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Goldman-Analyse „Neue regulatorische Weltordnung“ – wie ESG Geldanlagen lenkt

Die EU schreitet voran bei der Klassifizierung von grünen Geldanlagen nach ESG-Standards. Immer mehr Geld fließt in solche Fonds.

Normalerweise legt der Anleger sein Geld dort an, wo er sich am meisten Rendite verspricht. Ist es aber zunehmend erwünscht, nicht nach Rendite zu schauen, sondern nach „der guten Sache“? Daniel Eckert von der WELT veröffentlichte jüngst diesen Vergleich. In den letzten zwölf Monaten performte ein MSCI World ETF mit +7,55 % (der klassische globale Aktienmarkt). Ein ETF mit globalen Investitionen in grüne Energie verlor aber 31,66 %. Dabei ist Investieren in den grünen Sektor doch gerade total angesagt, ein Sektor mit viel Zukunft? Offenbar sollte man sich als Anleger genau überlegen, ob man sich vom guten Gedanken so sehr blenden lässt, dass die Rendite gar keine Rolle mehr spielt. Nun sieht man aber, dass die Regularien für grüne Geldanlagen (ESG) kräftig im Aufwind sind.

Grüne Geldanlagen nach ESG-Standards – Goldman-Analyse

Vermögensverwalter die versuchen Fonds in Europa zu verkaufen, haben es zunehmend schwerer dies zu tun, wenn ihre Produkte nicht als ESG-Produkte (ESG = Environmental, Social and Governance) registriert sind, so eine Studie von Goldman Sachs laut Bloomberg. Diese Studie kommt mehr als zwei Jahre, nachdem die Europäische Union ihre Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte in Kraft gesetzt hat, ein bahnbrechendes Regelwerk für ESG-Investitionen mit globaler Reichweite, das Greenwashing ausmerzen und Kapital in nachhaltige Aktivitäten lenken soll. Seit 2019, dem Jahr, in dem der Gesetzgeber die SFDR (Sustainability-related disclosure in the financial services sector) zum ersten Mal verabschiedete, haben die beiden ESG-Kategorien – Artikel 8 und 9 – laut der Goldman-Analyse 3,4-mal so viele Kundenströme erhalten wie ihr nicht-ESG-Gegenstück – Artikel 6.

Fondsbranche unter Druck – Kunden wollen ESG?

Die neue regulatorische Weltordnung hat „signifikante Auswirkungen auf die Kapitalflüsse“, schrieben Goldman-Analysten wie Evan Tylenda und Grace Chen in einer am Montag veröffentlichten Notiz. Aus Gesprächen, die sie mit Brancheninsidern geführt haben, geht hervor, dass es „immer schwieriger wird, Artikel-6-Fonds zu vermarkten“, so die beiden. Diese Realität setzt die Fondsbranche immer mehr unter Druck, so viel wie möglich mit einem ESG-Siegel zu versehen oder zu riskieren, Kunden-Zuteilungen zu verlieren. Das veranlasst einige Vermögensverwalter dazu, die Grenzen der schwächsten ESG-Fonds-Kennzeichnung der EU – Artikel 8 – auszutesten, die laut Bloomberg Intelligence inzwischen auf Portfolio-Vermögenswerte im Wert von rund 6 Billionen US-Dollar angewendet wird. Zu den jüngsten Beispielen gehört ein börsengehandelter Bitcoin-Fonds, der bei Umweltexperten auf Kritik stieß.

Gleichzeitig zielt etwa ein Drittel der Artikel-8-Fonds nicht auf nachhaltige Investitionen ab, während der Rest seine ESG-Ansprüche an eine breite Palette von schwer zu definierenden Zielen knüpft, so eine Untersuchung von Morningstar. Um einen Fonds als Artikel 8 zu registrieren, muss ein Vermögensverwalter versprechen, ESG zu „fördern“, während ein Artikel 9-Fonds ESG zu seinem „Ziel“ machen und 100 % nachhaltige Investitionen anstreben muss, so die Definition der SFDR.

$AUM und SFDR-Anteil

Die Goldman-Analyse deutet auch darauf hin, dass die Endanleger immer anspruchsvoller werden und die Artikel-8-Fonds mit den höchsten Nachhaltigkeitsansprüchen ins Visier nehmen. Die Analysten stellten fest, dass dadurch eine inoffizielle Unterkategorie – Artikel 8+ – entstanden ist, die sich auf Fonds bezieht, die als Artikel 8 registriert sind, aber höhere Nachhaltigkeitskriterien erfüllen als vorgeschrieben.

Die Goldman-Studie zeigt, dass die sogenannten Artikel-8+-Fonds seit 2019 das 3,2-fache der kumulativen Mittelzuflüsse der regulären Artikel-8-Fonds ohne nachhaltige Investitionsziele verzeichneten. Die SFDR wurde im November 2019 als Gesetz unterzeichnet und einen Monat später im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Gleichzeitig verzeichnen die als Artikel 9 registrierten Fonds – die höchste ESG-Einstufung der EU – „die beständigsten Zuflüsse bei Aktien und festverzinslichen Wertpapieren“. Die bevorzugten Sektoren der Artikel 8-Fonds sind Wasserversorger, Gesundheitstechnologie und diversifizierte Verbraucherdienstleistungen. Die Fonds neigen dazu, Tabak, Luft- und Raumfahrt und Verteidigung, fossile Brennstoffe und Wohn-REITs zu meiden, so die Analysten.

Die bevorzugten Sektoren der Artikel 9-Fonds seien Wasserversorgungsunternehmen, Hypotheken-REITs sowie unabhängige und erneuerbare Stromerzeuger, so die Goldman-Analysten. Im Vergleich dazu zeigt eine Analyse von Bloomberg Intelligence für das zweite Quartal, dass die beliebtesten Aktien unter den Top 50 der Artikel 9-Fonds Schneider Electric SE, ASML Holding NV und Vestas Wind Systems A/S sind.

Artikel 9: Top 10 der meistgekauften Aktien und Aufschlüsselung nach Sektoren

In der Zwischenzeit steht die Investmentbranche vor einer langen Liste von Aktualisierungen bestehender EU-ESG-Vorschriften, einschließlich einer Überprüfung, wie gut sich die Fondsmanager an die neue Anforderung anpassen, so genannte Hauptindikatoren für negative Auswirkungen offenzulegen, sowie neue technische Regulierungsstandards, die den Druck auf die Unternehmen erhöhen werden, ihre ESG-Angaben zu belegen.

Dennoch wird die Nachfrage nach ESG-Produkten die Fondsmanager dazu veranlassen, ihre Nachhaltigkeitsziele immer ehrgeiziger zu formulieren, so die Goldman-Analysten. Wir erwarten eine anhaltende Verlagerung des Upgrades“ in Richtung Artikel 8+ und schließlich Artikel 9, da wir weiterhin hören, dass die Endkunden differenziertere und innovativere Produkte verlangen“, so die Analysten. „Während die kommerzielle Präferenz für Fonds, die als Artikel 8+ und 9 kategorisiert sind, ziemlich klar ist, wird es einige Zeit dauern, bis sich lokale Aufsichtsbehörden und Investoren mit dieser Anleitung und Flexibilität anfreunden können, was die ‚Upgrades‘ von Fonds, die nach Artikel 9 offenlegen, verzögern könnte.

Kommentar

FMW: Was war zuerst da, die Henne oder das Ei? Die Fondsanbieter machen immer mehr ESG-Produkte, weil die Anleger (Pensionskassen, Privatanleger etc) dies nachfragen? Ist dem wirklich so? Fühlen sich gerade institutionelle Anleger medial öffentlichem Druck ausgesetzt, und glauben daher, sie müssten nun immer mehr in ESG-Anlagen investieren? Privatanleger sollten genauer hinschauen, ob Fonds mit der eigentlich guten Ausrichtung auf grüne Projekte auch wirklich performen.

Geldanlagen in einer Windturbine wären nach ESG eine gute Sache
Eine Windturbine. Photographer: Jose Sarmento Matos/Bloomberg

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Es wäre gut, bei der Performancebetrachtung einen längeren Zeitraum anzuschauen. Denn die ESG Fonds sind 2021 durch die Decke gegangen und erleben gerade eine überfällige Bewertungskorrektur. Insgesamt schneiden sie auf 5 Jahre nicht schlechter ab als andere.
    Die Kunden fragen tatsächlich diese Produkte nach. Es gibt eine deutliche Präferenz zu Nachhaltigkeit. Allerdings wird es am Ende vermutlich so sein, dass doch die Rendite entscheidet.

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