Europa

Deutsche Konjunktur: Signale trüben sich ein – und doch erwartet man einen Aufschwung zu Jahresende

Beinahe im Wochenrhythmus trüben sich Indikatoren für die deutsche Konjunktur ein - und dennoch gehen Konjunkturforscher von einer Rückkehr des Wachstums aus

Es ist ein Phänomen, für das ich keine triftige Erklärung habe. Beinahe im Wochenrhythmus trüben sich Indikatoren für die deutsche Konjunktur ein, werden Gewinnwarnungen herausgegeben, Wachstumsraten reduziert und dennoch gehen Konjunkturforscher und Wirtschaftsinstitute von einer Rückkehr des Wachstums zum Ende des Jahres aus.

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Deutsche Konjunktur: Aktuelle Einschätzungen

Es häufen sich Gewinnwarnungen und Absenkungen der Jahresprognosen bei Konzernen. Dazu gab die Industrie bereits den Abbau von tausenden Stellen in naher Zukunft bekannt: BASF, BMW, Daimler, Ford, Lufthansa, Siemens, ThyssenKrupp, um nur einige zu nennen. Kaum ein Unternehmen aus den Bereichen Automobilindustrie plus Zulieferer und Maschinenbau blieb davon bisher unberührt. Der Handelskonflikt, der jetzt schon über ein Jahr andauert, hinterlässt in der deutschen Konjunktur immer tiefere Spuren . Hierzu ein paar Statements von deutschen Konjunkturforschern:

„Das zweite Halbjahr hat begonnen, und von der allgemein erwarteten Belebung der Konjunktur in Deutschland ist nichts zu sehen“, kommentierte Commerzbank-Konjunkturexperte Ralph Solveen die Lage. Chinas Schwäche und der Strukturwandel führen dazu, dass Maschinenbauer und Chemieindustrie sich beklagen, dass sich Kunden aus der Autobranche mit Bestellungen zurückhalten.

Ein gemischtes Bild für die deutsche Konjunktur sieht der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher: „Wir sollten in Deutschland nicht in Panik über die sich abschwächende wirtschaftliche Entwicklung verfallen. Die Grundlage der deutschen Wirtschaft ist nach wie vor sehr solide.“ Die Stärke sei nach wie vor der Bauboom und die Konsumfreude. Die konjunkturelle Schwäche führe allerdings zur Verunsicherung bei den Menschen, „damit zu weniger Konsum und dadurch wiederum zu weniger Wachstum“, so Fratzscher. Die Bundesregierung sollte sich darauf vorbereiten und ein nachhaltiges Investitionsprogramm beschließen, um einen langfristigen Impuls zu setzen.

Viel skeptischer hingegen die Einschätzung für die deutsche Konjunktur des Ifo-Konjunkturchefs Prof. Dr. Timo Wollmershäuser. Für ihn gibt es bereits „erste Anzeichen, dass sich die Industrieschwäche auch auf andere Wirtschaftsbereiche überträgt“. Die Stimmung bei den industrienahen Dienstleistern, etwa in der Logistik, habe sich bereits deutlich eingetrübt. Die Auftragsbücher vieler Unternehmen würden noch eine zeitlang reichen, aber sollten keine nennenswerten Neubestellungen eingehen, müssten Hersteller ihre Produktion drosseln. Das habe dann auch Folgen für die Beschäftigten.

Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts ist die Zahl der Industrieunternehmen, die mit Kurzarbeit rechnen, gestiegen: 3,8 Prozent der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe haben Kurzarbeit eingeführt, 8,5 Prozent rechnen damit in den kommenden drei Monaten. Das wäre ist der höchste Wert seit 2013. Allerdings bemerkt der Leiter des Bereichs Konjunkturforschung und -prognosen auch: Derzeit rechne das Ifo-Institut aber damit, dass sich die Industrie gegen Ende des Jahres allmählich wieder erhole.

Auch der Chef der Bundesarbeit für Arbeit, Detlef Scheele, schlägt in dieselbe Kerbe. Er sieht die konjunkturelle Situation anders als vor 10 Jahren. Er gehe davon aus, dass sich dieEintrübung der deutschen Konjunktur über drei, vier Quartale hinzieht und es dann wieder aufwärts geht.

Fazit

Warum also geht man von einer sich erholenden Wirtschaft im letzten Quartal 2019 aus? Es gibt keine griffige Erklärung, allenfalls ein paar erste Stabilisationszeichen und einen stark steigenden Baltic Dry Index. Ein Sammelindex und Frühindikator für die Frachtraten und die Preise von Vorprodukten, wie Kohle, Eisenerz, Zement, Kupfer, Kies, Dünger und Getreide. Zumeist also Güter, die für die Herstellung von Waren erforderlich sind, die erst Monate später als fertige Produkte auf den Markt kommen.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, sagt man, wohl zurecht, aber aus den Augen sollte man den Vogel (Baltic Dry Index) dennoch nicht lassen.

 

Erholt sich die deutsche Konjunktur wirklich im 2.Halbjahr?

Beispielbild für Stahlproduktion. Foto: Omzfoundry Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported



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11 Kommentare

  1. @Wolfgang Müller
    Ranzentier hatte bereits einen interessanten Link zum BDY gepostet:
    http://www.wolfgang-matejka.com/2019/07/09/auf_den_meeren_ist_was_los

    Herr Matejka jedenfalls erläutert anhand einiger relevanter Fakten, weshalb wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht die sonst üblichen Schlüsse aus diesem Index ziehen dürfen.
    Der Shanghai Containerindex wäre diesbezüglich vielleicht aufschlußreicher?
    https://www.nok21.de/2019/07/11/containerschiff-stimmungsschwankungen-im-ratengefuege-teil-3/
    Allerdings sieht es auch hier nicht gerade rosig aus….

  2. Vielleicht schlägt der Baltic Dry Index aufgrund von Hamsterkäufen aus. Bevor Alle Alles mit Zöllen bewehren, kauft man schnell noch mal richtig günstig ein und legt es sich lieber auf Halde. Danach fällt der Index dann völlig in sich zusammen. OK, ich gebe zu, auf ein solches Szenario kommen nur waschechte Bären. :-)

  3. Was sich mir hier nicht ganz erschließt, ist die Tatsache, dass der Anstieg des Baltic Dry Index nun als positiv gesehen wird, wohingegen der Rückgang vorher unbeachtet blieb.

    Dies ist in etwa so wie die Tatsache, dass nun eine Zinssenkung für den Juli nach der Rede Powells eingepreist wird, obwohl vorher schon zu 100% eine erwartet wurde.
    Was zeigt uns das?
    Es ist mal wieder soweit: Alles positive wird positiv gesehen, gerne auch mehrmals, aber alles negative wird ausgeblendet.

    1. Keine 2h hat es gedauert und der Markt hat die „guten“ Nachrichten von 10.00 Uhr vergessen.

  4. @Quintus. Danke für die Infos. Den Wolfgang Matejka- Kommentar hatte ich schon gelesen. Aber das erklärt für mich die Sache trotzdem nicht. Die Katastrophe in Brasilien ist schon ein halbes Jahr her. Der Shanghai Index SCFI ist vom 24. Juni und da stand der Baltic Dry Index bei 1239 Punkten. Heute steigt er schon wieder um 2,7 Prozent auf von 1816 auf 1865 Punkte. In eineinhalb Monaten um 1000 Punkte! Eigenartig.
    Viele Grüße

    1. …vielleicht sogar selber geschrieben…;—)

  5. @Wolfgang
    Peter Sand, Chief Shipping Analyst bei Bimco sieht die Ursache des ungewöhnlichen Anstiegs des BDI darin:

    Sand erinnerte daran, dass seit dem 1. März 2018 der BDI von einem gewichtsgleichen Index für Capesize, Panamax, Supramax und Handysize auf eine Gewichtung von 40% auf Capesize und 30% auf jeden der Panamax- und Supramax-Zeitcharter-Durchschnitte umgestellt wurde und nicht mehr den Durchschnitt der Handysize-Zeitcharter beinhaltet.

    http://www.seatrade-maritime.com/news/europe/baltic-dry-index-can-no-longer-reflect-dry-bulk-shipping-performance-bimco.html

    Gruß
    Quintus

  6. Diese Indexe sind doch alle unverlässlich, da verlasse ich mich lieber auf den FHSLI.
    ( Fugmann- Hamburg- Schiff -Looking-Index )

    1. Hallo @Beobachter. Der FHSLI dürfte Ihnen als Bär aber auch nicht gefallen, hat denn nicht Markus Fugmann kürzlich von einer Zunahme der Containerzahlen berichtet?😃
      Gruß

  7. @Quintus. Danke für die Info. Diese Umstellung erklärt natürlich einiges. Allerdings stammt die Analyse vom 12. Juni und seither ist der Index um weitere 50 Prozent gestiegen, in einem Monat. Seit gestern ist der BDI um weitere 3,3 Prozent gestiegen (1928 Punkte) nach 2,7 Prozent am Vortag. Was wird denn da befördert, was so einen Preisanstieg generiert?
    Eine Erklärung habe ich in einem Schweizer Wirtschaftskommentar gefunden. Der Indexanstieg sei möglicherweise auf den Kohlebedarf Chinas zurückzuführen, allerdings nicht aus konjunkturellen Gründen, sondern wegen des Stromverbrauchs aufgrund des heißen Sommers (Klimaanlagen). Außerdem sollen viele Aufträge wegen der möglichen Zollanhebungen vorgezogen worden sein. Klingt für mich aber nicht vollkommen schlüssig.
    Viele Grüße

  8. @ Wolfgang M. Könnte auch sein dass die Amis u.die Chinesen ihre Lager vollstopfen, da niemand weiss ob u.wann u.wieviele Zölle noch kommen werden. Auf kurzfristige Daten zu schauen ist verlorene Zeit.
    Ich wiederhole, um eine stärkere Rezession zu bekämpfen braucht es ca. 5 % Zinssenkung u.das ist nicht mehr möglich. @ Michael hat kürzlich bestätigt,dass das genau bei den letzten 2 Krisen gemacht wurde.
    ( googeln : In den USA sind Negativzinsen Tabu)
    Meine Wette, niemand kann Wirtschaftszyklen verhindern, vor allem nicht Trump.

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