Allgemein

Coronavirus: Wer gewinnt die Milliardenwette um den Impfstoff?

Wann kommt der Impfstoff gegen das Coronavirus , die laut Bill Gates „dringendste Erfindung der Welt“? So arbeiten China, die USA und Deutschland unter höchstem Druck an der Entwicklung – ein Erklärstück in 2 Teilen.

Einen Impfpass haben wohl fast alle von euch irgendwo zu Hause in der Schublade. Als Vorbereitung für diese Recherche habe ich mir meinen mal genauer angeschaut – und gestaunt: Ich wurde schon 26 Mal geimpft! Unter anderem gegen Polio, Diphterie, Tetanus, Tuberkulose, Hepatitis B, Grippe, Gelbfieber, Tollwut – alles hochansteckende Infektionskrankheiten, die durch Viren übertragen werden. Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass in meinem und in eurem Impfpass schon bald ein neuer Eintrag auftaucht.

Weltweit wurden mehr als neun Millionen Menschen positiv auf das Coronavirus getestet und das Virus verbreitet sich schneller denn je, aktuell vor allem in den USA und Südamerika. Das zeigen Zahlen der Johns Hopkins University. Schon über 400.000 Menschen starben mit oder wegen Covid-19.

Das Virus hat auch die globale Wirtschaft infiziert: Zahlreiche Länder haben das öffentliche Leben für mehrere Monate runtergefahren, dadurch verdienen viele Menschen weniger oder sogar gar kein Geld mehr. Und auch ein halbes Jahr nach dem Ausbruch ist die Welt weit entfernt von Normalität. Was ist die Lösung für den Ausnahmezustand?

„The most urgent invention in the world right now is a vaccine that prevents you from getting Covid-19“, sagt Bill Gates in einem Video. Abstands- und Hygieneregeln werden weiterhin bestehen, „solange wir keinen Impfstoff haben“, meint Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und EU-Kommisionspräsidentin Ursula von der Leyen betont: „Impfen bedeutet die Unabhängigkeit von Furcht. Das Coronavirus hat uns an diese alte Wahrheit erinnert.“

Die Mächtigen dieser Welt sind sich einig: Ohne Impfstoff werden wir das Coronavirus nicht besiegen. Denn 60 bis 70 Prozent der Menschheit müssen gegen das Virus immun werden, um die Ausbreitung zu stoppen – und auf natürlichem Wege würde diese Herdenimmunität unzählige Opfer fordern. Genau deshalb läuft gerade ein weltweites Wettrennen, wer als erstes solch ein Serum an den Start bringen kann.

In diesem Beitrag zeige ich euch, wo wir bei diesem Rennen aktuell stehen, wie die USA, China und Europa sowohl konkurrieren, als auch kollaborieren – und welche Impfstoff-Technologien und -Hersteller man kennen sollte. Schließlich geht es am Ende ja um unseren Körper. Im ersten Teil erfahrt ihr grundsätzliche Hintergründe zur Entwicklung von Impfstoffen, im zweiten Teil schauen wir dann konkret auf die vielversprechendsten Kandidaten.

Der Startschuss zu dem Rennen war Mitte Januar, als chinesische Forscher das Genom des neuartigen Coronavirus entschlüsselten und im Internet teilten. Seitdem arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Laboren auf der ganzen Welt daran, einen Impfstoff zu entwickeln. Auf der Webseite der London School of Hygiene and Tropical Medicine – einer der renommiertesten Institutionen im Bereich Infektionskrankheiten – waren Ende Juni knapp 200 verschiedene Kandidaten aufgelistet. Sie sind in unterschiedlichen Phasen der Entwicklung und nutzen verschiedene Technologien.

Wenn wir hier alle besprechen würden, wäre ich morgen noch dran. Deswegen konzentrieren wir uns auf Kandidaten, die sich mindestens in Phase I/II der Entwicklung befinden. Die eine Hälfte wird von den USA mit Milliarden gesponsert, die andere kommt aus China.

Ich weiß nicht, wie es um euer Wissen um die Forschung an Impfstoffen steht, aber ich persönlich hatte vor dieser Recherche keine Ahnung, was da Phase ist. Deswegen machen wir jetzt mal einen kleinen Crashkurs – und beginnen mit der wichtigsten aller Fragen:

Was passiert bei einer Impfung?

Der erste Impfstoff der Geschichte war gegen Pocken und wurde 1796 angewendet – also vor mehr als 200 Jahren. Trotzdem ist das medizinische Prinzip bis heute gleich geblieben:
Impfstoffe gaukeln dem Körper vor, dass er mit einem Virus infiziert ist. Als Reaktion darauf bildet unser Immunsystem Antikörper, damit wir den Krankheitserreger bekämpfen können, wenn wir ihn uns eines Tages tatsächlich einfangen.

Eine Impfung ist für den Körper so ähnlich wie eine Probeklausur für den Geist: Man bereitet sich auf den Ernstfall vor, um dann am Tag X alles aus dem Gedächtnis hervorzukramen und ganz locker zu bestehen.

Normalerweise dauert es viele Jahre, bis ein Impfstoff entwickelt und auf dem Markt verfügbar ist. Vielleicht erinnert ihr euch noch an den Ausbruch von Ebola 2014 in Afrika, damals sind mehr als 10.000 Menschen an dem Virus gestorben. Aber erst im November 2019 wurde ein Impfstoff zugelassen. Jetzt soll alles viel schneller gehen.

„We will be able to deliver a few million hundred doses of vaccine by the end of 2020“, sagt der Chef des amerikanischen Impfstoff-Projektes bei dieser Pressekonferenz. Und er ist nicht der einzige Experte auf der Welt, der eine erfolgreiche Entwicklung noch in diesem Jahr für möglich hält. Schon jetzt stellen Impfstoffhersteller in Indien, den USA und auch in Deutschland riesige Mengen her, obwohl ihr Kandidat noch gar nicht zugelassen ist – einfach nur, um im Erfolgsfall möglichst schnell auf dem Markt zu sein. Zu den Details kommen wir gleich noch aber vorher klären wir, wie die Zulassung eigentlich funktioniert.

Coronavirus – Wie wird ein Impfstoff getestet?

Ein Impfstoff ist ein Arzneimittel, das ziemlich vielen Menschen verabreicht wird, die in den meisten Fällen kerngesund sind – deshalb sind die Vorgaben bei der Entwicklung besonders streng. In Deutschland ist das Paul-Ehrlich-Institut für die Zulassung zuständig. Deren Chef erklärt uns mal kurz, worauf seine Leute so ganz grundsätzlich achten:

In den meisten Ländern läuft die Zulassung eines Impfstoffs nach einem standardisierten Verfahren ab. Das müssen wir uns mal kurz genauer anschauen um zu verstehen, wo genau die aussichtsreichsten Kandidaten gerade stehen.

Normalerweise wird ein Impfstoff erst an Tieren wie zum Beispiel Mäusen oder Affen getestet um zu schauen, ob das Immunsystem tatsächlich reagiert. Dann kommt Phase I der Tests an Menschen. Bis zu 100 gesunde Personen bekommen die Dosis verabreicht und es geht um die Frage, ob das Serum sicher ist und der Körper so reagiert, wie sich das die Forscher vorgestellt haben.

In Phase II erhält eine größere Gruppe infizierter Menschen den Impfstoff. Entscheidend ist hier, die richtige Dosis zu finden und dann zu schauen, wie gut das Mittel tatsächlich wirkt. Die meisten Kandidaten scheitern in Phase II, daher nennen Wissenschaftler den Übergang zu Phase III auch das „Tal des Todes“. Wer das erfolgreich durchschritten hat, testet den Impfstoff dann an mehreren tausend Menschen. Hier geht es darum, die Wirksamkeit eindeutig nachzuweisen – auch bei älteren und schwachen Menschen – und die möglichen Nebenwirkungen statistisch sauber zu erfassen. Erst nach diesen Schritten wird das Arzneimittel zugelassen.

Aber wie soll all das so schnell gehen? Ein Schaubild der amerikanischen Zeitung New York Times zeigt, wie dieser Prozess beim Impfstoff gegen das Coronavirus beschleunigt wird:

Coronavirus und das Rennen um den Impfstoff

Die ersten Studien am Menschen starten meist schon parallel zu den Tierversuchen. Und auch die weiteren Phasen werden kombiniert. Außerdem ziehen die Hersteller schon während der Forschung neue Fabriken hoch, um das Arzneimittel noch vor der Zulassung in Massen produzieren und dann blitzschnell ausliefern zu können.

Noch nie in der Geschichte der Menschheit gab es so viel Druck auf der Entwicklung eines Impfstoffs. Das erhöht natürlich das gesundheitliche Risiko für uns Menschen – und damit kommen wir zur nächsten Frage:

Welche Gefahren bergen Impfungen und Impfstoffe?

In einer gemeinsamen Stellungnahme warnen die Deutsche Gesellschaft für Virologie und die Deutsche Gesellschaft für Immunologie davor, dass es „in der Geschichte der Impfstoffe einige Beispiele für Vakzinen mit zu starken Nebenwirkungen gibt und für solche, mit denen das Ziel eines sicheren Schutzes nicht erreicht werden konnte, sondern Schaden verursacht wurde.“

In den 50er Jahren zum Beispiel wurde in den USA ein Impfstoff gegen Kinderlähmung entwickelt und unter großem öffentlichen Druck überhastet genehmigt. Einer der Produzenten stellte ein unausgereiftes Produkt her, an dem mehrere Zehntausend der geimpften Schulkinder an Muskelschwäche erkrankten, einige starben sogar an den Folgen.

Oder noch ein aktuelleres Beispiel: Der französische Pharmahersteller Sanofi entwickelte im Jahr 2015 einen Impfstoff gegen das Denguefieber. Zwei Jahre später veröffentlichte Sanofi Studienergebnisse die zeigen, dass der Impfstoff die Symptome für diejenigen verschlimmern kann, die zuvor nicht mit Dengue infiziert waren. Die Impfkampagne wurde daraufhin gestoppt, zu der Zeit hatten jedoch schon Hunderttausende Menschen das Serum erhalten.

Auch bei uns in Deutschland gibt es immer noch Impfschäden. Das Paul-Ehrlich-Institut meldet aus den vergangenen 20 Jahren rund 50.000 Fälle, in denen Menschen wegen einer Impfung gesundheitliche Probleme bekamen – mehr als 400 Leute starben sogar an den Folgen. Das ist echt schrecklich aber man muss natürlich auch in Relation sehen, dass allein in den vergangenen zehn Jahren mehr als 60 Millionen Deutsche mindestens einmal geimpft wurden. Das zeigt diese Auswertung von Statista.

Worauf ich hinaus will: Es ist wichtig, den Impfstoff gegegn das Coronavirus schnell zu entwickeln, damit Leben gerettet werden und die Welt wieder zur Normalität zurückkehren kann. Aber das Wichtigste ist: Safety first. Schließlich hängt davon ja auch ab, ob sich die Menschenmassen überhaupt von einer Impfung überzeugen lassen. Laut dieser Umfrage von Kantar sind wir Deutschen im Vergleich zu anderen Industrieländern am skeptischsten: 12 % wollen sich „auf gar keinen Fall“ gegen Covid-19 impfen lassen.

Impfungen gegen das Coronavirus wären in Deutschland nicht sehr populär

Sind Impfstoffe gegen das Coronavirus ein lohnendes Geschäft?

Wenn wir an Pharmafirmen denken, kommen uns automatisch gigantische Gewinne in den Sinn. Klar: Wer einmal ein Medikament hat, das viele Menschen brauchen – und das am besten noch regelmäßig – der kann damit für ziemlich lange Zeit ziemlich viel Geld verdienen. Impfstoffe aber sind im Vergleich dazu ein recht reudiges Geschäft. Vor allem dann, wenn die Entwicklung schnell gehen muss.

Schauen wir uns dazu noch mal Ebola an: Der amerikanische Arzneimittelhersteller Merck hat es Ende vergangenen Jahres als erster geschafft, einen Impfstoff gegen das tödliche Virus auf den Markt zu bringen. Die Entwicklung dauerte Jahre und hat verdammt viel Geld gekostet. Doch der Firmenchef Ken Frazier sagte in einer offiziellen Anhörung, dass es für solche Vorhaben kein kommerzielles Potential gebe.

Ein Grund dafür ist, dass viele betroffene Menschen aus ärmeren Ländern stammen und nur sehr wenig Geld haben, um sich den Impfstoff überhaupt leisten zu können. Außerdem hatte die Ausbreitung der Seuche schon lange vor der Zulassung stark nachgelassen, die potentielle Zahl der „Kunden“ wurde also immer kleiner.

Bei der Sars-Epidemie im Jahr 2002 – einem Erreger, der dem heutigen Coronavirus zu 80 Prozent ähnelt – gab es zu Beginn auch viele Pharmafirmen, die an einem Impfstoff forschten. Als das Virus dann aber relativ schnell ausstarb, wurden die Investitionen gestoppt. Nach der simplen Marktlogik, dass man ohne Nachfrage ja auch kein Angebot schaffen braucht.

Grundsätzlich sind Impfstoffe für die Hersteller nicht so lukrativ wie Medikamente, weil wir uns meistens ja nur einmal im Leben gegen eine Krankheit impfen lassen müssen. Medikamente dagegen brauchen wir viel häufiger. Und weil die Zulassung so strikt ist, steigen natürlich auch die Kosten bei der Entwicklung. Eine wissenschaftliche Studie der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet hat ergeben, dass die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Infektionskrankheiten mehrere Hundert Millionen Dollar kosten kann – alleine, um bis zu Phase 2 zu kommen.

Unter diesen Voraussetzungen würden also nur die wenigsten Pharmakonzerne an einem Impfstoff gegen das Coronavirus forschen – obwohl ihnen natürlich bei einer erfolgreichen Zulassung viel Ruhm und Ehre winkt. Damit aber möglichst viele Vorhaben starten, stecken Staaten und Stiftungen Milliardensummen in die Entwicklung. Welche Kandidaten am vielversprechendsten sind, wo deutsche Firmen bei der Forschung stehen und wie unterschiedlich China und USA vorgehen, erfahrt ihr in Teil 2 meines Beitrags.

 



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

2 Kommentare

  1. Hier wird ein Fakt aussen vor gelassen bei denen die Risiko-Abschätzung unklar ist. Und zwar RNA Impfstoffe. Hier sollte sich jeder mal in die Materie einlesen bevor man sich bereitwillig einer Gefahr aussetzt. Allgemein: Aktuell kann man den Wettlauf schon als grosses Menschen Experiment bezeichnen. Wenn so ein Impfstoff in einem Jahr entwickelt wird und dann jung wie alt, krank und Gesund verabreicht wird, muss der so hohe Mengen an Verstärkern besitzen das die Gefahr einer Nebenwirkung zunimmt und Langzeitfolgen sind auch nicht absehbar. Ob es überhaupt notwendig ist einen Impfstoff zu entwickeln ist auch eine Frage die öffentlich und unabhängig diskutiert werden sollte. Die 450000Toten sind nicht alle durch Covid gestorben ohne Autopsie gar nicht feststellbar. Vor allem wenn es Anreize gibt, wie zb in NY, dort Covid Patienten zu behandeln. Auch die Dunkelziffer der infizierten ist vielfach höher was die reale Todeszahl auch nach unten setzt im Vergleich zu den infizierten und einer schweren Grippewelle annähert bei der auch die Impfungen bei Risikopatienten kaum wirken.

  2. Mein Posting vom 20.06.2020:
    Ich bin mal gespannt wie sich die Marktlage ändert wenn wie bereits bestätigt wurde bei einer einmaligen Infektion nicht unbedingt Antikörper entwickelt werden und somit keine Herdenimmunität erreicht werden kann.
    Aus meinem Bereich haben wir bereits mehrere solche Fälle die ganeu dieses Bild abgeben.
    Also bereits infiziert gewesen und danach war der Antikörpertest negativ – ich bin einer von mehreren nachgewiesenen Personen! (laut einer Studie sollen nur 4% der infizierten tatsächlich Antiköper gebildet haben)
    Das Resultat ist, das wir
    1. Keine nachhaltige Immunität erhalten werden, weder durch die natürliche Körperabwehr noch durch irgendwelche Impfungen (RNA Impfung eingeschlossen)
    2. Durch die natürliche Mutation, wie wir Sie bei den Influenza Viren kennen werden sich auch die Covid 19 Viren an die äusseren Gegebenheiten anpassen
    3. Wir uns mit dem Virus abfinden müssen und wir uns auf eine Koexistenz einstellen sollten und das ohne Panik

    Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Studie-belegt-Zweifel-ob-sich-eine-laenger-anhaltende-Immunitaet-nach-einer-Covid-19-Infektion-4789059.html

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage