Allgemein

Hans-Werner Sinn: Inflation bisher 10 Jahre unter 2 Prozent, jetzt 10 Jahre über 2 Prozent

Hans-Werner Sinn

Wir alle, die sich für die Geldpolitik in der Eurozone interessieren, haben es genau verfolgt. Am 8. Juli verkündete die EZB ihre Strategieanpassung. Auf den ersten Blick wirkte es wie eine eher harmlose Änderung. Das Inflationsziel der Notenbanker von bisher „knapp unter 2 Prozent“ änderte man auf glatt 2 Prozent. Dahinter steckt aber viel mehr, so sagt es in einem aktuellen Interview der ehemalige ifo-Präsident Hans-Werner Sinn (siehe Video). Die neue Politik der EZB laufe darauf hinaus, dass nach einer Phase von 10 Jahren mit einer Inflation unter 2 Prozent nun eine Periode von 10 Jahren über 2 Prozent bevorstehe – um einen Schnitt von 2 Prozent zu erreichen. Dies erläutert Hans-Werner Sinn im Detail.

Diese neue Politik höre sich harmlos an, das sei es aber nicht. Es sei die Rechtfertigung der Europäischen Zentralbank (EZB) für eine noch expansivere Geldpolitik, so Hans-Werner Sinn. Wie weit weg man sich von der Kernaufgabe der EZB namens „Preisstabilität“ bewege, das sei nicht abzuschätzen. Und ja, so möchten wir von FMW anmerken: Recht hat er, der Herr Sinn. Die EZB verkauft diese neue Strategie als harmlose kleine Anpassung. Dabei ist es ein Trick um die Geldschleusen weiterhin zu öffnen, und den Nullzins auch jahrelang weiter im Keller lassen zu können, und das auch bei stärker anziehenden Preisen.

Lesen Sie auch

Die EZB überschreitet ihr Mandat – würden die Parlamente in der Eurozone eine Veränderung ihrer Aufgaben beschließen, in denen auch die Wirtschaftspolitik als Ziel enthalten ist, dann wäre laut Hans-Werner Sinn wenigstens formal alles in Ordnung mit dem, was die EZB da gerade tut. Mario Draghi habe seiner Meinung nach damals immer so getan, als sei die EZB verpflichtet die Inflation nahe 2 Prozent zu bekommen – dabei sei dies ja nur ein selbst gestecktes Ziel der EZB gewesen. In Wirklichkeit sei es den Notenbankern mit der Geldmengenausweitung und den Anleihekäufen immer nur um niedrige Zinsen zur Finanzierung der Staatshaushalte gegangen, und eine Vergemeinschaftung von Schuldenrisiken. Durch letztlich sinkende Zinsen sei es dann zu einem Ausufern der Staatsschulden gekommen.

Trotz Geldmengenexplosion sei es noch nicht zur Inflation gekommen, weil das aufgelaufene Geld derzeit noch gehortet werde. Käme die Inflation in Gang, sei sie laut Hans-Werner Sinn nicht mehr so einfach zu stoppen. Seine Lösung, wie man aus dem von der EZB geschaffenen Problem herauskommt? Nun, die einfache große Lösung gibt es wohl nicht. Aber, so meint er, man könne die Geldpolitik wieder restriktiver machen. Wie früher müssten Ausfallrisiken für Anleihen wieder auf die privaten Inhaber übergehen. Der Zins müsse seine Lenkungsfunktion für Investitionen wieder erhalten. Der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik sei laut Hans-Werner Sinn hart. Aber je länger man eine Droge (billiges Geld) zu sich nehme, desto schwieriger sei später der Drogenentzug. Ich meine: Da hat er einen perfekten Vergleich gefunden. Aber das Problem ist: Der Junkie ist nun bereits mehr als 10 Jahre voll auf Droge. Das könnte ein verdammt harter Entzug werden. Scheut die EZB deswegen das Ende der Drogenparty?



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

2 Kommentare

  1. In den USA hängen die Renten und ebenso der Konsum am Erfolg des Aktienmarkts. Eine restriktivere Geldpolitik ist also garnicht möglich. Ich fürchte der Junkie bekommt was er will, auch wenn er am Ende dabei draufgeht.

  2. Pingback: Morning Briefing – 16. August 2021 – VWL – welcher Doktrin folgt Deutschland eigentlich? – legonomics

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage