Asien

Faustdicke Überraschung: Türkische Regierung gibt Wachstumsziel auf

Erstmals kassiert die türkische Regierung die auch ohne den Putsch illusorischen Wachstumsziele..

FMW-Redaktion

Lange hat es gedauert, nun endlich das Eingeständnis der türkischen Regierung, dass das projezierte Wachstumsziel von 4,5% nicht mehr zu erreichen sein wird. Das sagte der stellvertretende Ministerpräsident Mehmet Simsek dem staatlichen Fernsehsender TRT Haber: „Wir können ein Wachstum von 4,5% in diesem Jahr nicht erreichen“.

Vor allem für die nähere Zukunft zeigte sich Simsek pessimistisch:

„Die Abwärtsrisiken haben sich erhöht, besonders für das dritte Quartal“.

Damit bereitet die Regierung die Bevölkerung faktisch auf schwere Zeiten vor – das Ziel von 4,5% Wachstum war ohnehin schon ausser Reichweite, auch vor dem gescheiterten Putsch. Mit den Vorkommnissen vor allem nach dem Putsch dürfte sich die Lage der türkischen Wirtschaft nicht eben vereinfacht haben. Vor allem die kürzlich erfolgte Beschlagnahmung des Vermögens von 187 Geschäftsleuten sowie die Beschlagnahmung von 44 Unternehmen, die seitens der Regierung der Gülen-Bewegung zugerechnet werden, dürfte das Vertrauen internationaler Investoren weiter bröckeln lassen: sie bedeutet faktisch eine immense Rechtsunsicherheit für alle Eigentümer, die durch fragwürdige Verdächtungen in die Mühlen der türkischen Justiz geraten können.

Der türkische Minister für Kultur und Tourismus, Ömer Celik, hat heute in einem Interview mit der Wirtschaftswoche die Beschlagnahmungen verteidigt:

„Der Prozess läuft noch. Es gibt Beweise, dass dort Geld im großen Stil gewaschen wurde. Wir gehen natürlich mit Bedacht vor, aber wir können es uns nicht leisten, Schwäche in diesem Kampf zu zeigen. Trotzdem halten wir uns an Gesetze. Hätten wir nur Rache nehmen wollen, hätten wir die Putschisten noch in der Nacht getötet. Aber wir haben sie der Justiz übergeben.“

Schwer verdauliche Aussagen! Celik sieht dabei die Einschätzungen der Ratingagenturen als belanglos an – und fordert die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen:

„Sie wissen doch, wie die (Ratingagenturen) arbeiten! Das sind ein paar Analysten. Deren Ratings haben nicht immer mit der Realität zu tun. Wir haben so viele Krisen bisher überlebt. Das türkische Volk hat die Demokratie verteidigt. Wir haben eine robuste Wirtschaft und eine stabile Regierung. Diese Zeit sollte als Gelegenheit wahrgenommen werden, die EU sollte neue Kapitel der Beitrittsverhandlungen öffnen. Das könnte die Beziehungen verbessern. Die EU hat ihre eigenen Probleme: Der Brexit, die Erweiterung auf dem Balkan, die Krisen in Syrien und der Ukraine. Sich jetzt gegen die Türkei zu stellen, wäre ein historischer Fehler.“

Gestern hatte Präsident Erdogan angesichts von Anschlägen in der Südtürkei betont, dass die PKK und die Gülen-Bewegung unter einer Decke steckten. Das ist angesichts der immensen ideologischen Differenzen zwischen der PKK und der religiös motivierten Gülen-Bewegung – vorsichtig formuliert – jedoch mehr als unwahrscheinlich.

Die Manie Erdogans, hinter allem eine Verschwörung der Gülen-Bewegung zu wittern, läßt vor allem die Frage unbeantwortet, warum Erdogan und Gülen lange Zeit enge Weggefährten waren..



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