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Anleger ziehen erstmals seit 2020 Geld ab Finanzmarkt: Liquiditätskrise erreicht weltgrößten Vermögensverwalter BlackRock

Firmenzentrale von BlackRock in Manhatten
Foto: Michael Nagle/Bloomberg

Am Finanzmarkt erreicht nun neben den Banken auch die Vermögensverwalter die restriktive Geldpolitik der US-Notenbank (Fed) und damit die Liquiditätskrise: Der weltweit größte Branchenvertreter BlackRock, mit einem verwalteten Vermögen von 9,1 Billionen US-Dollar (Stand: Q3’23), verzeichnete erstmals seit Beginn der Pandemie im ersten Quartal 2020 Nettomittelabflüsse aus Investmentfonds und ETFs die längerfristig, also hauptsächlich in Aktien investieren. Die Kunden schichteten ihr Vermögen vorzugsweise in Geldmarktfonds mit Laufzeiten bis zu 12 Monaten um bzw. ganz ab.

BlackRock mit Nettomittelabflüssen

Liquiditätskrise am Finanzmarkt erreicht BlackRock

Kunden von BlackRock haben nach Angaben von Bloomberg News im zweiten Geschäftsquartal netto 13 Milliarden US-Dollar aus langfristigen Investmentfonds abgezogen, die ersten Abflüsse seit 14 Quartalen. Zurückzuführen sind die Umschichtungen u. a. auf die stark gestiegenen Zinsen sowie den Abbau der Bilanzsumme der US Notenbank (Fed), was die Zinsen am Geldmarkt und am Kapitalmarkt stark ansteigen ließ.

Die Folgen sind eine Liquiditätskrise am gesamten Finanzmarkt, da Anleger kurzlaufende „sichere“ Staatsanleihen gegenüber Aktien und längerfristigen Anleihen mit signifikanten Kursrisiken und niedriger verzinsten Bankeinlagen bevorzugen. Letzteres führte im Frühjahr 2023 bereits zu einer ersetzen Bankenkrise, die nur mit Notkrediten der Fed aufgefangen werden konnte. Anleger ziehen es derzeit vor, Bargeld in Geldmarktfonds vorzuhalten oder benötigen die Mittel zur Deckung ihrer gestiegenen Lebenshaltungskosten, nachdem viele Transferleistungen des Staates im Zuge der Pandemie aufgebraucht wurden. Die Abflüsse aus den langfristigen Investmentfonds von BlackRock enttäuschten die von Bloomberg befragten Analysten, die Zuflüssen von 50 Milliarden US-Dollar erwarteten.

„TINA“ ist weg

„Zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten erzielen Kunden eine echte Rendite mit Geldmarktpapieren am Finanzmarkt und müssen dabei weniger politische oder marktspezifische Unsicherheiten fürchten“, sagte der Vorstandsvorsitzende von BlackRock Larry Fink bei der Vorstellung der Zahlen und fügte hinzu, dass die Liquiditätskrise die Branche im letzten Quartal endgültig erreichte. Das am Finanzmarkt lange gültige Mantra „TINA“ (There Is No Alternative) in Bezug auf Aktien hat keine Gültigkeit mehr, seitdem Anleger für kurzlaufende Geldmarktpapiere praktisch ohne Kursrisiko über 5 Prozent Zinsen pro Jahr erhalten.

Bei dem größten Vermögensverwalter der Welt investierten die Kunden daher auf der einen Seite verstärkt ins „Cash-Management“ und in Geldmarktfonds sowie in Rentenfonds. Auf der anderen Seite wurden Gelder aus aktiv verwalteten Fonds, hauptsächlich Aktien- und Mischfonds abgezogen. Insgesamt sank das verwaltete Vermögen (AUM) von über 10 Billionen US-Dollar in der Spitze auf aktuell 9,1 Billionen US-Dollar. Seit 2008 waren die AUM bis zum Ausbruch der Pandemie jedes Jahr gewachsen.

Im Jahr 2021 gab es nochmals einen Schub auf einen neuen Rekordwert dank der Stimuli-Schecks der US-Regierung. Doch nun trocknet die restriktive Geldpolitik der Fed den US-Finanzmarkt aus. Die Korrelation zwischen dem Aktienmarkt am Beispiel des breit aufgestellten Index S&P 500 und der Bilanzsumme der Fed, die aktuell um ca. 95 Mrd. US-Dollar monatlich abgebaut wird, ist gut zu erkennen.

Finanzmarkt ist abhängig von der Liquidität der Fed

300 Milliarden US-Dollar weniger

Die gesamten verwalteten Finanzwerte beim weltweit größten Vermögensverwalter BlackRock sanken von 9,43 Billionen US-Dollar im Vorquartal um 3,5 Prozent auf 9,1 Billionen US-Dollar. Die gesamten Nettoabhebungen umfassten 49 Milliarden US-Dollar aus institutionellen Anlageprodukten, darunter 19 Milliarden US-Dollar von einem einzelnen internationalen Kunden. Der Rest ist auf Wertminderungen bei den Vermögenswerten am Finanzmarkt zurückzuführen. Um welchen Einzelkunden es sich handelt, wollte BlackRock nicht mitteilen.

Banken und Vermögensverwalter haben bereits das ganze Jahr über mit einem herausfordernden Markt zu kämpfen, der von wechselnden Inflationserwartungen und der Volatilität an den Aktien- und Anleihemärkten geprägt ist. Der S&P 500 Index fiel im dritten Quartal um 3,7 Prozent, während der Bloomberg US Aggregate Bond Index ebenfalls fiel – und zwar um 3,2 Prozent. Dadurch werden vor allem Investmentfonds, die in Aktien und längerfristige Anleihen investieren doppelt getroffen..

Seitdem Geldmarktfonds in den USA wieder 5 Prozent nahezu risikolose Rendite pro Jahr abwerfen, stürzten sich Anleger in diese Papiere und lösen damit eine Liquiditätskrise bei mittelgroßen und kleineren lokalen US-Banken aus. Und nun erfasst die neue Zinsalternative auch die Vermögensverwalter, die mit Geldmarktfonds deutlich weniger Gebühren vereinnahmen als mit gemanagten Investmentfonds, die hauptsächlich in Aktien investieren.

„Wir haben gesehen, dass in großem Umfang in bargeldnahe Anlagevehikel umgeschichtet wurde und das führt zu gedämpften Ergebnissen in Bezug auf Zuflüsse in Produkte mit höheren Gebühren wie Aktien- und Rentenfonds in der gesamten Branche“, sagte Kyle Sanders, Analyst bei Edward Jones in einer Notiz vor der Veröffentlichung der Ergebnisse von BlackRock. „Auf dem Finanzmarkt herrscht immer noch große Angst vor einer Rezession bei gleichzeitig hohen Zinssätzen, und wir sehen, dass sich viele Anleger deshalb zurückhalten.“ Die Aktien von BlackRock gaben in diesem Jahr bereits um etwa 10 Prozent nach und blieben damit hinter dem etwa 13-prozentigen Anstieg des S&P 500 Index zurück.

FMW/Bloomberg



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2 Kommentare

  1. Es ist nur eine Frage der Zeit bis uns das Ding um die Ohren fliegt. Crash ist unausweichlich.

  2. J.M. Keynes hat doch darauf vor langer Zeit seine Antwort gegeben. Diese ist immer noch richtig.

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