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OECD-Analyse: Fast schon paradiesische Zustände in Deutschland

Die OECD hat heute ihre aktuellste Länderanalyse für Deutschland veröffentlicht. Betrachtet man die Aussagen im Gesamtbild, dann leben wir in Deutschland in relativ paradiesischen Zuständen – so möchten wir es mal vereinfacht ausdrücken. OECD-Chef Angel Gurrria sagte heute, dass er das Wirtschaftswachstum in Deutschland für stabil halte. Für 2018 und 2019 erwarte man ein Wachstum von jeweils 2,1%.

Was gibt es dann überhaupt noch zu kritisieren? Die Bundesregierung nutze ihre finanziellen Spielräume zu wenig für Investitionen. Dabei gehe es um Bildung, Kitas, Grundschulen. Auch habe sie in den letzten Jahren zu wenig getan um Deutschland fit für die Digitalisierung zu machen. Da müsse nachgebessert werden. Die digitale Infrastruktur sei ungenügend. Auch erwähnt der OECD-Bericht die üblichen Bereiche wie mehr Bildung für Arbeitnehmer, und wie die Problematik steigender Wohnungsmieten.

Das Produktivitätswachstum sieht die OECD als Problem an. Wenn es so schwach wie momentan bleibe, werder der Demografiewandel Deutschland hart treffen. Wenn die Produktivität stärker wachse, könne man hierzulande auch mit mehr Rentnern in Relation zur Gesamtbevölkerung fertig werden, also den Wohlstand halten. Hier eine stichpunktartige Auflistung aus dem Bericht der OECD. Zitat:

Das Wirtschaftswachstum ist robust, und die Lebensqualität ist hoch
– Eine starke Inlandsnachfrage und kräftige Exporte geben dem Wachstum Auftrieb.
– Die Löhne steigen maßvoll.
– Das Wachstum wird sich infolge von Kapazitätsengpässen etwas verlangsamen.
– Der Leistungsbilanzüberschuss ist weiterhin hoch.
– Die Menschen in Deutschland genießen einen hohen Lebensstandard.

Den vor uns liegenden strukturellen Herausforderungen fiskalpolitisch begegnen
– Angesichts der starken Haushaltslage besteht auf kurze Sicht Spielraum zur Finanzierung prioritärer Ausgaben.

Das Produktivitätswachstum wird durch eine langsame Technologieverbreitung gebremst
– Das Wachstum der Arbeitsproduktivität war in den letzten Jahren verhalten.
– Unternehmerische Initiative ist entscheidend für eine schnellere Technologieverbreitung und eine höhere Produktivität in KMU.
– Staatliche Beteiligungen im Unternehmenssektor bremsen die Reallokation.
– Durch mehr Wettbewerb und Investitionen im Bereich digitaler Netze könnten neue Technologien besser genutzt werden.

Mit neuen, anpassungsfähigen Kompetenzen die Zukunft der Arbeit vorbereiten

– Automatisierung, digitale Plattformen und sonstige technologische Neuerungen verändern das Wesen der Arbeit.
– Mit dem technologischen Wandel steigt die Nachfrage nach kognitiven und nichtkognitiven Kompetenzen.

Maßnahmen zur Erhöhung der Kompetenzen und Verbesserung der Kompetenznutzung können inklusives Wachstum fördern
– Bei der Verringerung des Effekts des sozioökonomischen Hintergrunds auf die Bildungsergebnisse wurden beeindruckende Fortschritte erzielt.
– Durch bessere berufliche Entwicklungschancen für Frauen ließe sich die Produktivität erhöhen und das Armutsrisiko verringern.

Reformen der Verkehrspolitik können ein umweltverträgliches Wachstum fördern und die Lebensqualität erhöhen
– Die Emissionen des Verkehrssektors haben trotz erheblicher Effizienzsteigerungen zugenommen, was ein wunder Punkt in der Klimapolitik insgesamt bleibt.

Weitere Aussagen zum aktuellen Zustand in Deutschland:

Eine starke Inlandsnachfrage und kräftige Exporte geben dem Wachstum Auftrieb. Eine rekordniedrige
Arbeitslosigkeit und Reallohnzuwächse stützen den Verbrauch. Niedrige Zinsen und Zuwanderung fördern den Wohnungsbau. Ein Warenangebot, dessen Zusammensetzung dem Investitionsbedarf stark expandierender aufstrebender Volkswirtschaften gerecht wird, und die Erholung im Euroraum begünstigen die Exporte. Mit den kräftigen Exporten beleben sich auch die Unternehmensinvestitionen. Das Kreditwachstum bleibt verhalten.

Die Löhne steigen maßvoll. Die jüngsten Tarifabschlüsse deuten auf eine gewisse Beschleunigung des Lohnwachstums hin. Die Gewerkschaften haben in den Tarifverhandlungen zunehmend nichtlohnbezogene Leistungen durchgesetzt, die die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbessern. Eine steigende Inflation, die in erster Linie höheren Ölpreisen zuzuschreiben ist, schmälert die Reallohnzuwächse jedoch etwas.

Der Leistungsbilanzüberschuss ist weiterhin hoch. Im öffentlichen wie im privaten Sektor ist die Ersparnis höher als die Investitionen. Dies gilt besonders für den Unternehmenssektor, wo die inländischen Investitionen nicht mit der Ertragsentwicklung Schritt hielten. Wechselkurs- und Energiepreisbewegungen spielten dabei ebenfalls eine Rolle. Durch Strukturreformen zur Ankurbelung eines inklusiven und umweltverträglichen langfristigen Wachstums und die Nutzung von Haushaltsspielräumen zur Finanzierung solcher Reformen könnte der Leistungsbilanzüberschuss reduziert werden, indem die Investitionstätigkeit gestärkt und die Spartätigkeit verringert würde.

Die Menschen in Deutschland genießen einen hohen Lebensstandard, vor allem nach Kriterien wie Beschäftigung und Verdienst sowie WorkLife-Balance. Die Verteilung der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte ist ausgewogener als in anderen großen OECD-Volkswirtschaften. Vermögen und Markteinkommen sind allerdings vergleichsweise ungleich verteilt. Relative Armutsrisiken ergeben sich aus einem hohen Anteil an Niedriglohnbeschäftigten unter den Gering- und Mittelqualifizierten sowie aus der Teilzeitarbeit von Frauen.

Die folgende Grafik zeigt, dass die Löhne in Deutschland seit einiger Zeit kräftiger wachsen als die Inflation.

OECD-Grafik zu Löhnen und Inflation

Hier eine Grafik zu BIP- und Exportvergleichen.

Wer in die Details eintauchen will, findet hier die 70 Seiten lange Studie der OECD.



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1 Kommentar

  1. Was ist denn mit der Export-Performance gemeint? Auf jeden Fall nicht die nominalen oder realen Exporte. Denn die realen Exporte Frankreichs z.B. lagen in Q1 2018 um 26,5% über dem Niveau von Ende 2007 – im Diagramm wird aber ein Rückgang gezeigt.

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