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China und sein Russland-Trilemma mit dem Ukraine-Krieg

Der Balance-Akt einer Supermacht

China Russland Ukraine-Krieg

Die diplomatische Reaktion von China auf den von Russland begonnenen Ukraine-Krieg ist davon gekennzeichnet, drei sich widersprechenden Interessen auszubalancieren.

Da wäre erst einmal die Grundsätze der chinesischen Außenpolitik, die in den „Fünf Prinzipien“ festgehalten sind: China ist bestrebt, basierend auf den fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz, nämlich gegenseitiges Respektieren der Souveränität und der territorialen Integrität, gegenseitiger Nichtangriff, gegenseitige Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, Gleichberechtigung und gegenseitiger Nutzen, freundschaftliche Beziehungen mit allen Ländern aufzunehmen bzw. zu entwickeln. In einem früheren Artikel habe ich darauf hingewiesen, dass China die Ukraine nicht als souveränen Staat begreift.

China und Russland im Ukraine-Krieg: Die USA ist der systemische Feind

China und Russland verbindet ihre Analyse, dass die Vereinigten Staaten jeweils ihr größter systemischer Feind sind. Diese Gemeinsamkeit hat zu einer Zusammenarbeit bei Militär, Flugzeugbau, Energie und allgemein in einer Zunahme des gegenseitigen Handels geführt. Gemein ist beiden ein autoritäres politisches System. Zudem sind sich die beiden Führer Xi Jinping und Wladimir Putin zugeneigt. Dieses alles mündet in der Aussage des chinesischen Außenministers Wang Yi, Russland sei der „wichtigste strategische Partner“.

Das Handelsvolumen zwischen China und Russland ist allerdings mit 147 Mrd. Euro sehr viel geringer als zwischen Deutschland und China (245 Milliarden Euro), geschweige denn der EU und China (696 Milliarden Euro). Auch kulturell zeigen sich durchaus Schwierigkeiten, wie das gemeinsame Flugzeugprojekt CRAIC CR929 zeigte. Dieses Projekt lag schon vor dem Ukraine-Krieg wegen „Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit“ auf Eis.

Als drittes Element des Trilemmas kommen die vitalen Interessen China’s zum Tragen. Die EU und USA sind die wichtigsten Handelspartner Chinas. Und nicht nur die USA und die EU sind abhängig von China, z.B. im Bereich medizinische Ausrüstung oder Grundstoffe für Impfstoffe, sondern auch China ist abhängig, z.B. im Bereich Automobilzulieferer oder in der Flugzeugindustrie. China kann es sich schlicht nicht leisten, in das Fadenkreuz intensiver Embargos zu kommen. Zugleich sind die zwei Transportwege auf der Seidenstrasse von dem Konflikt betroffen: Der weniger wichtige Lastwagenverkehr und der elementar wichtige Zugverkehr von Europa nach China. Die Züge rollen zwar weiterhin, aber die Waren können nicht mehr so einfach versichert werden. Ein Abschuss wie bei MH17 ist zum Glück nicht zu befürchten, denn die Flüge werden großräumig umgeleitet, was aber zu längeren (und damit teureren) Flugzeiten führt.

Angst vor Sanktionen

So ist es nur folgerichtig, dass China peinlich genau darauf achtet, dass chinesische Unternehmen nicht die Sanktionen der USA und der EU gegenüber Russland unterlaufen und damit selber zum Ziel von Sanktionen werden. Hierbei bedient sich China derselben Taktik, die schon bei den Iran-Sanktionen zum Einsatz kamen: Banken, die kein oder nur im geringen Umfang US-Dollar-Geschäfte und damit nicht im SWIFT-Verbund sind, wickeln Geschäfte kleinerer, privater Unternehmen ab, die für größere (staatliche) chinesische Unternehmen zu riskant sind. Die USA haben mit Huawei ein deutliches Signal gesetzt, zu was die Sanktionen führen können. Huawei kann im westlichen Ausland praktisch keine Handys und Netzwerkausrüstungen verkaufen. Die Inlandsnachfrage schwächelt zudem. Kurzum: Huawei ist deutlich angezählt.

Verbal fährt China eine dreifache Strategie. Zum einem versucht China die USA und Europa zu entzweien. So sagte Xi Jinping während des EU-China-Gipfels beispielsweise „Chinas Politik gegenüber Europa bleibt stabil und konsequent, und wir hoffen, dass die europäische Seite eine eigenständige Wahrnehmung Chinas entwickelt, eine eigenständige Politik gegenüber China verfolgt und mit China zusammenarbeitet, um stabile und weitreichende chinesisch-europäische Beziehungen zu fördern“.

Zum anderen unterstützt und wiederholt China das Narrativ Russlands, die Nato sei der eigentliche Aggressor in diesem Konflikt. Auch stärkt China Russland durchaus den Rücken, aber es leistet Russland in keiner Weise Unterstützung in diesem Krieg.

Eine dritte Säule ist eine Vielzahl bilaterale Treffen und Gesprächen auf höher und höchster Ebene zwischen den USA und China, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Dazu zählen die Treffen zwischen dem diplomatischen Berater Yang Jiechi mit Jack Sullivan in Rom, mindestens drei Telefonate seit Kriegsbeginn zwischen Außenminister Wang Yi und Tony Blinken, dem Secretary of State oder die Medienpräsenz des chinesischen Botschafters Qing Gan mit Interviews in „Face the Nation“, sowie Artikeln im „The National Interest“ und der „Washington Post“.

China weigert sich im Ukraine-Krieg zu vermitteln

Es bestand durchaus Hoffnung, dass China in dem Konflikt vermitteln könne. Zu den regelmäßigen rhetorischen Übungen gehört, das chinesische Offizielle und Diplomaten nach „Verhandlungen“ zwischen den Kriegsparteien ruft. Als allerdings europäische Diplomaten während des EU-China-Gipfels China aufforderte, zu vermitteln, vermied Peking es sehr sorgfältig, darauf einzugehen. Für Peking ist dies ein Problem, das die „Verursacher“ – gemeint sind die NATO und die USA – zu lösen hätte. Es ist sehr schade, dass hier China wieder eine Gelegenheit verstreichen lässt, aktiv bei der Lösung eines Konfliktes zu helfen. Andererseits hat Peking stets Partei für Russland ergriffen. Wie glaubwürdig wäre also für die Ukraine eine Vermittlungsmission China?

Sanktionen vermeiden

Derweil beginnt in China eine Analyse darüber, wie China Sanktionen nach russischem Vorbild ausweichen könnte.
Am einfachsten wären Sanktionen gegenüber chinesischen Offiziellen zu begegnen, indem sie keine Vermögenswerte mehr im Ausland besitzen. Offenbar wurde dies in einer internen Direktive nun umgesetzt. Parteimitglieder sollen nicht mehr befördert werden, wenn sie Besitz im Ausland halten. Dies dürfte für den inneren Zirkel ein Problem darstellen, denn dieser innere Zirkel der Partei ist nicht nur mächtig, sondern auch reich. Xi Jinpings Vermögen wird auf 1,2 Milliarden US-Dollar geschätzt. Ein Schlaglicht, wie hohe Parteikader ihr Vermögen ins Ausland verschieben, warf die Affäre um den damaligen Gouverneur von Sichuan, Bo Xilai und seiner Ehefrau Gu Kailai, die den britischen Geschäftsmann Neil Heywood umbrachte. Neil Heyword hatte dem Ehepaar Bo Xilai/Gu Kailai geholfen, ihr Vermögen in’s Ausland zu transferieren.

Ein weiterer Punkt, den China schon intern adressiert hat, ist die Abhängigkeit vom SWIFT-Zahlungssystem. Am 22. April gab es hierzu eine Notfall-Sitzung der People’s Bank of China, Vertretern des Finanzministeriums und zahlreichen nationalen und internationalen Banken. Es ist nicht bekannt, welche konkreten Schritte daraus abgeleitet wurde. Die chinesische Alternative zu SWIFT, das China’s Cross-Border Interbank Payment System (CIPS) wickelt allerdings nur 3.3 Millionen Transaktionen pro Jahr versus 42 Millionen Transaktionen pro Tag durch SWIFT ab. Nur 1260 Institutionen sind am CIPS beteiligt, hauptsächlich in Singapore, Hongkong und Macao. Es ist unwahrscheinlich, dass CIPS eine Alternative zu SWIFT sein kann, geschweige denn ersetzen, zumal das Design des CIPS dafür überarbeitet werden müsste.

Auf dem selben Meeting wurde nach Angaben von Teilnehmern von chinesischer Seite adressiert, wie das ausländische Vermögen Chinas, insbesondere 3.2 Billionen US-Dollar an staatlichen Reserven, geschützt werden könne.

Weitere Bereiche, die Chinas Regierung im Falle von Sanktionen nach russischem Vorbild schützen müsste, wäre z.B. die Flugzeug-, Automobil- oder die Maschinenbauindustrie, wo China vom Ausland abhängig ist. In der Flugzeugindustrie ist dies nicht nur die Beschaffung und Instandhaltung von Flugzeugen. Auch die chinesischen „Eigenentwicklungen“, die Comac ARJ 21 und C919, bestehen aus 60% Prozent ausländischen Produkten. Im Falle eines Falles würde auch in China innerhalb eines Jahres kein Flugzeug mehr fliegen, zumindest nicht ordnungsgemäßes gewartet.

Chinas Achillesversen

Dies alles wäre noch verkraftbar, wenn all das auch China um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte der wirtschaftlichen Entwicklung zurückwerfen würde. Allerdings bleiben zwei Bereiche, auf die China nicht verzichten könnte: Das eine ist die Zufuhr von Energieträgern, also Öl, Gas und Kohle. Die heimischen Zechen und Förderanlagen sind nicht in der Lage, auch einen reduzierten Energiebedarf zu decken. Am verletzlichsten ist China aber bei der Lebensmittelversorgung. In China leben zwar 18,4% der Weltbevölkerung, aber es besitzt nur 10% landwirtschaftlich nutzbare Fläche. Es ist für China also faktisch unmöglich, die eigene Bevölkerung zu ernähren. Neben der Abkopplung chinesischer Banken vom SWIFT-Systems wäre dies die zweite „Nukleare Option“, die der Westen hat, um China mit Sanktionen zu belegen.

Viel sinnvoller hingegen wäre es, wenn China erst gar keinen Anlass bieten würde, dass solche Optionen in Betracht gezogen werden müssten. Es ist zu hoffen, dass Xi Jinping und seine Berater dies bedenken und die Welt nicht in einen weiteren Konflikt zieht. Denn nicht nur für China hätten Sanktionen bedeutende Auswirkungen, denn auch China würde sich wehren – und dies dürfte für den Rest der Welt sehr unangenehm werden.



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2 Kommentare

  1. Die Volksrepublik China sollte weiterhin fossiles Erdöl aus der Russische Föderation importieren, in den sonstigen Industriezweigen aber mit der EU/Deutschland und den USA kooperieren.

  2. Young Global Leader

    Welches Assets hat China in der Ukraine? Welches vitale Interesse hat die CCP an Konflikten in Südosteuropa? Wie sollte sie vermitteln? Indem sie die Konfliktparteien an ihre wirtschaftlichen Interessen erinnert, wie ein Neolib?

    Die EU hat ein Interesse an Frieden in Europa, aber sie hat kein Konzept, wie sie mit Russland umgehen soll und die europäischen Führer sind Feiglinge ohne geopolitische Initiative, d.h. Leute, die nicht bereit sind den US-Neocons zu sagen, dass sie gehen sollen, wo sie wohnen. Letzteres hätte u.U. zur Folge, dass die NATO in Frage gestellt wird, aber sei’s drum. Die USA kann dann ohne die NATO, mit den 5 eyes und „Koalitionen der Willigen“ ihr Weltreich verwalten. Tschüss und viel Spaß noch.

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