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"Breit angelegte Deindustrialisierung nicht in Sicht“ Kranker Mann Europas? Bundesbank sieht das ganz anders

Die Bundesbank sieht weder eine Deindustrialisierung in Deutschland, noch ernsthafte Probleme. Man müsse nur Herausforderungen meistern.

Deutschland-Flagge vor Bundestag
Deutschland-Flagge vor Bundestag. Foto: Claudiodiv - Freepik.com

Ist es nur eine Hysterie, ein „Schlechtreden“ des guten Wirtschaftsstandorts Deutschland? Panikmache? Seit Wochen und Monaten hört man immer öfter etwas über die Deindustrialisierung in Deutschland, weil in der Tat große Konzerne neue Investitionen woanders tätigen, und weil die Investitionen in Deutschland dramatisch eingebrochen sind. Auch der Spruch von Deutschland als dem „Kranken Mann Europas“ macht die Runde. Aber für die Bundesbank ist das nicht der Fall, dort sieht man es ganz anders.

Bundesbank sieht keine Deindustrialisierung in Deutschland

Im Zuge des heute frisch veröffentlichten Monatsberichts September hat die Bundesbank sich auch dazu geäußert, ob das „Geschäftsmodell Deutschland“ in Gefahr ist. Man sieht zwar Herausforderungen, aber im Großen und Ganzen sei doch alles nicht so schlimm. Die Bundesbanker schreiben, die deutsche Wirtschaft stehe zwar unter erheblichem Anpassungsdruck. Herausforderungen würden bestehen beim demografischen Wandel, der Umstellung auf emissionsarme Energieversorgung sowie Abhängigkeiten zu China beim Bezug wichtiger Vorleistungsgüter. Aber höhere Energiekosten führten bisher kaum zu Produktionsverlagerungen.

Industrie soll Energiepreisschock gut abgefedert haben

Infolge des russischen Angriffskrieges seien die Energiekosten durch rückläufige Erdgaslieferungen aus Russland und die erhöhte Unsicherheit über die Energieversorgung massiv gestiegen. Auch in den kommenden Jahren sei mit höheren Energiepreisen in Deutschland als vor Beginn des Krieges in der Ukraine zu rechnen, so die Bundesbank. Zudem könnten die Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels zu einem weiteren Anstieg der Preise fossiler Energieträger wie Öl oder Gas beitragen. Aber: Die deutsche Industrie konnte den Energiepreisschock dank guter Ertrags- und Finanzierungsverhältnisse zunächst gut abfedern, so die Meinung der Bundesbanker. Weiter schreiben sie: Die Einbußen seien durch die bei der Profitabilität für Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes im Durchschnitt wohl verkraftbar gewesen. Größere Beeinträchtigungen gebe es vor allem in den besonders energieintensiven Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes, wie zum Beispiel Chemie- und Papierindustrie sowie die Metallerzeugung.

Energie einsparen oder höhere Preise bei Kunden verlangen

Laut Umfrage der Bundesbank begegneten viele Unternehmen den höheren Energiepreisen mit Anpassungen wie Energieeinsparungen oder Erhöhungen der Absatzpreise. Zudem passten sie sich viele Unternehmen an die erhöhten Energiekosten an, indem sie Investitionen in Energieeffizienz erhöhten und vermehrt Erneuerbare Energien nutzten oder dies planen. Produktionsverlagerungen seien laut Bundesbank auch im Verarbeitenden Gewerbe hingegen bisher selten zu beobachten gewesen. Eine breit angelegte Deindustrialisierung sei nicht in Sicht. Dennoch würde der Energiekostenschub laut Schätzung der Bundesbank das trendmäßige BIP-Wachstum Deutschlands senken.

Emissionsfreie Wirtschaft

Hat da jemand von den Grünen mitgeschrieben am Bericht der Bundesbank? Man könnte fast auf die Idee kommen. Aber Scherz bei Seite. Was schreiben die Bundesbanker weiter? „Der Weg zu einer emissionsfreien Wirtschaft ist eine der größten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Um private Investitionen für die grüne Transformation hinreichend zu mobilisieren, ist vor allem eine verlässliche und konsistente Energie- und Klimapolitik elementar“. Denn sie schaffe die nötige Planungssicherheit für Unternehmen und reduziere die gesamtwirtschaftlichen Kosten der notwendigen Dekarbonisierung. Dies zeigen Simulationsrechnungen der Bundesbank. Wenn die Energiewende gelingen will, müsse Deutschland massiv in erneuerbare Energien investieren. Vor allem in einem Tempo, was um ein vielfaches größer ist, als was wir bisher gesehen haben, so sagt es Jens Ulbrich, Chefvolkswirt der Bundesbank. Er plädiert für einfachere Genehmigungsverfahren und dafür, die rechtlichen Prozesse zu beschleunigen.

Demografische Veränderungen belasten Arbeitsangebot

Der demografische Wandel so eine weitere große Herausforderung für die deutsche Wirtschaft, so die Bundesbank. Der demografische Wandel mindert das Arbeitskräfteangebot und verschärft die Konkurrenz um Fachkräfte. Ab der zweiten Hälfte der 2020er Jahre werde die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinken. Da in den nächsten 15 Jahren die Babyboomer das Erwerbsalter verlassen, wird auch die Zuwanderung diesen Effekt voraussichtlich nicht mehr ausgleichen, so die Fachleute.

Überlegungen der Bundesregierung bezüglich der Ergänzung des im Jahr 2020 eingeführten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes wiesen in die richtige Richtung. Dazu gehöre auch die Überführung der EU-BlueCard für Hochqualifizierte in nationales Recht und die Entfristung der Westbalkan-Regelung. Auch die über die Fachkräftezuwanderung hinausgehende Zuwanderung solle schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden. Darüber hinaus gebe es weitere Möglichkeiten, die Erwerbsbeteiligung oder die Arbeitszeit zu erhöhen, sei es durch bessere Betreuungsangebote für Kinder oder einen späteren Eintritt ins Rentenalter. Hierfür müsste von der Regierung der institutionelle Rahmen angepasst werden.

Digitalisierung bietet Wachstumschancen

Handlungsbedarf sieht die Bundesbank zudem im Bereich der Digitalisierung, von der wichtige Wachstumsimpulse ausgehen können. Analysen der Bundesbank haben demnach gezeigt, dass die digitalen Sektoren seit den 1990er Jahren eine wichtige Triebfeder für das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum waren. Die Digitalisierung habe in der Pandemie einen Schub bekommen. Um das Potenzial der Digitalisierung zu nutzen, bedürfe es unter anderem einer leistungsfähigeren Digitalinfrastruktur, digitaler Weiterbildung von Beschäftigten und mehr Fokus im Bildungssystem auf digitale Fähigkeiten.

Eigentlich alles in Ordnung

Wie lautet das Fazit der Bundesbank? Eigentlich ist doch alles in Ordnung, man muss jetzt nur etwas mehr in die Hände spucken und anpassen, und dann wird das schon… Trotz der komplexen Herausforderungen ist die deutsche Wirtschaft nach Ansicht der Bundesbank-Fachleute „in weiten Teilen gut aufgestellt“. Deutsche Unternehmen würden weiterhin in hohem Maß die Möglichkeiten nutzen, die sich auf internationalen Märkten ergeben. Auch die Energiekrise hätten die deutschen Unternehmen „gut abgefedert“. Die deutsche Wirtschaft habe zudem gut ausgebildete Arbeitskräfte, eine immer noch solide Infrastruktur, konsensorientierte Tarifparteien und vergleichsweise stabile Rahmenbedingungen. Der Staat müsse gleichwohl durch Änderungen des institutionellen Rahmens dafür sorgen, dass die zweifelsfrei bestehenden großen Herausforderungen gemeistert werden können. Die Politik unternehme gegenwärtig einige Schritte in diese Richtung. Diese müssten allerdings auch umgesetzt und fortgeführt werden.



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5 Kommentare

  1. Die Bundesbank: „Größere Beeinträchtigungen gebe es vor allem in den besonders energieintensiven Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes, wie zum Beispiel Chemie- und Papierindustrie sowie die Metallerzeugung.“ Das sind die Schlüsselindustrien in Deutschland! Und sonst ist alles in Ordnung?! Die Investitionen, die im Ausland getätigt werden und die Arbeitsplätze von morgen sind, interessiert die Bundesbank auch nicht.
    Befolgen die Beamten der Bundesbank jetzt auch noch die Sprachregelung der Regierung, weil sie so unabhängig sind? Oder haben sie von Nationalökonomie keine Ahnung mehr? Wird Kompetenz durch Gesinnung ersetzt? Es ist haarsträubend.

  2. Sehe ich ähnlich wie die Bundesbank. Deutschlands Energiepreise sind schon seit Jahrzehnten hoch, und die Ursache für die Preisexplosion letztes Jahr war/ist der Krieg. Deutschlands Wertschöpfung basiert nicht auf einem niedrigen Energiepreis.

    Wie wäre es, wenn FWM mal recherchiert, welchen Anteil Energie an den Herstellungskosten für besonders wichtige Produkte hat?

  3. Genau die richtige Taktik : Einfach beim Bürger bedienen. Sehr guter Ratschlag, der dumme Michel kann es ja zahlen – wie gefühlt eh alles was anfällt. Man fragt sich immer mehr für wen in diesem Land eigentlich Poltik gemacht wird…Für den Bürger im eigenen Land irgendwie nicht…

  4. Ich pflichte der Deutsche Bundesbank hierbei zumindest bei, wenn sie davon spricht, daß die Energiekosten wegen des russischen Öl-Embargos, und der damit verbundenen Unsicherheit über die Energieversorgung gestiegen sind.

    1. „Russisches Öl-Embargo?“
      Soviel ich weiß haben Deutschland und die EU beschlossen, kein russisches Öl zu kaufen (über Umwege und als Destillat natürlich schon, aber das ist ein andere Geschichte) und beschimpfen über ihr Personal in der EU andere Länder, die Abnahmeverträge bei Gas einhalten, „Blutgeld“ an den pöhsen Iwan zu bezahlen.
      Wieder einmal destabilisiert Deutschland Europa.
      Wenn dann wieder alles in Scherben fällt, dann wundert es sich, wie das nur kommen konnte.
      Genau SO.

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