 Jahren bezogen ist, stellt lediglich ein Rechenbeispiel dar, mit dem keine verbindliche Aussage zur tatsächlichen Laufzeit des Vertrages verbunden ist. Diese ergibt sich vielmehr aus den Vertragsantragsformularen, in denen die Beklagte ein Erreichen der höchsten Prämienstufe mit dem 15. Sparjahr zugesagt hat. Bei den weitergehenden Aussagen handelt es sich nach Darstellungsart, Inhalt und Formulierung lediglich um eine werbende Anpreisung der Leistung, der ein durchschnittlicher Sparer eine Änderung oder gar – hier in Bezug auf die Laufzeit – Erweiterung der wechselseitigen Ansprüche und der aus dem Sparvertrag folgenden Rechte, Pflichten und Obliegenheiten nicht entnehmen kann.

BGH Urteil Nullzins Sparkonto
Foto: Bundesgerichtshof, von Joe Miletzki



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3 Kommentare

  1. Was lernen wir daraus? Immer das Kleingedruckte vor dem Unterschreiben lesen und eine Laufzeit vereinbaren. Über richterliche Entscheidungen wundere ich mich schon lange nicht mehr.

    1. Ich würde daraus eher lernen, das Kontrahentenrisiko möglichst auszuschließen. Also nach Möglichkeit keine Ansprüche ggü Versicherung, Bank usw., sondern alles selbst besitzen

      1. Gewußt hat man es ja schon. Nur hier sieht man es schön deutlich.
        Und die ganzen Berufsberuhiger sagen nix mehr. Oder es sei nicht überall so.

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