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Chinas Zinssenkung: alles supergut?

Von Markus Fugmann

Was Chinas Zentralbank heute beschlossen hat, ist die sechste Zinsenkung seit November letzten Jahres. Es ist auch der größte Schritt seit dem 25. August, als die PBOC in gleichem Umfang sowohl Leitzinsen als auch die Mindestreservequote zurückgenommen hatte. Auffällig dabei: kurz zuvor hatte Pemier Li Keqiang in einer Rede an den Nachwuchs der kommunistischen Partei eine weitere Lockerung der Geldpolitik gefordert. Und die kam dann wenige Minuten später prompt.

Was im Westen kaum verstanden wird ist, dass die vermeintlich prompte Reaktion der chinesischen Zentralbank vor allem einem Zweck dienen soll: das Ansehen Li Keqiangs zu erhöhen. Denn der Premier war zuletzt heftig in die Schußlinie geraten, weil er sich für die Intervention Oekings am Aktienmarkt stark gemacht hatte, die als Fehler gilt und eine Abwertung des Yuan, die dann erfolgte, ausgeschlossen hatte. Hinter vorgehaltener Hand wurde daher sogar seine Ablösung gefordert. Aber das wollte und konnte Peking nicht, ohne einen massiven Gesichtsverlust zu riskieren. Also lautete die Lösung: wenn wir ihn nicht absetzen können, müssen wir ihn aufbauen. Das ist der tiefere Zweck dieser konzertierten Aktion der Zinssenkung – die Peking sowieso vorhatte.

Aber der Zeitpunkt erstaunt doch sehr. Warum gerade jetzt? Hatte das BIP letzte Woche nicht wunderlicherweise die Erwartungen mit einem Plus von 6,9% übertroffen? Wenn Peking nun die Zinsen senkt bedeutet das doch wohl, dass die Machthaber der Zahl 6,9% selbst nicht glauben! Und: heute Nacht hatte die Statistikbehörde gemeldet, dass erstmals seit 17 Monaten die Immobilienpreise in mehr als der Hälfe der untersuchten Städte wieder gestiegen waren – dank massiver Stimulusmaßnahmen und vor allem der Aufhebung von Beschränkungen für Käufer von Zweitimmobilien. Wenn all das der Fall ist und die Wirtschaft wirklich stabil wäre, wie Chians Machthaber immer wieder betont hatten – warum dann heute die Zinssenkung?

Eine Antwort lautet: China reagiert auf die EZB. Was Draghi gestern zu verkünden hatte, hat man auch in Peking sehr klar verstanden. Draghis Botschaft war, dass die EZB die globale Führerschaft in Sachen ultralaxer Geldpolitik übernehmen wolle, und das obwohl Draghi eigentlich für Europa selbst optimistisch ist. Daher musste Draghi für die Schwellenländer und für China umso pessimistischer sein, um nicht ganz unglaubwürdig zu werden. Es ist diese beanspruchte Führerschaft der EZB, die China mit dem heutigen Schritt bestreitet. Denn China, und das ist der Unterschied, hat noch sehr viel mehr Munition als die EZB – der Ausleihesatz wurde heute auf 4,5% gesenkt, da ist also noch eine Menge Luft, während die EZB in dieser Hisicht schon auf dem Zahnfleisch läuft.

Wie auch immer: die Märkte jubeln zuerst einmal – aber vielleicht kommt dann doch bei genauerem Hinsehen die Überlegung auf, wie ernst die Lage in China sein muß, dass China heute erneut einen großen Zinsschritt gemacht hat. Es wäre nicht das erste Mal, dass dem Jubel dann der Kater folgt nach einer Zinssenkung Chinas. Dass das auch diesmla so kommen könnte, zeigen die Rohstoffe: so ist die anfänglich positive Reaktion des US-Öls WTI sowie von Kupfer schon wieder verflogen.



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