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Macht China denselben Fehler wie die USA mit Lehman Brothers? Systemrelevantes Unternehmen Anbang vor dem Aus

In China ist wieder einmal ein CEO verschwunden. Daran hat man sich gewöhnt. Aber diesmal ist es ein besonderer CEO: Wu Xiaohui, der Chef von Anbang Insurance Group, dem zweitgrößten Versicherungsunternehmens Chinas. Das droht nun tiefe Löcher in den gesamten Bankensektor Chinas zu reißen - und damit das allgegenwärtige Schneeballsystem im Reich der Mitte kollabieren zu lassen!

Von Markus Fugmann

In China ist wieder einmal ein CEO verschwunden. Daran hat man sich gewöhnt. Aber diesmal ist es ein besonderer CEO: Wu Xiaohui, der Chef von Anbang Insurance Group, dem zweitgrößten Versicherungsunternehmens Chinas.

In den Schlagzeilen war Anbang und Wu Xiaohui zuletzt aufgrund der dann abgebrochenen Verhandlungen um den Kauf eines Hochhauses in der luxuriösen New Yorker Fifth Avenue – der Schwiegersohn Trumps, Jared Kushner, musste die Verkaufsgespräche mit Anbang über das in seinem Besitze befindliche Hochhaus abbrechen wegen möglicher Interessenskonflikte.

Ein Grund dafür ist, dass der verhaftete Anbang-Chef verheiratet ist mit der Enkelin des Reformpräsidenten Deng Xiaoping, also eigentlich zum innersten Zirkel gehört, der bisher gewissermaßen sakrosankt war. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Viel wichtiger ist, dass Anbang eng mit dem chinesischen Bankensektor verflochten ist: über Banken verkaufte Anbang Lebensversicherungen mit versprochenen Renditen, die sonst niemand bieten konnte. Die Banken wiederum verpackten die von Anbang gestrickten Versicherungen in „Vermögensverwaltungsprodukte“. Mittels solcher Fonds wurden dann hochgradig Schulden-gehebelt zum Beispiel Immobilien im Ausland gekauft, etwa das legendäre Waldorf Astoria in New York.

Wer finanzierte den Hebel? Richtig: die Banken, die die Vermögensverwaltungsprodukte anboten, die wiederum aus Anbang-Produkten bestanden. Und das meistens außerhalb der offiziellen Bank-Bilanzen. Schlagwort: Schattenfinanzierungen!

Genau das könnte der Grund für die Verhaftung des Anbang-Chefs sein: der Kampf gegen Schattenbanken, gegen Schatten-Finanzierungen. Anbang hatte hochrentierliche, aber eben auch hochriskante Versicherungspolicen verkauft, und das Problem dabei ist, dass man damit kurzfristig laufende Schulden aufnahm, um langfristige Verbindlichkeiten refinanzieren zu können. Das ist ein Charakteristikum des chinesischen Finanzsystems insgesamt, zumal der chinesischen Schattenbanken. Dieser Mechanismus, kurzfristig Geld aufzunehmen, um langfristige Schulden bezahlen zu können, wurde etwa in Deutschland der Hypo Real Estate zum Verhängnis: wenn der Geldzufluss stockt oder die Kosten für das frisch aufgenommene Geld stark steigen, kollabiert das System.

Genau das ist im übrigen derzeit auch in Deutschland das große Risiko: deutsche Banken nehmen am Geldmarkt kurzfristig günstiges Geld auf, um etwa deutschen Immobilienkäufern ihr Häuschen zu finanzieren. Wenn das kurzfristig aufgenommene Geld aber teurer werden sollte als die Zinseinnahmen für den vergebenen (Immobilien-)Kredit, wird es brenzlig!

Zurück nach China: Die Verhaftung des Anbang-Chefs bedeutet de facto auch das Verbot für chinesische Banken, mit Anbang weitere Geschäfte zu machen. Das ist das sichere Todesurteil für Anbang, und der Niedergang des Versicherungsriesen wird für die Banken, die mit Anbang Geschäfte gemacht haben, zu einem riesigen Problem, schließlich hängt man gemeinsam in Geschäften, deren Schulden-gehebelte Finanzierung eben jene Banken ermöglicht haben.

Anbang ist praktisch ein Symbol für das in China breitflächig laufende Ponzi-Schema, und wie jedes Schneeball-System braucht es ständig frische Gelder, damit der „Schnee nicht plötzlich schmilzt“. In den sozialen Medien Chinas zeigen viele Kommentare, dass zahlreiche Chinesen nun versuchen, ihre Gelder abzuziehen – selbst wenn das erhebliche finanzielle Nachteile mit sich bringt und Teile des Geldes dann verloren wären (hohe Kosten für vorzeitige Kündigung). Es kommt also schon zu einer Art Bank-run bei einem Versicherungsunternehmen.

Und weil Anbang so typisch ist für das Finanzsystems Chinas, droht nun Unheil, eine Art Lehman-Moment für China mit bisher ungekannten Ansteckungseffekten!

Noch eine lustige Bemerkung am Rande: Anbang war einer der Interessenten für eine Übernahme des geschmolzenen Kernreaktors HSH Nordbank. Daraus wird nun wohl nichts werden – manch einer in Hamburg oder Kiel hat jetzt schlechte Laune..


Lehman Brothers-Gebäude
Foto: David Shankbone – David Shankbone, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2559779



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5 Kommentare

  1. Jaja,man lernt schnell vom Westen wenn es um Ponzischemen geht.

  2. Sie schreiben es klar:
    Genau das ist im übrigen derzeit auch in Deutschland das große Risiko: deutsche Banken nehmen am Geldmarkt kurzfristig günstiges Geld auf, um etwa deutschen Immobilienkäufern ihr Häuschen zu finanzieren. Wenn das kurzfristig aufgenommene Geld aber teurer werden sollte als die Zinseinnahmen für den vergebenen (Immobilien-)Kredit, wird es brenzlig!

    Deshalb wird es in absehbarer Zeit weder in USA noch in Europa merkbare Zinserhöhungen geben können.
    Falls doch bricht alles schlagartig zusammen.
    Ndranghi: weitermachen.
    Die Kapitalversicherer (Leben und Renten) gehen so schon baden.

    1. Ich weiß, dass auch schon vor gut 35 Jahren (womöglich sogar schon seit 1967, wo die staatliche Zinsreglementierung durch Aufhebung der Zinsverordnung endete) bei Jahresabschlussprüfungen der Kreditinstitute das für das Institut bestehende ‚Zinsänderungsrisiko‘ genau unter die Lupe genommen wurde.

      Diese „Gefahr“ ist also nicht grundsätzlich neu.

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