EZB schafft es einfach nicht, einheitliche Linie zu vertreten EZB-Entscheidung: Scharfe Debatte über Inflation und Zinsen

Die Spaltung innerhalb der EZB, wie stark und wie schnell die Zinsen angesichts hoher Inflation weiter steigen sollten, wird immer offensichtlicher. Im Fokus dabei steht die Frage, was wichtiger ist: die Gesamtinflation oder doch die kerninflation, die Energie und Nahrung ausklammert.

Vor EZB-Entscheidung nächste Woche: Frontzen bei der Frage der Zinsen

Vor der Entscheidung der EZB in der kommenden Woche zeichnen sich die Fronten ab: Einige Notenbanker fordern zahlreiche weitere Anhebungen der Zinsen, während andere Notenbanker zur Vorsicht raten.

Der Chefvolkswirt der EZB, Philip Lane, räumte am Montag zwar ein, dass nach der für den 16. März geplanten Erhöhung um einen halben Prozentpunkt weitere Erhöhungen der Zinsen notwendig seien, warnte aber zugleich vor einer Politik auf „Autopilot“. Der portugiesische Zentralbankchef Mario Centeno wies darauf hin, dass die aktuelle Inflation sogar unter den EZB-Prognosen liege.

Der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann hingegen, der möglicherweise die restriktivste Geldpolitik vertritt, erschütterte die Anleihemärkte, indem er darauf hinwies, dass der Zinsschritt in der nächsten Woche nur der erste von vier Anhebungen der Zinsen von 0,5% sein könnte.

Deutsche kurzfristige Anleihen werfen den höchsten Ertrag seit 2008 ab – der Zinssatz für zweijährige Anleihen steigt nach Holzmanns Äußerungen auf einen neuen Höchststand

Dies folgte auf Äußerungen des belgischen Kollegen Pierre Wunsch am Freitag, wonach sich die Erwartung der Anleger auf einen Höchststand der Zinsen von 4% – noch 150 Basispunkte vom aktuellen Niveau entfernt – als richtig erweisen könnten.

Diese Erklärungen zeigen, dass die EZB-Mitglieder es nicht schaffen, in den letzten Stunden vor einer Sperrfrist, die eine Woche vor der Entscheidung am kommenden Donnerstag in Kraft tritt, eine einheitliche Linie zu vertreten.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde erklärte am Sonntag, dass eine Anhebung um einen halben Prozentpunkt nun „sehr, sehr wahrscheinlich“ sei.

Diese Äußerungen folgten auf die Daten der letzten Woche, die zeigten, dass die Kerninflation – unter Ausschluss volatiler Elemente wie Lebensmittel und Energie – nun bei 5,6% liegt, dem höchsten Niveau in der Geschichte der Eurozone.

Die Aussagen der EZB, die Geldpolitik weiter zu straffen, deckt sich mit den hawkishen Äußerungen der US-Notenbank, deren Entscheidung am 22. März ansteht.

Die Inflation im Euroraum könnte noch eine Weile stark bleiben

„Die aktuellen Informationen über den zugrunde liegenden Inflationsdruck deuten darauf hin, dass eine weitere Anhebung der Zinsen über unsere März-Sitzung hinaus angemessen ist“, sagte Lane in Dublin in einer Rede, die sich auf die gemischten Botschaften der zugrunde liegenden Inflationsmesser konzentrierte. „Was genau wir im Mai tun werden, wird sehr stark von den Daten abhängen“.

Das Eingeständnis, dass eine weitere Straffung notwendig ist, ging einher mit der Warnung von Lane, dass die EZB nicht auf „Autopilot“ gehen sollte. Es werde noch eine Vielzahl von neue Daten geben vor der EZB-Entscheidung im Mai. Man sollte doch erst einmal „die Auswirkungen der kumulativen Straffung“ abwarten, so Lane.

Lane verwies auch auf die kommenden Inflations-Prognosen für die Entscheidung in der nächsten Woche. Centeno sagte, die Kollegen sollten zur Kenntnis nehmen, dass sich das Wachstum der Gesamt-Inflation im Vergleich zu ihrer Dezemberprognose verlangsamt habe.

EZB-Konflikt: Kerninflation oder Geamtinflation für Zinsen entscheidend?

Der portugiesische Notenbankchef Centeno sagte, dass die Gesamt-Inflation und nicht die Kern-Inflation doch das eigentliche Ziel der EZB sei. Man solle daher „keine voreiligen Schlüsse“ bezüglich anderer Messgrößen ziehen. Das zeigt, dass die Frage, wie viel Gewicht den Kerninflationsdaten beizumessen ist, nun im Mittelpunkt der Debatte steht – etwas, das bereits in den Protokollen der Februarsitzung deutlich wurde.

Im Gegensatz dazu betonte der österreichische Notenbankchef Holzmann die Kern-Inflationsrate in seinen Äußerungen. Das sorgte für steigenden Renditen an Europas Anleihemärkten, besonders bei der zweijährigen deutsche Staatsanleihe.

„Ich gehe davon aus, dass sich die Kerninflation in der ersten Jahreshälfte nicht wesentlich abschwächen und auf dem aktuellen Niveau bleiben wird“, sagte Holzmann dem Handelsblatt. „In diesem Fall gehe ich davon aus, dass wir die Zinsen in diesem Jahr noch viermal um einen halben Prozentpunkt anheben werden.“

Damit würde der Einlagensatz der EZB auf 4,5% steigen, ein Niveau, das bisher kaum jemand in Betracht gezogen hat. Die Äußerungen von Wunsch am Freitag, dass „Zinssätze von 4% nicht ausgeschlossen sind“, haben erstmals Zinsen über 4% in der Eurozone in den Fokus der Märkte gerückt.

Glaubwürdigkeit der EZB

Die Analysten nehmen dies zur Kenntnis: Nomura hob am Montag seine EZB-Prognose an und sagte voraus, dass der Zinssatz nun bis auf 4,25% steigen werde – mit Erhöhungen um 50 Basispunkte im März, Mai und Juni, gefolgt von einer letzten Erhöhung um einen Viertelpunkt im Juli.

„Wir glauben, dass die EZB die Zinsen mehr (und nicht weniger) anheben muss, um ihre Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Inflation zu bewahren“, schreiben die Ökonomen Andrzej Szczepaniak, George Buckley und George Moran in einem Bericht. „Die EZB wird sich wahrscheinlich auf die zugrunde liegende Dynamik der Kerninflation konzentrieren – auch wenn sie sich verlangsamt, dürfte sie länger anhalten als ursprünglich angenommen.

Bevor die Blackout-Periode beginnt, sind nur wenige öffentliche Veranstaltungen geplant. Auf dem Kalender der EZB werden Lagarde und Direktoriumsmitglied Fabio Panetta am Mittwoch sprechen. Der Auftritt der EZB-Präsidentin ist für den Internationalen Frauentag vorgesehen, so dass es denkbar ist, dass sie die Geldpolitik ausspart.

FMW/Bloomberg