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Wie stark wird der September-Blues? S&P 500: Was nicht mehr steigen kann, muss fallen

Der erwartbare Kursrutsch

S&P 500 was nicht steigen will
Foto: imrandk - Freepik

Selten waren Kursrückgänge beim S&P 500 oder beim hiesigen DAX 40 so erwartbar gewesen wie in dieser Woche. Nach einer nahezu V-förmigen Erholung der Indizes nach dem Carry-Trade-Crash in Japan und einer wiederum extrem euphorischen Positionierung der Anleger, sollte es keinen überraschen, dass es ausgerechnet im schlechtesten Börsenmonat des Jahres, dem September, zu veritablen Korrekturen kommen kann.

Der Auslöser war wieder einmal nicht besonders wichtig. Dass man zu Wochenauftakt die Ursache beim Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe gesucht hat, ist wieder ein Beispiel dafür: Die Kurse machen eben in bestimmten Fällen die Nachrichten. Denn dieser Frühindikator liegt nun schon 21 Monate fast durchgängig unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten (Ausnahme März 2024 mit 50,3) und der S&P 500 ist in dieser Zeit dennoch von 3800 auf 5600 Punkte gestiegen. Übergeordnet geht es seit einigen Wochen verstärkt um die Frage nach einer Rezession in den USA, auf die der Aktienmarkt so gar nicht vorbereitet ist. Über die Stellgrößen Dienstleistungssektor, Arbeitsmarkt und in unmittelbarer Konsequenz der Zustand des US-Konsumenten, der der großen Löwenanteil am US-Bruttoinlandsprodukt ausmacht. Zu den neuesten Daten am Arbeitsmarkt in der letzten Woche gleich mehr. Diese fielen in Summa etwas schlechter aus als erwartet, aber nicht so schlecht, dass das Rezessionsgespenst bereits an der Tür klopft. Die Märkte sackten weiter ab, es gibt weiterhin ein nervöses Hin-und Her-Gezerre.

Ob die Fed am 18.September nun die Zinsen um 0,25 oder 0,50 Prozent senkt, ist eher psychologischer Natur, denn bekanntermaßen wirken sich Leitzinsveränderungen in der Wirtschaft erst nach einem Jahr aus. Ein Rezessionsschock müsste aber erst einmal verarbeitet werden, deshalb gilt an der Märkt künftig wieder: Bad News are Bad News für die Aktienmärkte.

Zunächst ein kleiner Rückblick auf die vergangene Handelswoche.

S&P 500: In der Phase des Übergangs, sind die Kurse zu weit geklettert?

Übergeordnet erscheint die Situation beim weltgrößten Index, dem S&P 500 sowie anderer Indizes reichlich seltsam. Da verteuert die US-Notenbank das Kapital durch Zinsanhebungen um 5,25 Prozent vom März 2022 bis Juli 2023 und hält seitdem schon 13 Monate den Leitzins auf dieser Höhe. Und was ist am Aktienmarkt passiert? Der S&P 500 ist um 29 Prozent geklettert, wie es diese Grafik von Charlie Bello verdeutlicht:

Bilello S&P 500 und Fed Funds Rate

Und jetzt, kurz vor der Zinswende, fängt der Markt an zu wackeln, obwohl doch mit substanziellen Zinsrückgängen zu rechnen ist. Es ist eben die Phase des Übergangs und es steht das große Damoklesschwert im Raum, welches ich bereits vor Monaten gewagt habe mit folgendem Satz zu umschreiben: Zinsenkungen sind gut, wenn man sie machen kann, aber schlecht, wenn man sie machen muss. Will heißen: Die bereits viel zitierte Rezession würde die Wirkung von Zinssenkungen geradezu konterkarieren.

Und das ist das derzeitige Thema an den Aktienmärkten, man achtet auf jede Nachricht, die den Arbeitsmarkt betrifft, ob die Zahlen der offenen Stellen, die wöchentlichen Erstanträge oder den großen Arbeitsmarktbericht zu Beginn eines Monats.

Bad News aus dieser konjunkturellen Ecke sind wieder Bad News, ein Anstieg der Arbeitslosigkeit war von der Federal Reserve lange erwünscht, aber nur moderat.

Aber jetzt ist man an einem Punkt angelangt, an dem bei der Notenbank die Alarmglocken klingen, denn ein zu zu starker Abschwung würde nicht nur die Gefahr einer Rezession zur Folge haben bedeuten, sondern schon wieder eine Fehleinschätzung seitens der Hüter des Geldes zementieren, nachdem man doch so lange die Inflation im Jahr 2021 kleingeredet hatte.

Jetzt hat der Monat September begonnen, die Finanzmedien überschlagen sich mit ihren Berichten über die Schwäche in dieser Periode, die saisonal doch so ausgeprägt ist.

Aber eigentlich erst in der zweiten Monatshälfte (die schlechteste Periode des Jahres) –  aber wenn etwas so ausgetreten wird, geschieht oft ein Vorziehen des Erwartbaren, sprich die Investoren gehen schon früher in Deckung. Der Tweet von Walter Deemer bringt es schön auf den Punkt. Jeder erwartet einen schlechten Monat, aber warum so lange abwarten bis……sowie die Eigenschaft der Börse mit dem Bonmot des „Wegs des größten Schmerzes“:

Tweet Walter Deemer Börsenweisheit

Hier der Future auf den S&P 500, der die Abgaben schon zu Monatsbeginn verdeutlicht:

Future S&P 500 Anfang September

Welche Sektoren im S&P 500 waren in dieser Woche auffällig? Es waren die defensiven, Konsumgüter, Immobilien, Versorger, der Gesundheitssektor:

Sektorenperformance S&P 500 Anfang September

Wird sich die die jüngere Geschichte wiederholen?

Im Vorjahr betrug die Spanne zwischen dem Hoch und dem Tief beim S&P 500 im September/Oktober 8,8 Prozent, im Jahr zuvor waren dies sogar veritable 13,0 Prozent.

S&P 500: Die Nervosität der Anleger

Selten gab es einen solch ständigen Wechsel im Narrativ der Börsianer. Wachstumshoffnungen und Rezessionssorgen wechselten im Wochenrhythmus ab. Einmal keine Abkühlung, dann eine zu starke Abkühlung.

Und mittendrin der Hightech-Sektor mit den Magnificent 7. Was für ein Abverkauf bei Nvidia in ganz kurzer Zeit, von über 30 Prozent – was skurrilerweise schon wieder dazu führt, dass diese Aktie gar nicht mehr so überteuert ist. Ein Forward-KGV von 30 und um wie viele Prozent sollen die Gewinne bei Nvidia in den nächsten Jahren wachsen?

Dies ist die Heatmap auf den S&P 500 von der letzten Woche Woche. Blutrot, Technologie. Was nicht mehr steigen kann, muss fallen:

Wochen-Heatmap S&P 500 Anfang September

Das Motto: Buy the Dip, dürfte in diesem Monat gefährlich sein..

Das Sentiment: Die Bullen werden weniger, die Bären auch

So könnte man die Lage zur Wochenmitte beschreiben, denn das Bullenlager der US-Privatanleger hat von 51,2 auf 45,3 Prozent nachgegeben, aber ebenso die Quote der Bären von 27,0 auf 24,9 Prozent. Insgesamt 29,8 Prozent Unentschlossene, was das eben beschriebene Narrativ ein wenig bestätigt.

Den Institutionellen ist natürlich der September-Blues bekannt, Big Money reduzierte die Investitionsquote von 81,34 auf 70,65 Prozent. Nicht spektakulär, aber hier ist eine gewisse Vorsicht zu verspüren.

Beim Stimmungsbarometer von CNN, dem Fear&Greed-Index, hat sich auch rasch ein Umdenken eingestellt, denn man ist aus dem Bereich der Gier in dieser Woche bereits mit 39 Punkten wieder in den Angstbereich zurückgekehrt.

Alles in allem liefert das Sentiment keine großen Hinweise auf extreme Positionierungen.

Die Konjunkturdaten der Woche – Bad News are Bad News

Nach zwei nachrichtenarmen Wochen in der Urlaubszeit (Ausnahme Notenbanker-Treffen in Jackson Hole) war das große Thema in dieser Woche der Zustand des Arbeitsmarkts.

Die großen Alarmsignale wie der Frühindikator des Conference Board LEI, die re-invertierenden Zinskurven, die Sahm-Rule, der Bloomberg Economic Surprise Index, das alles ist bekannt und zweifelsohne im Markt eingearbeitet.

Den ersten Paukenschlag in der Woche stellten die angebotenen Stellen (JOLTs) in den USA für den Monat Juli dar, die mit 7,673 Millionen deutlich unter den Erwartungen hereinkamen (8,09 Mio.), gleichzeitig wurden die Vormonaten nach unten revidiert. Die schwächsten Daten seit Januar 2021, auf einen Arbeitslosen kommen nur noch 1,07 offene Stellen.

Der ADP-Arbeitsmarktbericht für den Monat August lag mit 99.000 neuen Stellen auch deutlich unter den Prognosen (144.000), von einigen wurde bereits eine sichere Rezension ausgerufen. Bis kurz darauf die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe mit 227.000 wiederum besser als erwartet gemeldet wurden. Was nun? Freitag um 14:30 Uhr sollte der große Arbeitsmarktbericht Aufklärung bringen.

Es wurden 142.000 neu geschaffene Stellen statt 164.000, aber wieder einmal wurden die Stellen der Vormonate nach unten revidiert. Die Arbeitslosenrate sank auf 4,2 Prozent, die Lohnsteigerungen nahmen auf Jahressicht auf 3,8 Prozent zu.

Man könnte die Daten auch ein wenig positiv sehen. Denn der Stellenaufbau läuft bereits den 44. Monat in Folge, die gestiegenen Löhne helfen zudem dem US-Konsumenten. Da die Inflationsrate nun auch schon 16 Monate unter den Lohnzuwächsen liegt, lautet die Folge: Reale Einkommenszuwächse. Sicherlich nicht für jeden, jeder hat andere Kaufgewohnheiten und auch andere Einkommensverhältnisse.

Was insgesamt den Einbruch der Wirtschaft noch verzögert. Erst wenn die Unternehmen verstärkt Mitarbeiter entlassen und die Lohnzuwächse nachlassen, wird es brenzlig für den US-Konsum und damit für die US-Wirtschaft. Hier eine Langzeitgrafik von Charlie Bello, die aufzeigt, wie lange US-Arbeiter an Kaufkraft verloren hatten. Wenn es da nicht die Helikopterschecks gegeben hätte (Daten vom Vormonat, im August setzte sich die Entwicklung fort):

Tweet Bilello Reales Lohnwachstum

Zu guter Letzt: Nicht zu vergessen der ISM-Einkaufsmagerindex für den Dienstleistungssektor, der mit 51,5 Punkten zum zweiten Mal in Folge gestiegen ist und damit schon 48 von 50 Monaten über der ominösen Wachstumsschwelle blieb. Ein wesentlicher Grund dafür, dass die USA in den letzten Jahren nicht in eine Rezession abgeglitten sind. Die US-Wirtschaft wird durch Dienstleistung dominiert.

Ergo: Die Entscheidung über eine Rezession ist weiter vertagt, in Richtung Wahltag wird es immer spannender.

Die Freitagsschlusskurse

Der Börsenmonat September begann schwach. Das durchschnittliche Monatsminus haben die Indizes schon in der ersten Woche weit übertroffen. Der S&P 500 erlebte in dieser Woche mit vier Verlusttagen die längste Abwärtsperiode seit April.

Statistisch, seit de 1950-er Jahren, betrug das durchschnittliche Minus beim S&P 500 und Nasdaq 100 nur 1,1 beziehungsweise 0,7 Prozent. Da ist man im September 2024 aber schon eine Stufe tiefer gelandet:

S&P 500, minus 4,25 Prozent – Nasdaq Composite, minus 5,77 Prozent.

Der Wochenschluss:

Dow Jones: minus 1,01 Prozent, 40.345 Punkte, Vorwoche 41.563 Punkte
S&P 500: minus 1,73 Prozent, 5408 Punkte, Vorwoche 5648 Punkte
Nasdaq Composite: minus 2,55 Prozent, 16.690 Punkte, Vorwoche 17.713 Punkte
Russell 2000: minus 1,91 Prozent, 2091 Punkte, Vorwoche 2217 Punkte
Dax 40: minus 1,5 Prozent, 18.301 Punkte, Vorwoche 18.907 Punkte (Xetra-Schluss)
Volatilitätsindex VIX: 22,26 Punkte, Vorwoche 14,88 Punkte
10-jährige US-Staatsanleihe: 3,721 Prozent, Vorwoche 3,917 Prozent
2-jährige US-Staatsanleihe: 3,669 Prozent, Vorwoche 3,921 Prozent

Inflation: Steigende Preise, gut oder schlecht für den US-Staat?

In letzter Zeit werden öfters wieder steigende Preise gemeldet, etwa bei den Einkaufsmanagerindizes für Service und Industrie, bei den Produzentenpreisen oder auch bei der Bekanntgabe der BIP-Zahlen. Im Verlauf zum Vormonat dürfte sich die Inflationsrate demzufolge weiter zäh auf die zwei Prozent zubewegen.

Aber konterkariert dies nicht die Politik der Federal Reserve für Stabilität zu sorgen, oder ist das sogar eine gewünschte Entwicklung? Letzteres ist aus finanztechnischen Gründen eindeutig zu bejahen. Die US-Regierung will auf keinen Fall zu deutlich sinkende Preise, denn dies hätte fatale Auswirkungen auf die Haushaltspolitik. Sinkende Preise würden die Margen der Unternehmen unter Druck setzen, aber gleichzeitig würde dies bedeuten, dass die (nominale) Wirtschaftsleistung sinkt und ein schwächeres BIP würde die Steuereinnahmen reduzieren. Sinkende Einnahmen würden aber für das Budget ein Problem darstellen, denn die USA machen 2024 nicht nur 7 Prozent neue Schulden, sondern es ist auch die Zinsbelastung bereits über 1100 Milliarden Dollar jährlich gestiegen. Ausgelöst durch eine insgesamt steigende Zinsbelastung durch die Refinanzierung von Altanleihen, die auslaufen. Es sind nicht weniger als 10 Billionen Dollar an Treasuries in den kommenden Quartalen.

Für Finanzministerin Janet Yellen ein Graus, sollte die Zinsbelastung weiter Richtung 1500 Milliarden Dollar steigen und gleichzeitig die Haushaltseinnahmen von 8 Billionen Dollar pro Jahr sinken.

Was immer wieder ausgeblendet wird: Die Unternehmen schlagen die höheren Preise auf die Produkte auf, und damit steigen automatisch Staatseinnahmen und das nominale BIP.

Dies gilt es zu berücksichtigen, übergeordnet, wenn man sich die Preisentwicklung der USA ansieht, denn eines ist eigentlich Allgemeingut: Was eine hoch verschuldete Nation am stärksten fürchtet, ist Deflation aufgrund der gerade beschriebenen Zusammenhänge.

Aber Inflation scheint aktuell kein Thema, laut Truflation. Mal sehen, was die CPI-Daten am kommenden Mittwoch davon halten:

S&P 500 und Truflation 3-Monatsdurchschnitt

Fazit

Wie stark wird der September-Blues oder anders gefragt, was könnte den S&P 500 und die Aktienmärkte im September noch weiter ausbremsen? Natürlich zunächst einmal die Aktienrückkäufe der Unternehmen, die sogenannten Buybacks. Jene fünf Milliarden Dollar, die täglich an die Märkte flossen und einen Großteil der Performance der letzten Jahre ausmachten. Am 5. September endete die Frist, an dem dies ungehindert möglich war. Nächste Woche dürften bereits 50 Prozent der Unternehmen keine Rückkäufe mehr tätigen und in zwei Wochen 80 Prozent. Das alles ausgerechnet in der Nähe des großen Hexensabbats, der im September besonders gefährlich ist, wenn die Wetten der Investoren auslaufen. Auch wenn die Saisonalität kein Gesetz darstellt, nicht umsonst ist der die zweite Monatshälfte die schwächste Periode im ganzen Jahr.

Und natürlich neueste Daten vom Arbeitsmarkt, hat Jerome Powell nicht schon gebetsmühlenartig seine „Data Driven“-Strategie erklärt. Was zählt, sind die Konjunkturdaten und nicht die unzähligen Kommentare von Fed-Mitgliedern, die sich im Monatsturnus immer wieder selbst widersprechen.

Die Märkte stehen in der Endphase des Zinsanhebungszyklus, die Nervosität ist groß, die Volatilität ebenso und die Liquidität gering. Ersichtlich an Kursausschlägen bei Nachrichten, die vor ein paar Wochen noch keinen Anleger hinter dem Herd hervorgeholt hätten.

Noch immer sind beide Szenarien für die US Konjunktur möglich: Soft oder Hard Landing, auch wenn die Rezessionssignale schon sehr dominieren. Im Fall 1 würde Jerome Powell als der neue Maestro der Finanzmärkte in die Geschichte eingehen, im Fall 2 als derjenige, der immer zu spät kommt – Mister „Behind the Curve“. Diese Unsicherheit sollte den September begleiten, geprägt vom neuen Schema – schlechte Nachrichten aus der Wirtschaft sind auch schlechte Nachrichten für die Börsen.

Aber die Freitagsschlusskurse machen aus technischen Gründen ganz schön Sorgen. Wenn nicht unmittelbar ein Rebound erfolgt, könnte es ganz rasch die jahresübliche 10 Prozent Korrektur beim S&P 500 geben. An der wir am Anfang August noch so vorbeigeschrammt sind. Es wurde schon sehr viel charttechnisches Porzellan zerdeppert.



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1 Kommentar

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Die Märkte werden versuchen durch Kursabschläge eine vorzeitige Intervention der FED zu erzwingen….

    So nach dem Motto: Hat doch bisher immer geklappt!

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