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Zölle würden Energiewende noch teurer machen EU am Scheideweg: China und der Solar-Markt

Unlösbares Dilemma

EU am Scheideweg: China und der PV-Markt
Foto: KI-generiert vom Autor des Artikels

Die EU steht am Scheideweg und muss im Konflikt mit China um den Solar-Markt (Photovoltaik, im folgenden: PV) entscheidende Weichen stellen. In einer Zeit, in der die Energiewende an Bedeutung gewinnt und die geopolitischen Machtverhältnisse sich verschieben, ist die strategische Positionierung Europas im globalen Energiemarkt wichtiger denn je. Die Entscheidungen, die heute getroffen werden, bestimmen nicht nur die wirtschaftliche Zukunft des Kontinents, sondern auch seine Rolle in einer zunehmend von erneuerbaren Energien geprägten Welt.

China und seine Wachstumsschmerzen: Die Immobilienblase platzt, die PV-Industrie blüht auf

Die chinesische Immobilienblase, einst ein Symbol für das rasante Wachstum und den Wohlstand des Landes, ist am Platzen. Wie in Zeitlupe fallen die Dominosteine: Erst die Pleite von Evergrande, nun steht mit Vanke der nächste große Immobilienentwickler vor dem Zusammenbruch. Millionen von Wohnungen stehen leer, die Immobilienpreise sinken stetig, und mit ihnen schrumpft das Vermögen der chinesischen Bevölkerung, die traditionell rund 70% ihres Wohlstands in Immobilien angelegt hat.

Die daraus resultierende Konsumflaute ist nur ein Teil der wirtschaftlichen Turbulenzen, die das Land erschüttern. Der Immobiliensektor in China dient als warnendes Beispiel für die Folgen eines ungesunden Wachstums. Doch während eine Blase platzt, scheint sich bereits die nächste aufzublähen – im Fertigungssektor. Neben dem Boom der Elektrofahrzeuge ist es vor allem die PV-Industrie, die unter Chinas Führung weltweit dominiert. Doch dieses Mal könnten die Auswirkungen weit über die Grenzen Chinas hinausreichen und in verschiedenster Form eine Bedrohung für die globale Wirtschaft darstellen.

Die Überflutung des Marktes mit subventionierten PV-Modulen

China hat seine Produktionskapazitäten für PV-Module im letzten Jahr verdoppelt und erreicht nun eine Kapazität von über eine Billion Watt. Dies führt dazu, dass fast dreimal mehr Paneele produziert werden, als die globale Nachfrage erfordert. Die Internationale Energieagentur und Wood McKenzie berichten, dass die globalen Preise für Paneele im letzten Jahr um 50% auf so niedrige Werte wie 10 Cent pro Watt gefallen sind.

Li Qiang, der Premierminister Chinas, hob während der „Zwei Sitzungen“ das bemerkenswerte Wachstum in den „neuen Fertigungsindustrien“ des Landes hervor. „Die Exporte von Elektrofahrzeugen, Lithiumbatterien und Solar-PV-Produkten stiegen im letzten Jahr um fast 30%“, sagte Li Qiang und fügte hinzu, dass China mehr als 60% der weltweiten Gesamtproduktion und des Absatzes von Elektrofahrzeugen sowie über 50% des weltweiten Zuwachses an erneuerbaren Kapazitäten im Jahr 2023 ausmachte.1

Für das Jahr 2024 listete Li Qiang 10 Ziele auf, die die Regierung erreichen soll. Darunter betonte er die „beschleunigte Modernisierung der Industrie und die Entwicklung neuer produktiver Kräfte“ als vorrangig vor anderen Zielen wie der Aufrechterhaltung der Sicherheit, der Stimulierung des internationalen Handels und des inländischen Konsums, der Koordination der städtischen und ländlichen Entwicklung sowie des medizinischen und sozialen Wohlergehens.

Chinas Industriepolitik hat eine entscheidende Rolle bei der Expansion seiner Exporte gespielt. Die staatlichen Banken des Landes gewähren Fabriken Darlehen zu niedrigen Zinssätzen, was die Finanzierung neuer Produktionsanlagen erleichtert. Zusätzlich übertragen Städte öffentliches Land zu minimalen Kosten oder sogar kostenlos für den Fabrikbau, wodurch die Anfangsinvestitionen für Unternehmen deutlich reduziert werden. Ein weiterer Faktor ist die Preisgestaltung der staatlichen Stromnetze, die die Energiekosten für Hersteller niedrig hält.

Diese subventionierten Bedingungen haben zu einer signifikanten Verschiebung der finanziellen Ressourcen geführt. Laut der Chinesischen Zentralbank ist die neue Kreditvergabe für die Industrie von 83 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf 670 Milliarden US-Dollar angestiegen. Im Gegensatz dazu ist die Nettokreditvergabe für Immobilien von 800 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf nur 75 Milliarden US-Dollar gefallen. Diese Zahlen verdeutlichen, wie sich die Schwerpunkte der staatlichen Unterstützung von der Immobilienbranche hin zur Industrieproduktion verlagert haben, was die Wettbewerbsfähigkeit Chinas auf dem Weltmarkt weiter stärkt.

Die staatlichen Subventionen und die Überproduktion in Chinas PV-Industrie sind Segen und Fluch zugleich. Ein Segen, weil sie es chinesischen Herstellern ermöglichen, PV-Module zu Preisen anzubieten, die weit unter denen ihrer internationalen Konkurrenten liegen, was die Energiewende in den westlichen Staaten günstiger macht. Doch gleichzeitig ein Fluch, da diese Dominanz ein Überangebot an billigen Solarpaneelen schafft, das europäische Hersteller in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtigt. Die nahezu vollständige Kontrolle Chinas über die globalen Lieferketten hat bereits zu einem existenziellen Krisenpunkt für die EU-Solarenergiebranche geführt, mit drohenden Entlassungen von etwa 4.000 Fachkräften. So stellte der Schweizer Konzern Meyer Burger Anfang März seine Produktion im sächsischen Freiberg ein. Trotz der Dringlichkeit der Situation haben Wettbewerbsbeamte der Europäischen Kommission in Gesprächen mit Vertretern des Sektors klargestellt, dass ohne starken Druck von den Regierungen der EU keine Änderung der Subventionsregeln zur Unterstützung der Branche zu erwarten ist.

Für deutsche und europäische PV-Hersteller könnte dies katastrophale Folgen haben. Bereits jetzt kämpfen sie ums Überleben, da sie nicht mit den niedrigen Preisen mithalten können. Tausende von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel, und die Fähigkeit Europas, eine eigene nachhaltige Energieinfrastruktur aufzubauen, wird untergraben.

In der europäischen Politik zeichnet sich ein bemerkenswerter Widerspruch ab. Während die Europäische Kommission, vertreten durch Ursula von der Leyen, die Notwendigkeit des „De-Risking“ von China betont – also die strategische Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten zu verringern –, scheint diese Maxime im Bereich der PV-Industrie nicht konsequent verfolgt zu werden. Trotz der offensichtlichen Risiken, die sich aus der Dominanz Chinas in der Solarbranche ergeben, bleibt eine klare Strategie zur Stärkung der europäischen PV-Industrie und zur Reduzierung ihrer Abhängigkeit von chinesischen Importen bisher aus.

Die Verschärfung des Handelskrieges

Die Handelspolitik Chinas, geprägt durch aggressive Subventionen und eine gezielte Industrieförderung, hat zu einem Ungleichgewicht im globalen Handel geführt, das die Beziehungen zu wichtigen Handelspartnern belastet. Die Europäische Union hat angekündigt, sich auf die Einführung von Zöllen auf alle Elektroautoimporte aus China vorzubereiten, nachdem „substantielle Beweise“ für illegale Subventionen durch chinesische Regierungsbehörden gefunden wurden – eine Anschuldigung, die Peking zurückweist. In diesem Kontext äußerte Jens Eskelund, Vorsitzender der Europäischen Handelskammer in China, seine Besorgnis: ‘Was wir gerade sehen, ist die Entfaltung eines Zugunglücks in Zeitlupe’, sagte er bei einer Pressekonferenz zu Reportern.

Darüber hinaus erwägt die EU Importbeschränkungen für Windturbinen. m Zuge dieser Überlegungen betonte Jens Eskelund: „Europa kann nicht hinnehmen, dass strategisch wichtige Industrien, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden, vom Markt verdrängt werden. Handel wird damit zur Sicherheitsfrage – eine Realität, die in China vielleicht noch nicht in vollem Umfang anerkannt wird.“

In den Vereinigten Staaten bleibt die Besorgnis über die Handelspraktiken Chinas bestehen. Die Biden-Regierung hat viele der Handelsbeschränkungen, die unter der Trump-Administration eingeführt wurden, aufrechterhalten. Katherine Tai, die Handelsbeauftragte der Vereinigten Staaten, wies kürzlich darauf hin, dass das USMCA-Abkommen, welches NAFTA ersetzt hat, im Sommer 2026 einer Überprüfung unterzogen wird. Dabei könnte eine Verschärfung der Ursprungsregeln für Komponenten, insbesondere für Autos, auf der Agenda stehen. Tai betonte, dass China bereits ein zentraler Punkt der Spannungen in den nordamerikanischen Handelsbeziehungen sei. Dies spiegelt sich auch in der Praxis wider, dass chinesische Komponenten zunehmend in Länder wie Vietnam, Malaysia und Mexiko verlagert werden, um niedrigere Tarife beim Export in die USA und die EU zu erzielen.

Ein Bericht des Council on Foreign Relations zeigt auf, dass Chinas Überschüsse in der Warenherstellung nun relativ zur globalen Wirtschaft etwa doppelt so groß sind wie die größten Überschüsse, die Japan in den 1980er Jahren oder Deutschland vor der globalen Finanzkrise verzeichneten. Diese Entwicklung deutet auf eine tiefgreifende Verschiebung in der globalen Handelslandschaft hin und unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Überwachung und möglicherweise einer Anpassung der Handelspolitik, um langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.

Europas PV-Politik: Navigieren zwischen Scylla und Charybdis

Die Europäische Union steht vor einer Entscheidung, die an die mythische Wahl zwischen Scylla und Charybdis erinnert. Auf der einen Seite – der „Scylla“ – steht die Einführung von Handelsbeschränkungen gegen China zwar das De-Risking vorantreiben und die heimische PV-Industrie schützen, aber dies führt auch zu steigenden Kosten führen und wird die Energiewende verlangsamen. Dies ist eine besonders heikle Option für Deutschland, das als Exportnation stark von China als Absatzmarkt abhängig ist.

Auf der anderen Seite – der „Charybdis“ – gefährdet die Priorisierung einer kostengünstigeren und schnelleren Energiewende der EU die europäische PV-Industrie und steigert weiter die strategische Abhängigkeit von China.

In diesem Spannungsfeld muss die EU einen Weg finden, der sowohl die wirtschaftlichen Interessen als auch die strategische Autonomie wahrt. Die Herausforderung besteht darin, eine Balance zu finden, die weder das Scylla der Handelskonflikte noch das Charybdis der Abhängigkeit heraufbeschwört.



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4 Kommentare

  1. Wir investieren 100Mrd. in die Rüstungsindustrie und die Chinesen 670Mrd. in die Zukunft, mal sehen was sich mehr auszahlt? Verbrannte Erde oder ergrünende Wüsten mit PV.

    Wieso machen das die Inder den Chinesen nach und lernen nicht vom Westen? Das ist mir unbegreiflich…

    https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/indien-in-salzwueste-entsteht-das-groesste-kraftwerk-der-welt-a-a3fe7e39-72f7-4e47-9dcf-7149f13920e0

    1. @ZOPO
      Nicht, dass China keinen Militärhaushalt hätte, dessen offiziellen Teil 220 Mrd USD beträgt und mit Sicherheit in Wirklichkeit etwa 3x so hoch ist….

      1. @Horst: Ich hatte gedacht sie erkennen das an der Zahl bzw. Größenordnung, ich habe nicht vom regulären deutschen Militäretat von ~56Mrd.$ im Jahr 2022 gesprochen.

        By the way:
        Vergleich der Militärausgaben pro Kopf in Mrd. 2022:
        1. USA 2180
        2. China 207
        3. Deutschland 642

        Sondern vom sogenannten Sondervermögen von 100Mrd. welches über mehrere Jahre geht und seperat zum Militäretat den sie beschrieben haben ausgegeben (bzw. investiert ;-) ) wird.

  2. @Z0P0
    Wie kommen SIe bitte auf 642 Mrd PRO KOPF fuer Deutschland? Der Deutsche Militaerhaushalt liegt bei 52 Mrd. Euro. Auch wenn ich die 100 Mrd dazuzaehle, dann kommen da keine Mrd raus.Das sind die offiziellen Ausgaben von 22 lt. Sipri. Bei China koennen SIe noch mal das 3fache draufschlagen.
    1 Vereinigte Staaten 877 Mrd. US-Dollar
    2 Volksrepublik China 292 Mrd. US-Dollar
    3 Russland 86,4 Mrd. US-Dollar
    4 Indien 81,4 Mrd. US-Dollar
    5 Saudi-Arabien 75,0 Mrd. US-Dollar
    6 Vereinigtes Königreich 68,5 Mrd. US-Dollar
    7 Deutschland 55,8 Mrd. US-Dollar

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