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Zentralbankchefin tritt zurück Inflation in der Türkei trotz Anstieg der Zinsen auf höchstem Stand seit Sommer?

64,6 Prozent Preiswachstum laut Konsensprognose im Januar auf Jahresbasis - 6,5 Prozent auf Monatsbasis

Bekleidungsgeschäft im Stadtteil Eminonu in Istanbul | Fotograf: Kerem Uzel/Bloomberg
Bekleidungsgeschäft im Stadtteil Eminonu in Istanbul | Fotograf: Kerem Uzel/Bloomberg

Wegen der hartnäckigen Inflation erhöhte die Türkische Zentralbank (TCMB) ihre Zinsen zuletzt am 25. Januar um weitere 250 Basispunkte auf 45 Prozent pro Jahr. Zu diesem Schlüsselzinssatz können sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank in Ankara refinanzieren. Trotz ihres bisher nicht unerfolgreichen Kampfes gegen die Preissteigerungen legte die amtierende türkische Zentralbankpräsidentin Hafize Gaye Erkan nach nur acht Monaten überraschend am Freitagabend auf Druck des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ihr Amt nieder.

Vorwürfe von Korruption und Vetternwirtschaft brachten die 44-jährige Geldpolitikerin immer stärker unter Druck. Sie selbst wies diese als politisch motivierte „große Rufmordkampagne“ bis zuletzt von sich. Erdoğan gilt als Befürworter niedriger Kreditkosten – trotz hoher Teuerungsraten. Nachfolger an der Spitze der Zentralbank wird der ehemalige Vize-Chef der TCMB, vormalige Amazon-Manager sowie Mitarbeiter der US-Notenbank Fed, Fatih Karahan (42).

Inflation in der Türkei 23 Mal höher als in der Eurozone – Zinsen zehn Mal höher

Die monatliche Inflation in der Türkei stieg im Januar wahrscheinlich mit der stärksten Dynamik seit August letzten Jahres an. Diese Beschleunig der Teuerung könnte die Entschlossenheit des neuen Zentralbankchefs Karahan auf die Probe stellen, nachdem seine Vorgängerin bereits das Ende des Straffungszyklus bei den Zinsen in Aussicht gestellt hatte.

Vor dem Hintergrund eines starken Anstiegs des Mindestlohns und staatlicher Steueranpassungen werden die am Montag erscheinenden Daten wahrscheinlich zeigen, dass sich die Preissteigerungen im Januar gegenüber dem Vormonat nach fünf aufeinanderfolgenden monatlichen Rückgängen wieder auf 6,5 Prozent p. a. beschleunigten (Konsensprognose einer Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen).

Laut Prognose soll die monatliche Inflationsrate in der Türkei im Januar auf den höchsten Wert seit August 2023 angesprungen sein.

Eine separate Umfrage ergab, dass das jährliche Preiswachstum leicht von 64,8 Prozent im Vormonat auf 64,6 Prozent zurückging.

Türkische Lira fällt um über 30 Prozent – Rekordtief

Die türkische Lira schwächte sich laut Bloomberg News seit der Ernennung von Erkan als TCMB-Chefin um über 30 Prozent ab und fiel zuletzt gegenüber der Weltleitwährung auf ein Niveau von 30,50 pro US-Dollar. Dieser Wechselkurs markiert ein neues historisches Rekordtief der türkischen Lira auf Schlusskursbasis:

US-Dollar steigt auf Rekordhoch zur türkischen Lira

Die türkische Landeswährung hat somit nochmals massiv abgewertet, seitdem Erkan von Erdoğan ernannt wurde, um die Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik der Türkei voranzutreiben, zu der auch aggressive Zinserhöhungen und ein freierer Währungshandel gehörten, um ausländische Investitionen wieder anzuziehen.

Unter Karahan kam es zu einem deutlichen geldpolitischen Wechsel in Sachen Bekämpfung der Inflation, der sich auch in spürbar steigenden Zinsen manifestierte, die sich zuletzt dennoch nach wie vor gut 20 Prozentpunkte unterhalb der Teuerungsrate bewegten:

Daten bis 25. Januar 2024

Erkan startete aggressivsten Straffungszyklus aller Zeiten

Unter Hafize Gaye Erkan startete die Zentralbank TCMB (Türkiye Cumhuriyet Merkez Bankası) einen ihrer aggressivsten Straffungszyklen aller Zeiten, indem sie die Zinsen während ihrer kurzen Amtszeit sukzessive von 8,5 Prozent auf 45,0 Prozent am vorletzten Donnerstag erhöhte und die von Erdoğan verfolgte Politik der extrem niedrigen Zinsen aufgab. Das war wohl auch der Grund dafür, warum Erkan nun selbst aufgeben musste.

Anleger begrüßten laut Bloomberg News die Veränderung an der TCMB-Spitze, die zukünftig eine wieder weniger restriktive Geldpolitik verspricht. So erklärte die Deutsche Bank AG im November, dass die Lokalwährungsanleihen der Türkei im Jahr 2024 zu den besten Anlagen des Jahres in den Schwellenländern gehören würden.

FMW: „Diese Erwartungshaltung ist für Auslandsinvestoren in Anbetracht des jüngsten Schwächeanfalls der türkischen Lira zumindest mit erheblichen Währungsrisiken verbunden“.

Eine Personalie beruhigt die Anleger

Die Investoren werden nun nach Hinweisen suchen, wie sich die Politik des neuen Zentralbankchefs Karahan auf die Inflation und die Zinsen auswirken. Für einige ist die Tatsache, dass der Finanzminister Mehmet Şimşek an seinem Platz bleibt, ein Trost und Zeichen der Stabilität. Der Minister hatte erklärt, der neue Zentralbank-Gouverneur Karahan wurde auf seine Empfehlung hin ernannt. In der Vergangenheit hatte Präsident Erdoğan bei ähnlichen Gelegenheiten sowohl den Zentralbankchef als auch den Wirtschaftsminister zusammen ausgetauscht.

„Ich bezweifle, dass die Änderungen große Auswirkungen auf den Kurs der Geldpolitik haben werden“, sagte Nick Stadtmiller von Medley Global Advisors gegenüber Bloomberg News, noch bevor Karahans Ernennung offiziell wurde. „Die Frage war nie, ob der amtierende TCMB-Gouverneur wusste, was das Richtige zu tun war; Es ging darum, ob der Präsidenten-Palast es ihnen erlauben würde“, sagte er und bezog sich dabei auf Erdoğans Büro.

Erkan dankte Erdoğan und Simsek in ihrem Rücktrittsschreiben. Sie war die erste weibliche Zentralbankgouverneurin der Türkei. Zu ihren beruflichen Stationen zählen Positionen bei der Goldman Sachs Group Inc. und der First Republic Bank in den USA, die im vergangenen Mai wegen Problemen bei US-Gewerbeimmobilien in Schieflage geriet und via Notverkauf an J. P. Morgan gerettet werden musste. Zur gleichen Zeit wurde die Ex-Managerin der Pleite-Bank zur Chefin der türkischen Zentralbank ernannt.

Der neue Zentralbankchef Karahan ist Absolvent der Bogazici-Universität in Istanbul und hat laut seiner Biografie auf der Website der TCMB zuvor sowohl bei der New York Fed als auch bei Amazon.com als Ökonom gearbeitet. Er habe auch an der Columbia University und der New York University gelehrt und 2012 an der University of Pennsylvania in Wirtschaftswissenschaften promoviert.

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Naja- die Staatsschulden haben sich dann aber auch gut weginflationiert.
    Und die Steuereinnahmen steigen auch rasant.
    Historisch schützen die Menschen ihr Erspartes in der Türkei sowieso mit Gold.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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