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Laut Ökonomen ist der Markt zu voreilig EZB liegt im Clinch mit den Märkten über ausufernde Zins-Hoffnung

EZB Frankfurt - Foto: anatoli7383 - Freepik.com
EZB Frankfurt - Foto: anatoli7383 - Freepik.com

Die Inflation in der Eurozone hat sich zuletzt deutlich abgeschwächt. Im Novmeber stiegen die Verbraucherpreise nur noch um 2,4 %, damit liegt die Teuerung wieder in der Nähe des 2%-Ziels der Europäischen Zentralbank für Preisstabilität. Die schnelle Abkühlung hat sowohl die Notenbanker der EZB als auch viele Ökonomen überrascht. Währenddessen feiern die Märkte bereits den Sieg über die Inflation. Sie wetten massiv auf Zinssenkungen und einen Rückgang der Zinsen auf 2,5 %.

Die Marktteilnehmer setzen nun auf einen aggressiven Lockerungszyklus, der schon im März beginnen soll. Sie preisen sechs Zinssenkungen bis auf eine Zinsrrate von 2,5 % bis Ende nächsten Jahres ein. Gespannt wartet man darauf, wann die EZB den Sieg über die Inflation erklärt. Im Gegensatz zu den Märkten, sind die Ökonomen aber noch nicht davon überzeugt, dass die Zeit reif ist für derart schnelle Zinssenkungen. Auch die EZB selbst hält noch an ihrem Narrativ länger höherer Zinsen fest – immerhin schließt sie weitere Zinserhöhungen aus.

Markt ist zu voreilig mit Zinssenkungen

Erklärt die EZB also bald den Sieg über die Inflation? Nein, sagen Ökonomen einer Bloomberg-Umfrage.

Die Europäische Zentralbank wird die Zinsen nicht so bald oder so schnell senken, wie die Investoren denken. Dies geht aus einer Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen hervor, die darauf hindeutet, dass die Entscheidungsträger gegen die aktuellen Marktwetten vorgehen werden.

Die Währungshüter werden wohl eine weitere Zinspause bei einer zweiten Sitzung am 14. Dezember verkünden und die Zinsen bis Juni auf dem jetzigen Niveau bleiben. Erst dann rechnen die befragten Ökonomen mit der ersten von drei Senkungen um einen Viertelpunkt. Zuvor war man noch von einem ersten Schritt im September ausgegangen.

Der neue Zeitplan ist immer noch später als von den Finanzmärkten erwartet, nachdem die Inflation in der Eurozone mit ihren 20 Ländern viel schneller gesunken war als erwartet. Ein Rückgang, den das konservative EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel als „bemerkenswert“ bezeichnete.

Die Anleger rechnen mit Zinssenkungen von 150 Basispunkten im nächsten Jahr, die bereits im März beginnen könnten. Ökonomen rechnen dagegen frühstens ab Juni mit Senkungen der Zinsen.

EZB: Märkte und Ökonomen sind sich uneinig über Zinssenkungen
Meinungen über den EZB-Zinspfad gehen weit auseinander

Zinswetten bringen EZB unter Druck

Die Verschiebung der Marktwetten stellt Präsidentin Christine Lagarde und ihre Kollegen vor einen Balanceakt in Sachen Kommunikation. Angesichts der Tatsache, dass die Eurozone am Rande einer Rezession steht, werden sie sich wahrscheinlich davor scheuen, feste Zusagen zu machen, wohin sich die Zinsen entwickeln werden.

„Die EZB wird wahrscheinlich, zumindest in gewissem Maße, auf die jüngste dovishe Wende des Marktes reagieren wollen, auch weil sie Gefahr läuft, dass der Markt einen Teil der geldpolitischen Straffung wieder rückgängig macht“, sagte Fabio Balboni, Wirtschaftsexperte bei HSBC. „Aber es scheint unwahrscheinlich, dass sie auf strenge Vorgaben für den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung zurückgreifen will.

Einige EZB-Mitglieder haben sich bereits gegen das Gerede von einer Lockerung ausgesprochen. Stunden vor Beginn der Blackout-Periode vor dem Treffen nächste Woche bezeichnete der slowakische Zentralbankgouverneur Peter Kazimir die Erwartungen für eine Senkung im ersten Quartal als „Science Fiction“. Der lettische Notenbankchef Martins Kazaks sagte unterdessen, dass ein solcher Schritt in der ersten Hälfte des Jahres 2024 angesichts der bestehenden Wirtschaftsaussichten nicht erforderlich sei.

Was Bloomberg Economics dazu sagt:

„Der EZB-Rat wird wahrscheinlich über eine Änderung des Zeitplans für die Beendigung des Pandemie-Notkaufprogramms, die starken Veränderungen der Marktpreise für die Leitzinsen der EZB und die neuen Prognosen der Ökonomen diskutieren.“ – David Powell, leitender Wirtschaftswissenschaftler für den Euroraum.

Die Prognosen werden jedoch demnächst aktualisiert, wenn die EZB zusammen mit ihrem Zinsbeschluss neue Projektionen vorlegt. Die Befragten gehen davon aus, dass die Wachstums- und Inflationsprognosen für dieses und nächstes Jahr gesenkt und für 2025 unverändert gelassen werden. Im Jahr 2026 – das zum ersten Mal in den Prognosen auftaucht – erwartet man, dass der Anstieg der Verbraucherpreise das 2 %-Ziel der EZB erreicht.

„Die deutliche Unterschreitung der EZB-Prognosen für die Gesamt- und Kerninflation in den vergangenen Monaten wird den EZB-Rat dazu zwingen, größere Fortschritte als erwartet bei der Inflationsbekämpfung anzuerkennen“, so Oliver Rakau, Wirtschaftswissenschaftler bei Oxford Economics.

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Märkte im Zins-Märchen wegen Inflation

Andrzej Szczepaniak, Wirtschaftswissenschaftler bei Nomura, erwartet, dass die neue Prognose eine Abschwächung der Inflation auf unter 2 % früher als derzeit vorgesehen zeigt, was bedeutet, dass die Beamten „nicht glaubhaft sehr aggressiv sein können“.

„Aber sie müssen sich stark genug gegen die Markterwartungen für Zinssenkungen bereits im Januar und März stemmen“, sagte er. „Die Märkte befinden sich derzeit in einem Zins-Märchen“. Für die Märkte droht sonst eine Zins-Enttäuschung, vor der BlackRock bereits warnt.

Die befragten Ökonomen scheinen zuversichtlich zu sein, dass die EZB das richtige Timing finden wird. Die Mehrheit ist der Meinung, dass sie die Kreditkosten weder zu früh noch zu spät senken wird.

Eine Mehrheit rechnet nun auch damit, dass das Tempo des Bilanzabbaus beschleunigt wird, indem die Reinvestitionen im Rahmen des 1,7 Billionen Euro (1,8 Billionen Dollar) schweren Pandemie-Anleiheportfolios früher als geplant beendet werden. Von den zwei Dritteln der Befragten, die dieses Ergebnis erwarten, gehen die meisten davon aus, dass der Abbau im zweiten Quartal beginnt.

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EZB muss im Straffungsmodus bleiben

Lagarde hat eingeräumt, dass die EZB ihre Leitlinien für das PEPP überarbeiten könnte, die vorsehen, dass fällige Wertpapiere bis Ende 2024 reinvestiert werden. Ein früherer Beginn der Zinssenkungen könnte den Zeitplan beeinflussen, da die beiden Maßnahmen den Anlegern widersprüchliche Botschaften vermitteln könnten.

„Obwohl die EZB ihre Zinserhöhungen abgeschlossen hat, könnte sie als Nächstes das Datum vorverlegen, an dem das PEPP ausläuft. Technisch gesehen muss die EZB also in Bezug auf die offizielle Kommunikation in einem Straffungsmodus bleiben“, so Dennis Shen, Senior Director bei Scope Ratings.

„Um auf den Märkten keine Verwirrung darüber aufkommen zu lassen, ob es sich um eine Straffung oder eine Lockerung handelt, muss die EZB sicherstellen, dass ihre Kommunikation signalisiert, dass die Märkte nicht mit kurzfristigen Zinssenkungen rechnen sollten“, sagte er.

FMW/Bloomberg



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