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Warum die Boeing-Aktie deutlich steigt Boeing: Aktienkurs hebt ab – Ende einer Leidensgeschichte?

Boeing: Aktienkurs hebt ab – Ende einer Leidensgeschichte?

Nach besser als erwarteten Quartalszahlen und sehr ambitionierten Prognosen, die der Vorstandsvorsitzende Dave Calhoun am Mittwoch vorstellte, schnellt der Aktienkurs des zivilen Flugzeugbauers und Rüstungskonzerns Boeing auf ein Mehrjahreshoch und überwand dabei wichtige charttechnische Widerstände. Liegen die Probleme bei den Massenmodellen jetzt hinter dem Flugzeugbauer und wie kann es mit dem Aktienkurs weitergehen?

Geht die Leidensgeschichte beim Aktienkurs von Boeing nun zu Ende?

In insgesamt 19 Indizes ist die Boeing-Aktie enthalten: vom Dow Jones Industrial Average über den S&P 500 bis hin zum Dow Jones Aerospace and Defence. Überall fällt der Aktienkurs des Flugzeug- und Waffenbauers mit Hauptsitz in Seattle, USA durch Underperformance auf.
Während der direkte Konkurrent Airbus nahe seines Allzeithochs aus dem Januar 2020 notiert, liegt der Aktienkurs von Boeing noch ganze 90 Prozent bzw. knapp 210 US-Dollar unter seinem Höchstwert vom 1. März 2019.

Boeing und Airbus

 

Aktuelle Zahlen machen Hoffnung

Boeing erwirtschaftete im zweiten Quartal 2023 einen freien Cashflow (FCF) in Höhe von 2,58 Milliarden US-Dollar und übertraf damit die Konsens-Erwartungen der Analysten bei weitem, da eine Flut von Auslieferungen und Kundenbestellungen dazu beitrugen, die finanzielle Belastung durch Lieferengpässe überzukompensieren.

Boeing Säulendiagramm

Basierend auf den von Bloomberg zusammengestellten Daten hatten Analysten damit gerechnet, dass der Hersteller von zivilen und militärischen Flugzeugen, Hubschraubern, Raumschiffen und Satelliten sowie Trägerraketen und Raketenwaffen fast 74 Millionen US-Dollar an Bargeld im zweiten Quartal 2023 verbrennen würde, nachdem er mit Produktionsunterbrechungen bei seinen Arbeitspferden 737 Max und 787 Dreamliner zu kämpfen hatte.

Boeing-Aktie mit Kurssprung auf Mehrjahreshoch

Die Boeing-Aktien stiegen nach der Veröffentlichung der überraschend guten Zahlen im New Yorker Handel schlagartig um 7,6 Prozent bzw. 16,34 US-Dollar auf 230,71 US-Dollar auf den höchsten Wert seit 15. November 2021 und riss dabei ein riesiges Gap (Kurslücke) in den Chart.

Aktienkursentwicklung der Boeing Company in US-Dollar

Als Zeichen dafür, dass sich die Flugzeugproduktion nach Jahren der Turbulenzen stabilisiert, beginnt Boeing, die Produktion seiner 737-Jetliner auf monatlich 38 Stück zu steigern. Das ist ein Anstieg von 23 Prozent gegenüber dem vorherigen Fertigungstempo, das seit etwa einem Jahr galt, als der US-Flugzeughersteller daran arbeitete, seine Fabriken und Zulieferer neu aufeinander abzustimmen, Prozesse zu optimieren und Lieferengpässe zu beseitigen. All das kostete Geld, weshalb Boeing das achte Quartal in Folge mit Verlusten abschloss. Der bereinigte Verlust belief sich auf 82 Cent pro Aktie, verglichen mit einem von Analysten erwarteten Verlust von 84 Cent.

Setzt Boeing nun endlich seine Erfolgsgeschichte fort?

Boeing konnte in drei der vergangenen vier Quartale bereits wieder einen freien Cashflow generieren.

„Dies ist ein komplexes Geschäft und wir rechnen damit, dass es noch Herausforderungen geben wird. Wir ergreifen Maßnahmen und bewegen uns Flugzeug für Flugzeug weiter“, sagte Dave Calhoun, CEO von Boeing, in einer Nachricht an die Mitarbeiter. „Obwohl es im Moment schwierig sein kann, sehen wir den Fortschritt.“

Der Flugzeughersteller hat eine Reihe von Produktionssteigerungen geplant, die seine Fabriken bis 2025 wieder annähernd auf das Niveau vor der Corona-Krise bringen würden, und bekräftigte sein Ziel ab dann wieder 50.737 Auslieferungen pro Monat zu erreichen. Gleichzeitig will Calhouns in diesem Zeitraum 10 Milliarden US-Dollar an freiem Bargeld generieren.

Ein Streik beim Rumpflieferanten Spirit AeroSystems Holdings Inc. im letzten Monat drohte den Fortschritt von Boeing zu bremsen, wurde aber schnell beigelegt.

Sowohl Boeing als auch sein Konkurrent Airbus haben darauf hingewiesen, dass Lieferengpässe weiterhin die Produktion beeinträchtigen und noch über Jahre hinweg ein Problem darstellen könnten.

Verluste bei Raumfahrt und Rüstung – Zuwächse bei Verkehrsflugzeugen

Die Verteidigungs- und Raumfahrtsparte von Boeing verzeichnete einen weiteren Quartalsverlust, da sie mit Personalfluktuation, Teilemangel und Inflation zu kämpfen hat, insbesondere bei Festpreisverträgen, die im vergangenen Jahrzehnt mit Angeboten nahe der Gewinnschwelle abgeschlossen wurden.

Zudem musste das Unternehmen eine Vertragsstrafe in Höhe von 257 Millionen US-Dollar zahlen, nachdem es den ersten bemannten Flug seines Starliner-Raumschiffs auf unbestimmte Zeit verschoben hatte, wodurch sich die Gesamtsumme der Zahlungen für die um Jahre verspätete Kapsel auf mehr als 1,3 Milliarden US-Dollar erhöhte. Die Leistung der Verteidigungsabteilung wurde auch durch unerwartete Aufwendungen für den T-7-Trainingsjet und einen MQ-25-Luftbetanker beeinträchtigt.

Ken Herbert, Analyst bei RBC Capital Markets, führte die dennoch starken Ergebnisse von Boeing auf das dynamische Umsatzwachstum zurück, da die Verkäufe und Auslieferungen von Verkehrsflugzeugen im Berichtszeitraum signifikant zunahmen.
Die Ergebnisse der Verteidigungssparte fielen schlechter aus, als er erwartet hatte: Die Gewinnmarge sank auf minus 8,5 Prozent, nachdem sie ein Jahr zuvor noch um 1,1 Prozent gestiegen war

Schulden abgebaut

Airbus und Boeing haben Schwierigkeiten, die Produktionsraten vor der Corona-Krise wiederherzustellen, da sie mit unerfahrenen Arbeitskräften und Teileknappheit zu kämpfen haben. Der Druck auf die Lieferanten werde auf absehbare Zeit anhalten, sagte Boeing´s Calhoun in einer Telefonkonferenz nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen. Dennoch boomt die Nachfrage nach neuen, treibstoffeffizienten Jets und die Flugzeughersteller verzeichnen die größten Verkaufszahlen seit Jahren im Bereich Verkehrsflugzeuge.

Im Juni schloss Boeing einen Auftrag über 290 Flugzeuge von Air India Ltd. ab und sicherte sich Verträge für das zweite Quartal unter anderem mit Ryanair Holdings Plc und dem saudischen Startup Riyadh Air. Mit diesen Großaufträgen verbundene Vorauszahlungen steigerten den Cashflow im zweiten Quartal, der vom Zeitpunkt der Zahlungen profitierte, sagte Finanzvorstand Brian West in der Telefonkonferenz.

Boeing geht davon aus, dass seine Verkehrsflugzeugsparte bis zum Jahresende einen Gewinn erwirtschaftet, und strebt in der Verteidigungssparte bis 2025 oder 2026 positive einstellige Margen an.

Die Barmittel und marktfähigen Wertpapiere sanken im 2. Quartal um 1 Milliarde US-Dollar auf 13,8 Milliarden US-Dollar, da Boeing die Gesamtverschuldung von 55,4 Milliarden US-Dollar im März auf 52,3 Milliarden US-Dollar reduzierte.
Boeing plant eine Reihe von Produktionssteigerungen, die die Auslastung der Fabriken bis zur Mitte des Jahrzehnts wieder annähernd auf das Niveau von vor Corona bringen würden.

Diese Schritte sind von entscheidender Bedeutung, wenn Boeing sein ambitioniertes Ziel erreichen will, die immer noch über 50 Milliarden US-Dollar hohen Schulden innerhalb von zwei Jahren zu tilgen.

Der betriebswirtschaftliche Trend zeigt wieder nach oben

Das Unternehmen bleibt auf gutem Weg, in diesem Jahr zwischen 3 und 5 Milliarden US-Dollar an Barmitteln zu erwirtschaften. Boeing bekräftigte außerdem sein Ziel, 400 bis 450 der 737-Narrowbodys und 70 bis 80 Dreamliner-Widebodies auszuliefern.

Boeing lieferte im zweiten Quartal 136 Jets aus. Das sind 21 mehr als von Analysten prognostiziert. Gleichzeitig behob man die von der Flugaufsichtsbehörde (FAA) angemahnten Mängel bei den Modellen 737 Max und 787 Dreamliner.

„Wir haben noch mehr Arbeit vor uns, um die Leistung zu verbessern, aber unsere Fortschritte sind klar und wir sind zuversichtlich, was unseren weiteren Erfolg angeht“, sagte Calhoun in einer Nachricht an alle Boeing-Mitarbeiter.

Der CEO von Boeing hat Ambitionen, die Ausweitung der Produktion der wegen zweier tragischer tödlicher Unglücke aufgrund von Konstruktions-, Software und Trainigs-Fehlern zeitweise mit einem weltweiten Flugverbot belegten Maschinen der 737-Serie weit über das aktuelle Produktions-Niveau hinaus zu erhöhen und damit das neugewonnene Selbstvertrauen des Flugzeugherstellers unterstrichen, der nach Jahren der Krise jetzt wieder große Aufträge erhält und seine Flugzeugsparte auf eine stabilere finanzielle Grundlage stellt.

Der US-Flugzeughersteller erwägt die Produktion des Arbeitspferdes Narrowbody auf monatlich 60 Jets anzuheben, je nachdem, wie gut man trotz Produktionsunterbrechungen voranschreitet, so Calhoun am Mittwoch.

Boeing: Eine Geschichte des Leidens geht zu Ende

Boeing war mit den zusätzlichen Belastungen durch die Abschaltung und Wiederaufnahme der Produktion seiner 737 Max während eines weltweiten Flugverbots konfrontiert, was Industriepartner wie Spirit AeroSystems Holdings Inc., das den Großteil des Aluminiumrahmens des Flugzeugs herstellt, stark unter Druck setzte.

Dennoch sieht das US-Unternehmen ermutigende Anzeichen, da es daran arbeite, seine Zulieferer und die Fabrik im Raum Seattle zu synchronisieren und gleichzeitig eine vierte Montagelinie für den lukrativen Mittelstreckenflieger 737 in Betrieb zu nehmen. Boeings wichtigstes kommerzielles Geschäft sei auf dem besten Weg, nach Jahren der Verluste Ende dieses Jahres oder Anfang 2024 wieder einen Betriebsgewinn zu erwirtschaften, so der Vorstandsvorsitzende gegenüber Bloomberg.

„Im Moment konzentrieren wir uns nur auf Stabilität in den Fabriken und der Lieferkette“, sagte Calhoun. „Wir wollen mehr Kapazitäten haben, als wir benötigen.“ (als Wachstumspuffer für unerwartete Großaufträge).

Ausblick und Fazit

Die zweite Hälfte des Jahres 2024 werde ein „sehr wichtiger Moment sein, denn ich glaube, dass dies der entscheidende Schritt für Boeing ist, und zwar in nahezu jeder Hinsicht“, sagt Calhoun und bezog sich dabei auf Boeings Tochtergesellschaft für Verkehrsflugzeuge.

Der Hersteller hatte geplant, die 737-Leistung in einen ähnlichen Bereich zu bringen, bevor zwei Abstürze der 737 Max und die Covid-Pandemie sie ins Trudeln brachten. Am Mittwoch unternahm Boeing einen ersten Schritt in Richtung seiner ehrgeizigen Ziele, indem es die Produktion auf 38 Monatsraten erhöhte, was fast einem Viertel mehr entspricht als das Tempo, das im vergangenen Jahr größtenteils galt.

Für die Boeing-Aktie scheint das Potenzial – getragen von der zivilen Luftfahrt und hier speziell den Brot- und Buttermodellen (Mustern) im Vergleich zum direkten Wettbewerber Airbus relativ gut, da man eine lange und teure Durststrecke hinter sich und im besten Fall viel Geschäfts- und Kurspotenzial vor sich hat.



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