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Einschätzung zum Zinsentscheid EZB belässt Zinsen unverändert – Lagarde spielt auf Zeit

EZB belässt Zinsen unverändert - Lagarde spielt auf Zeit
EZB-Präsidentin Lagarde. Foto: Alex Kraus/Bloomberg

Nachdem die Europäische Zentralbank im vergangenen Monat den geldpolitischen Lockerungszyklus angestoßen hat, ließen die Währungshüter die Zinsen diesmal unverändert. Zudem hat die EZB wenig über ihre Pläne verraten. Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde vermied es auf der Pressekonferenz, konkrete Aussagen zu einer möglichen Zinssenkung im September zu machen. Stattdessen verwies sie erneut darauf, dass die Zentralbank datenabhängig agiere, und weitere Daten zur Inflation für eine zweite Senkung erforderlich seien. Investoren und Ökonomen halten indessen an ihrer Annahme fest, dass es im September zu einem weiteren Zinsschritt kommt.

EZB hält Zinsen stabil

Der Leitzins verbleibt bei 4,25 %, während der Einlagenzinssatz am heutigen Donnerstag bei 3,75% gehalten wurde, was der einhelligen Erwartung aller 55 von Bloomberg befragten Ökonomen entsprach. Der EZB-Rat bekräftigte, die Zinsen “so lange wie erforderlich ausreichend restriktiv” zu halten, um die Inflation zeitnah auf den mittelfristigen Zielwert von 2% zu drücken.

“Die neu verfügbaren Daten stützen weitgehend die bisherige Einschätzung der mittelfristigen Inflationsaussichten”, hieß es im EZB-Statement zur Entscheidung des Rats. “Zwar sind einige Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation im Mai aufgrund von einmaligen Faktoren leicht angestiegen, im Juni blieben die meisten Messgrößen aber unverändert oder gingen leicht zurück.”

Der EZB-Rat lege sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest und bekräftigte ihren „datenabhängigen und von Sitzung zu Sitzung wechselnden Ansatz“, hieß es weiter. Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte und der Zins für die Spitzenrefinanzierungsfazilität wurden bei 4,25% beziehungsweise 4,5% belassen.

Der Euro konnte seine früheren Verluste halten und notierte 0,1 % niedriger bei 1,093 USD. Die Geldmärkte tendieren weiterhin zu zwei weiteren Zinssenkungen im Jahr 2024.

Die EZB wägt ab, ob die Inflation in der Eurozone ausreichend abgekühlt ist, um eine weitere geldpolitische Lockerung zuzulassen. Im vergangenen Monat kühlte sich die Inflationsrate von 2,6 % auf 2,5 % ab, und obwohl der zugrunde liegende Preisdruck stabil blieb und der Anstieg der Dienstleistungskosten erneut über 4 % lag, führte die EZB am Donnerstag „einmalige Faktoren“ als Erklärung für diese Entwicklung an.

EZB erwartet Rückgang der Inflation

„Es wird erwartet, dass die Inflation für den Rest dieses Jahres um das derzeitige Niveau herum schwankt, was zum Teil auf energiebezogene Basiseffekte zurückzuführen ist“, sagte Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag vor Journalisten in Frankfurt. „In der zweiten Hälfte des nächsten Jahres dürfte sie dann in Richtung unseres 2%-Ziels sinken, und zwar aufgrund des schwächeren Anstiegs der Arbeitskosten, der Wirkung unserer restriktiven Geldpolitik und der nachlassenden Auswirkungen des vergangenen Inflationsschubs.“

In der Vergangenheit sagte Lagarde, dass die Notenbanker weitere Daten benötigen, um mehr Gewissheit zu erlangen. Man nutze die Zeit, um den europäischen Arbeitsmarkt – der in den zwei Jahren der wirtschaftlichen Stagnation eine überraschende Widerstandsfähigkeit gezeigt hat, zu beobachten, sagte sie.

Obwohl die Währungshüter dieses Mal zurückhaltender sind, haben einige in den letzten Wochen zaghaft eine oder zwei weitere Zinssenkungen befürwortet. Ökonomen gehen daher davon aus, dass sie bei der nächsten Sitzung in zwei Monaten eine weitere Senkung der Zinsen in Betacht ziehen.

Bis dahin werden sie neue Wirtschaftsprognosen und zwei weitere Inflationsberichte sowie Zahlen zu den drei entscheidenden Bausteinen vorlegen, die ihre Ansicht untermauern, dass sich das Preiswachstum Ende 2025 auf das Zielniveau zurückbewegen wird: das Lohnwachstum, die Gewinnmargen der Unternehmen und die Produktivität.

Auch über die Absichten der US-Notenbank Fed könnte bis dahin mehr Klarheit herrschen. Die Märkte rechnen in der Woche nach der September-Sitzung der EZB, dass die Fed erstmals die Zinsen senkt.

EZB hält Zinsen stabil: Lagarde wartet auf weitere Daten zur Inflation
Zentralbanken im Blick – Änderung der Kreditkosten in diesem Jahr

Was die Bloomberg-Analysten sagen:

„Der Ton des EZB-Statements scheint nicht vorsichtiger oder weniger vorsichtig zu sein als im Juni. Die Beschleunigung der Kern- und Dienstleistungsinflation, die im Mai aufgetreten war, wurde weitgehend abgetan, doch wurden mehrere Hinweise auf die Fortschritte des EZB-Rats bei der Rückführung des Preisanstiegs auf das Ziel gestrichen.“ – David Powell, leitender Ökonom für das Euro-Währungsgebiet.

Das vorsichtige Vorgehen der EZB bei der Rücknahme der zahlreichen Zinserhöhungen, die sie zur Eindämmung der Inflation vorgenommen hat, steht im Einklang mit den Empfehlungen der wichtigsten internationalen Institutionen.

Der Internationale Währungsfonds warnte am Dienstag, dass die Inflation in vielen großen Volkswirtschaften langsamer als erwartet zurückgeht, was vor allem auf die hartnäckigen Preise für Dienstleistungen zurückzuführen ist – „was die Aussicht auf höhere und noch länger hohe Zinsen erhöht“.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sagte im Juni, dass die Zentralbanken die Zinsen nicht zu schnell senken sollten, um ein erneutes Aufflammen des Preiswachstums zu vermeiden.

Die Wirtschaft rückt in den Fokus

Doch während die Inflation im Großen und Ganzen zurückgeht, gibt es Anzeichen dafür, dass der Aufschwung in der Wirtschaft der Eurozone, die in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 um 0,3 % wuchs, bei weiterhin hohen Zinsen an Schwung verliert. Die politischen Turbulenzen in Frankreich und auf der ganzen Welt sind nicht gerade hilfreich.

„Die eingehenden Informationen deuten darauf hin, dass die Wirtschaft des Euroraums im zweiten Quartal gewachsen ist, aber wahrscheinlich langsamer als im ersten Quartal“, sagte Lagarde. „Mit Blick auf die Zukunft erwarten wir, dass die Erholung durch den Konsum gestützt wird, der durch die Stärkung der Realeinkommen infolge der niedrigen Inflation und der höheren Nominallöhne angetrieben wird. Sie warnte jedoch, dass die Risiken für das Wachstum eher abwärts gerichtet sind.

Die nächste geldpolitische Sitzung der EZB bietet die Gelegenheit, das Umfeld besser zu beurteilen, da die Notenbanker die neuesten vierteljährlichen Prognosen erhalten. Einige Ratsmitglieder würden es vorziehen, nur auf diesen Sitzungen zu handeln, und Lagarde selbst deutete eine ähnliche Haltung an.

Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass ein solcher Ansatz zum Tragen kommen wird. In einer Umfrage in diesem Monat rechneten die Befragten mit vierteljährlichen Zinssenkungen, bis der Einlagensatz im Herbst 2025 2,5 % erreicht.

FMW/Bloomberg



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