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Reformstau und Demografie verhindern nachhaltige Erholung China: Wirtschaft – Erholung nach Corona langsamer als erhofft

Wie schnell erholt sich die Wirtschaft in China nach den Aufhebungen der Corona-Lockdowns?

China Wirtschaft Corona

Wie schnell erholt sich die Wirtschaft in China nach den Aufhebungen der Corona-Lockdowns? Nachdem ich gestern einen Einblick in die ersten Kennzahlen zu der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas im Februar gegeben habe, möchte ich heute eine vertiefte Analyse zum Zustand und Ausblick der chinesischen Wirtschaft geben.

China: Offizielle angeblich überrascht über schnelle Erholung

Chinesische Offizielle geben sich „überrascht“ über die angeblich „schnellere als erwartet“ verlaufende Erholung der Wirtschaft. Sie argumentieren damit, dass sich das Thema „Corona“ schneller erledigt habe, als zunächst angenommen. Zudem gebe es keine Anzeichen für eine zweite Welle, wie die National Health Commission (NHC) prognostiziert hatte.

In der Tat hat sich Corona binnen acht Wochen durch die Gesellschaft gefressen. Schätzungen zufolge beträgt der Durchseuchungsgrad wahrscheinlich über 90%. Allerdings folgt nun eine Influenza-Welle.  Daneben berichten viele Menschen über die Nachwirkungen ihrer Corona-Infektion. Viele fühlen sich noch nicht voll belastungsfähig. Wie sich Corona langfristig auf die Gesellschaft auswirkt, scheint noch nicht absehbar. Aber auch bei der Spanischen Grippe Anfang des letzten Jahrhunderts waren die Folgen noch lange in erhöhten Atemwegserkrankungen zu sehen.

Allgemein hat sich die Stimmung in China deutlich verbessert. Die Depression des letzten Jahres mit den täglichen Tests, dem immerwährenden Schwert der Einweisung in die Quarantäne-„Hotels“ und Lockdowns ist verflogen. Die Menschen reisen wieder, gehen essen, ins Kino und auch die kulturellen Aktivitäten kommen zurück.

China vor den „Zwei Sitzungen“

Die Äußerungen der Offiziellen sind natürlich auch vor dem Hintergrund der „Zwei Sitzungen“ zu sehen. Im Ausland wird den „Zwei Sitzungen“ gewöhnlich nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie dem Parteikongress im Oktober. Dabei sind gerade diese „Zwei Sitzungen“ von besonderer Bedeutung. Formal wird hier Xi Jinping als Generalsekretär bestätigt – und er stellt das Line-Up für die nächsten 5 Jahre vor.

Xi Jinping hat es nicht nur geschafft, sich eine dritte – und damit wahrscheinlich auch mindestens eine vierte – Amtszeit zu sichern, sondern auch seinen Einfluss zu vergrößern. Li Keqiang „geht fischen“, ein chinesischer Euphemismus dafür, dass er nicht nur in Rente geht, sondern sich auch weitgehend aus der Politik in Peking zurückziehen wird. Ebenso hat seine Clique an Macht verloren und damit der eher „wirtschaftsliberale“ Flügel.

Xi Jinping kann damit seine ideologisch geprägte Politik stärker durchsetzen. In den nächsten Jahren wird die Wirtschaft in China – wie auch die gesamte Gesellschaft – noch mehr von ideologischen als von pragmatischen oder wirtschaftlichen Grundsätzen geprägt werden. Prinzipiell wird dies bedeuten, dass der staatliche Komplex zugunsten der Privatwirtschaft gestärkt wird. Die Macht der Partei wird zugunsten eines schwächeren Staates gestärkt. Auf den „Zwei Sitzungen“ werden dazu die ersten Schritte verabschiedet werden.

Xi Jinpings Reformstau

Die letzten zwei bis drei Jahre waren von Xi Jinpings Streben nach einer dritten Amtszeit und von Corona geprägt. Dies hat einen riesigen Reformstau hinterlassen. Die wichtigsten Themen sind dabei die Probleme, die der demographische Wandel bereiten wird, allen voran eine Rentenreform.  Bis 2033 werden jedes Jahr ca. 20 Millionen Senioren in Rente gehen. Erste Äußerungen lassen darauf schließen, dass das Renteneintrittsalter erhöht und die Rentenleistungen gesenkt werden. In den letzten Wochen wurden in diversen Städten und Provinzen schon die Leistungen der Krankenkassen für Rentner beschnitten, was zu einer neuen Protestwelle geführt hat.

Weiter eher geringere Konsumausgaben in China – kein gutes Omen für die Wirtschaft nach Corona

Zusammen mit der sich weiter durch das Land fressenden Immobilienkrise bedeutet dies, dass die Konsumausgaben eher geringer ausfallen als erhofft. Kurzfristig wird sicherlich eine Erholung im Konsum und in der Serviceindustrie zu sehen sein, was in einem sehr hohen Service-PMI korrespondiert. Im Laufe des Jahres aber wird sich hier eine Normalisierung der Lage einstellen.

Der innerchinesische Tourismus ist schon fast wieder auf dem Niveau von 2019. Das Angebot an Auslandsreisen ist noch begrenzt und wird sich erst zum Herbst hin normalisieren. Noch ist die Visavergabe für zahlreiche Länder eingeschränkt. Zudem haben viele Botschaften und Konsulate in den letzten drei Jahren ihr Personal abgebaut, was nun erst langsam zurückkehrt. Und schlussendlich müssen neue Slots für Flugverbindungen beantragt, genehmigt und dafür auch noch Flugzeuge inklusive Personal gefunden werden. Die Import- und CPI-Daten (Verbraucherpreise) vom März werden einen genaueren Indikator geben, wie kraftvoll der Konsum tatsächlich wächst.

Der Einfluss des Neujahrsfestes

Um sich einen realistischen Eindruck von der Wirtschaft in China verschaffen zu können, kommt es auch auf das chinesische Neujahrsfest an. Meiner Erfahrung nach kann niemand, der nicht länger in China gelebt hat, diesen Faktor nachvollziehen, denn viele Facetten davon strahlen auf die wirtschaftlichen Indikatoren ab.

Da das Neujahrsfest dem Mondkalender folgt – wie bei uns Ostern – variiert das Datum zwischen Mitte Januar und Mitte Februar. Damit sind beide Monate nicht ohne weiteres mit den Vorjahreszeiträumen vergleichbar. Erschwerend kommt natürlich hinzu, dass seit 2020 durch Corona kein Jahr mehr normal war. Die Fabriken sind für einen Zeitraum von ca. 40 Tagen geschlossen. Für Europa bedeutet dies, dass alle Aufträge für Ostern bis zu den Fabrikschließungen auf dem Schiff sein müssen.

Mangelnde Arbeitskräfte und steigende Löhne

Mit dem Neujahrsferien enden auch die meisten Arbeitsverträge für die Arbeiter in den Fabriken. Das bedeutet, dass die Fabriken nach Neujahr neue Arbeiter suchen, einstellen und einarbeiten müssen. Dies wird aber immer schwieriger. Nach einer Studie der All China Federation of Trade Union wuchs die erwerbsfähige Bevölkerung in China in den letzten fünf Jahren nur noch um 2,8%. In der halben Dekade davor waren es noch 11,8%. Der Arbeitsmarkt in China steht nach dieser Studie 402 Millionen Arbeitnehmern zur Verfügung. Ab 2025 werden der chinesischen Fertigungsindustrie fast 30 Millionen offene Stellen pro Jahr unbesetzt bleiben!  Schon jetzt sind die Arbeitskosten in chinesischen Fabriken höher als in anderen südostasiatischen Ländern.

China Wirtschaft Arbeitskosten

Der limitierende Faktor verlagert sich also langsam von den eingeworbenen Aufträgen zu den verfügbaren Arbeitskräften. Der Februar steht in der Regel für die Fabriken im Hochfahren der Produktion: Arbeiter anwerben und trainieren. Ab Mitte März werden die Aufträge für die Weihnachtssaison in Amerika und Europa eingeworben. Hier besteht jedoch ein Unsicherheitsfaktor: Die Wirtschaftslage in beiden Regionen ist unübersichtlich. Daher ist zwar die Hoffnung auf neue Aufträge hoch – was sich in einem entsprechend hohen PMI (Einkaufsmanagerindex) ausdrückt – aber erst Mitte bis Ende März wird sich ein realistisches Bild abzeichnen.

Globale Spannungen könnten die Wirtschaft weiter belasten

Dazu kommen noch die Spannungen zwischen den USA und China, die die Geschäfte belasten. Es ist unklar, ob und wie sich China eventuell in den Ukraine-Krieg durch Waffenlieferungen einbringen wird. Solche Lieferungen würden seitens der USA und ihrer Verbündeten sicherlich mit Sanktionen beantwortet werden. Diese würden perspektivisch nicht nur die chinesische Wirtschaft direkt belasten, sondern durch eine Feedback-Schleife verstärkt werden.

Baltic Dry Index und Drewry Container Index: China-Geschäft verliert an Momentum

Der Baltic Dry Index (BDI) zeigte in den letzten Wochen eine leichte Erholung, während der Drewry World Container Index (WCI) weiter leicht sinkt. Dieser Gegensatz zeigt zwei unterschiedliche Entwicklungen: Wie Drewry zeigt, wurde dem Frachtmarkt 4,5% seiner Kapazität entzogen. Künstliche Verknappung eines Gutes sorgt normalerweise für steigende Preise. Der WCI konzentriert sich auf die Routen von und nach China. Hier sinken die Preise noch leicht. Der BDI ist ein Indikator für die weltweiten Verkehre. Er zeigt also an, dass sinkende Kapazitäten auf den Routen außerhalb des China-Verkehrs sehr wohl für leicht steigende Preise sorgen. Das deutet darauf hin, dass das China-Geschäft derzeit an Momentum verliert.

China: Erholung der Wirtschaft nicht so stark und so schnell, wie erhofft

Die internationalen Finanzmärkte hatten zum Jahreswechsel auf einen kräftigen Rebound der chinesischen Wirtschaft gebaut. Mittlerweile sind sie jedoch pessimistischer, was die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft angeht.

https://finanzmarktwelt.de/liefert-china-waffen-an-russland-scholz-warnt-peking-262916/

Die realistische Einschätzung ist wohl, dass sich die chinesische Wirtschaft erholen wird, allerdings nicht so schnell und stark wie von den internationalen Finanzmärkten zu Beginn des Jahres erhofft.



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