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Hans-Werner Sinn mit harscher Kritik an Macron: Spaltung der EU unter den Klängen der Europahymne

Der "Altmeister" der klaren ökonomischen Worte in Deutschland, der ehemalige Chef des ifo-Instituts Hans-Werner Sinn, hat sich selbst auch nach seinem Rückzug keinen Maulkorb verpasst. So schießt er aktuell mit voller Kraft gegen...

FMW-Redaktion

Der „Altmeister“ der klaren ökonomischen Worte in Deutschland, der ehemalige Chef des ifo-Instituts Hans-Werner Sinn, hat sich selbst auch nach seinem Rückzug keinen Maulkorb verpasst. So schießt er aktuell mit voller Kraft gegen die Pläne des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron. In einer Kolumne für die WiWo spricht er die umfassenden Pläne Macrons für eine Vergemeinschaftung vieler Wirtschafts- und Politikbereiche in Europa an.


Hans-Werner Sinn. Foto: Hanswernersinn.de

Im Kern stellt es Hans-Werner Sinn so dar, dass Macron im Großen und Ganzen die bisher auf nationaler Ebene vorhandenen Töpfe in einen großen EU-Topf werfen möchte. Darin zahlen alle ein, und alle erhalten daraus ihre beanspruchten Anteile. Automatisch folgt daraus, dass der Starke und Zahlungskräftige die Rechnungen der Schwachen und wenig Zahlungskräftigen mit zahlt.

So listet Sinn auf, was Macron alles vor hat mit der Eurozone (nicht der EU). Es soll ein echtes gemeinsames Parlament mit eigenem Budget und Steuerhoheit geben. Also könnte zukünftig auch eine zentrale Institution Anleihen ausgeben, für die wir in Deutschland unmittelbar mit haften. Bisher läuft so was ja nur indirekt über Einrichtungen wie den Rettungsschirm ESM. Auch soll es eine gemeinsame Einlagensicherung geben (kommt ja eh schon), sowie eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung.

Die Sache mit dem gemeinsamen Budget (Haushalt) sieht Sinn nicht nur wegen der gemeinsamen Haftung kritisch. Auch spricht er die strikte nationale Souveränität an, die in Sachen Haushalt beim deutschen Bundestag liegt, und eben nicht in Brüssel. Eine EU-Steuerbehörde oder Finanzverwaltung einzuführen, wäre für Deutschland gesehen ein Verstoß gegen die Verfassung, so Sinn. Der Artikel 110 des deutschen Grundgesetzes verankere eine Art „Ewigkeitsgarantie“, so nennt er es. Das Budgetrecht des Bundestages sei ein unveräußerliches demokratisches Recht des Bundestages.

Der Bundestag sei laut Sinn nicht berechtigt das eigene Recht hierauf abschaffen. Dafür bedürfe es schon einer Neugründung der Bundesrepublik beziehungsweise eine neue verfassungsgebende Versammlung. Halt, meinen wir da. Herr Sinn, reicht eine Änderung des Grundgesetzes durch den Bundestag nicht aus? Denn schließlich steht, wie sie richtig sagen, der Artikel 110 im Grundgesetz, welches verändert werden kann mit einer 2/3-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat.

Inhaltlich kann man die Kritik von Sinn nachvollziehen. Gemeinsame Geldtöpfe (egal wofür) bedeuten letztlich immer, dass die Starken die Schwachen mit finanzieren. Die SPD ist wie üblich tendenziell für Macron´s kräftige Europäisierung der nationalen Finanztöpfe, die Union wie erwartet dagegen. Es ist und bleibt wohl letztlich eine Frage der Sichtweise. Ist man in den Nordländern der Eurozone letztlich bereit langfristig im Rahmen einer Transferunion über diese Töpfe den Süden zu stützen?

Es ist eine politische Frage. Jedes Jahr Extra-Geld geben, um das große Ganze (die EU) am Leben zu halten? Reine Ansichtssache. Was darf/soll der ganze Spaß kosten, wie viel ist es uns wert? Das Problem bei so einem dauerhaften letztlichen Transfer-Mechanismus ist wohl vor allem der Gewöhnungseffekt. Wer weiß, dass er bei Problemen immer auf eine konstante Geldquelle zurückgreifen kann, hat keine ernsthafte Motivation sich anzustrengen und sich selbst zu verbessern. Auch wenn wir Italien keine Faulheit unterstellen wollen – aber gerade Länder wie Italien leben derzeit (auf Staatsebene) ganz gut von den konstant durch die EZB aufgekauften italienischen Staatsschulden.

Das Geld von der EZB fließt – warum also um eine Entschuldung des Staates kümmern? Ähnlich wäre es zum Beispiel bei der gemeinsamen konkret bevorstehenden europäischen Banken-Einlagensicherung, wo letztlich lange angesparte Sicherungsreserven deutscher Einlagensysteme für kaputte spanische oder griechische Banken draufgehen könnten. Das ist ein ziemlich akutes Szenario, dass in den nächsten Jahren jederzeit eintreten kann bei vollzogener Zusammenlegung der Sicherungstöpfe. Hinzu kommt (so möchten wir anmerken), dass viele Länder noch gar nichts in Einlagensicherungen angespart haben.

Sinn nennt eine Summe von 3,69 Billionen Euro, die abzusichern sei. Dank der Absicherung auch durch deutsche Einlagentöpfe würden Banken in Südeuropa laut Sinn in die Lage versetzt dank eines geringeren Ausfallrisikos günstiger Geld einzusammeln. Damit könne man dann riskante und unrentable Geldanlagen tätigen, da die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert würden (auf alle europäischen Einlagensicherungen abgewälzt). Sinn erwähnt auch die extreme Bankenkrise in den USA in den 80er-Jahren (Savins & Loan-Krise).

Laut Sinn sei sie damals durch die „Verlockung“ einer gemeinsamen Einlagensicherung ausgebrochen, wodurch letztlich mehr als 1.000 Finanzinstitute pleite gegangen seien. Er bekräftigt seine Kernforderung aus all den letzten Jahren, dass diejenigen, die im Euro-System nicht zurechtkommen, es verlassen sollten. Macron´s Vorschläge für diese gemeinsamen Töpfe spalten laut Sinn die EU, und das unter den Klängen der Europahymne. Damit will er wohl zum Ausdruck bringen, dass Macron´s Vorschläge vielleicht pro-europäisch aussehen und sogar so gemeint seien könnten, letztlich aber das Gegenteil bewirken – nämlich noch mehr Streit und Probleme zwischen den Mitgliedsstaaten.

Grundsätzlich kann man diese Meinung teilen. Wir meinen aber: Wenn ein großer politischer Konsenz in Europa voirhanden sein sollte, dass die Starken die Schwachen mit finanzieren, dann ist so eine Vergemeinschaftung eben eine rein politische Frage. Bei der EZB ist sie ja schon entschieden durch die Mehrheit der Südländer im EZB-Rat, wodurch die EZB in der Lage ist seit mehr als zwei Jahren mit Billionensummen die Staatsschulden dieser Länder aufzukaufen.



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4 Kommentare

  1. Christian Finanzmarktwelt

    Warum tritt Hr Sinn nicht in die CDU ein und wird Wirtschaftsminister?

    1. Weil die CDU/CSU-Fraktion zwar gegen den heimischen Länderfinanzausgleich klagt,den europäischen, mit Faktor 100, jedoch durch die Hintertür kommend,schleichend einführt!

  2. na ja, wenn der technologische wandel in den nächsten jahren zuschlägt, dann verändert sich eh soviel, dass die heutigen finanzwirtschaftlichen-Instrumente eh nicht mehr funktionieren werden. spannend, dass die hohe Politik das so nicht sehen mag oder kann.

  3. Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, wenn ihr die Starken schwächt
    (Abraham Lincoln)

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