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Atom-U-Boot-Basis in Russland wird Drehkreuz für LNG

Eine Atom-U-Boot-Basis in Russland soll zum Drehkreuz für die Verschiffung von verflüssigtem Gas, LNG, auf den Weltmarkt werden.

LNG-Tanker

In der Ura-Bucht nordwestlich von Murmansk hat ein 400 Meter langes Spezialspeicher für verflüssigtes Gas (LNG) festgemacht. Diese Basis will der größte LNG-Produzent in Russland Novatek nutzen, um den Abtransport von seinen Werken auf den Halbinseln Yamal und Gydan effektiver zu gestalten. Verzögerungen beim Schiffsbau infolge von Krieg und Sanktionen gilt es abzumildern. Schließlich soll das LNG-Drehkreuz wie die Atom-U-Boote das Überleben Russlands sichern. Novatek hat dafür die Aussicht, LNG ohne bestimmte Vorgaben frei zu exportieren.

LNG-Export aus Russland ohne Bindung an Gasvorkommen soll möglich werden

Setzte sich Anfang Juni Novatek-Chef Leonid Michelson dafür ein, dass Exporte ohne Bindung an dafür lizensierte Gasvorkommen gestattet werden, brachte jetzt im Juli Medien aus Russland zufolge eine Abgeordneten-Gruppe ein Gesetzentwurf zum freien LNG-Export in die Duma ein. Es geht um einen Entwurf zur Änderung des Gasexportgesetzes, wonach der den Export von LNG ohne Bindung an Lizenzen für bestimmte Vorkommen zulässig ist.

Michelson hatte sich darüber beklagt, dass es bei der LNG-Anlage Kryogas Vysotsk zu Lieferschwierigkeiten gekommen sei, weil Gazprom bei der Abwicklung der Zahlungsvorgänge Probleme hatte. Solche Dinge will er offenkundig ausschließen, besonders wenn der Bau eines großen LNG-Werks in Murmansk auf die Tagesordnung kommt. Selbst beim Gasbezug für das ganz im nordwestlichen Russland an der Grenze zu Norwegen gelegene Murmansk will Michelson freie Hand haben, und warf zuletzt in die Runde, dass das Gas zur Verflüssigung aus eignen Gasquellen auf der Halbinsel Gydan und nicht von Gazprom kommen soll. Bei den Pipeline-Anschlüssen kommt er bei allem guten Willen an Gazprom dennoch nicht vorbei, und benötigt eine einvernehmliche Lösung.

Spezialspeichereinheit erreicht Bestimmungsort

Ist Michelson stets dabei, sämtliche Hürden auf dem rechtlichen Weg mit Appellen an Regierung und Gesetzgebung freizuräumen, war das Einlaufen der Saam Floating Storage Unit (FSU) aus Südkorea in die Ura-Bucht ein wichtiger Meilenstein, um den Schiffsverkehr zum LNG-Transport effizienter und kostengünstiger abwickeln zu können. LNG-Tanker der Eisklasse müssen dann nicht mehr die komplette Strecke vom Werk bis zum Bestimmungshafen in Europa zurücklegen, sondern lassen ihre Fracht bei der FSU. Von hier aus kann alles mit üblichen LNG-Tankern bedient werden, da die Ura-Bucht ganzjährig eisfrei bleibt. Bereits für die dortige Basis der Atom-U-Boote war dies ein strategisches Moment, um flexibel agieren zu können. Für den LNG-Tankerbetrieb gilt das Gleiche. Free on Bord ist möglich, d.h. Abnehmer können ihr geordertes verflüssigtes Gas auch mit eigenen Tankern abholen.

In der Nacht vom 26. zum 27. Juni sei die Saam FSU in der Ura-Bucht eingetroffen, teilte die Murmansker Niederlassung des staatlichen russischen Hafenbetreibers Rosmorport mit. Hafenlotsen von Rosmorport-Murmansk halfen, den schwimmenden 400 Meter langen und 60 Meter breiten Gasspeicher mit einem Tiefgang von 12,2 Meter am Meeresgrund zu verankern. Die LNG-Speicherkapazität beträgt 360.000 Kubikmeter. Rosmorport-Murmansk will nach der Inbetriebnahme an der FSU das Flüssiggas laden und entladen und damit Tanker in der Kola-Bucht in Russland unterstützen. Für Novatek ist sie der geplante Umschlagplatz für LNG, das per Tankschiff der Eisklasse vom hohen Norden angeliefert und dort zum Weitertransport nach Westen zwischengelagert wird. Gebaut hat die Saam FSU Hanhwa Ocean (früher bekannt als DSME) für Novatek in der Okpo-Werft in Südkorea. Vier Monate dauerte die Reise von dort bis in die Ura-Bucht.

Mit weniger LNG-Tankern der Eisklasse auskommen

Dieses Shuttle-Konzept zwischen Werk und Gasspeicher in der Ura-Bucht soll es Novatek ermöglichen, seine bestehende Flotte von 15 Tankern der Eisklasse sowohl für das Werk Yamal LNG auf Yamal als auch für das neu entstehende Werk Arctic LNG 2 auf Gydan einzusetzen. Der Produktionsstart von Arctic LNG 2 ist für Anfang 2024 vorgesehen, und umfasst den Bau einer separaten Eistankerflotte. Allerdings verzögert sich der Bau der Arctic LNG 2-Flotte deutlich. Den ersten Tanker sollte die Zvezda-Werft schon im März 2023 und vier weitere bis Dezember dieses Jahres ausliefern. Doch die Werft in der Nähe von Wladiwostok im äußersten Osten Russlands liegt mindestens ein Jahr hinter dem Zeitplan zurück.

Die Zvezda-Werft gehört dem russischen Ölkonzern Rosneft und hat mit dem Bau derartiger Spezialtanker keine Erfahrung. Im Jahr 2020 hatten Rosneft und Novatek den Bau von insgesamt 15 Tankern der Eisklasse Arc 7 vereinbart. Weitere sechs Tanker waren bei Hanhwa Ocean in Auftrag gegeben. Der südkoreanische Schiffbauer hatte bereits für Yamal LNG solche Spezialschiffe geliefert, stieg aber nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und folgenden Sanktionen gegen Russland im letzten Jahr und verzögerten Vertragszahlungen aus dem Geschäft aus. Zugleich stellte Hanhwa Ocean in der Werft die Saam FSU und die Koryak FSU fertig, die Novatek beide 2020 in Auftrag gegeben hatte. Die Koryak ist für den asiatischen Markt als logistische Zwischenstation vorgesehen. Sie soll bei der Halbinsel Kamtschatka stationiert werden und den Schiffsverkehr mit weniger LNG-Tankern der Eisklasse auch in Richtung Osten möglich machen.

Russland mit LNG-Flotte sichern

Die Inbetriebnahme beider Gasspeicher soll in diesem Jahr erfolgen. Mit ihrer Hilfe will Novatek Logistik- und Transportkosten optimieren und plant in der Region Murmansk und Kamtschatka einen LNG-Umschlag- und Speicherplatz mit einer Kapazität von jeweils 20 Millionen Tonnen im Jahr. Im Vergleich dazu scheint bei Gazprom weniger voranzugehen und sich das Geschäft auf das Verwalten der Verluste aus dem europäischen Pipeline-Geschäft für Russland zu konzentrieren. Milliardär Michelson scheint der Botschaft von Präsident Wladimir Putin fraglos zu folgen und sich in den Dienst des wirtschaftlichen Überlebens des Landes zu stellen, das mit Eigeninteressen konform geht. Seine Rufe nach Steuer- und Abgabenerleichterungen auch für chinesische Investoren finden Gehör.

Kommt die Gesetzesänderung zum freien LNG-Export durch die Duma und tritt am Ende mit Putins Unterschrift in Kraft, befreit dies Novatek von Schranken, die das gesetzlich verbriefte Gasexportmonopol von Gazprom festsetzte. Neue Schranken könnten indes Sanktionen von Europa setzen, die sich auf russisches LNG richten. Der vergleichbar kurze Weg von der Atom-U-Boot-Basis in europäische Häfen verlängert sich. Der Weg nach Asien ist auf dieser Route dann weniger rentabel. Ob Transporte gen Osten über Kamtschatka das auffangen können, ist offen. Europa als Großkunde für russisches Gas ist derzeit mit einem Lieferumfang von insgesamt gut 50 Milliarden Kubikmeter per Schiff und Pipeline im Jahr für die Wirtschaft von Russland eine relevante Größe. Das verflüssigte Gas gilt dabei als strategisches Gut, um im Kampf zu bestehen. Der Hafen von Murmansk und umliegende Buchten sind wie für Atom-U-Boote die Basis, eine schlagkräftige LNG-Flotte zu unterhalten und Gas in die Welt zu schicken.



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1 Kommentar

  1. Das geht aber mit Riesenschritten.
    Ist sicher auch für alle Beteiligten besser. Europa will teilweise kein billiges Pipelingas mehr aus Russland, und LNG aus Pipelinegas ist immer noch besser, als LNG aus Frackinggas.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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