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ICIS-Prognose für 2024 Stromimporte sollen wegen Kohle-Abschaltungen massiv ansteigen

Die deutschen Netto-Stromimporte sollen sich in 2024 mehr als verdreifachen wegen anstehender Abschaltung von Kohlekraftwerken.

Stromnetze
Foto: Ihor Bondarenko - Freepik.com

Im Jahr 2022 exportierte Deutschland netto 26,9 Terawattstunden Strom ins europäische Ausland. In 2023 wurde Deutschland zu Netto-Stromimporteur mit 11,7 Terawattstunden (hier die jüngsten Daten von der Bundesnetzagentur). Seit der Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke ist der Bedarf an Strom aus dem Ausland gestiegen. Die Stromimporte stiegen von 2022 auf 2023 bereits um 63 %. Aktuelle Expertenaussagen legen nahe, dass die deutschen Netto-Stromimporte in diesem Jahr massiv ansteigen sollen.

Drastisch steigende Stromimporte – dank Kohleabschaltung

Wie der Analysedienst ICIS meldet, soll sich die deutschen Stromimporte in 2024 im Vergleich zu 2023 mehr als verdreifachen von 11,7 Terawattstunden auf 38 Terawattstunden Netto-Import. Gleichzeitig soll der Exportüberschuss der französischen Stromproduzenten (Atomstrom) von 50,3 auf 54,6 Terawattstunden steigen. Dazu schreibt der ICIS-Experte Andreas Schröder: Grenzüberschreitender Stromhandel in Europa: Atomkraft erholt sich, machte Frankreich 2023 zum Nettoexporteur, das Land kehrt zu seiner traditionellen Rolle als EU-Powerhouse zurück. Deutschland wurde 2023 zum Nettoimporteur, zum ersten Mal seit vielen Jahren. ICIS geht davon aus, dass die deutschen Importe 2024 aufgrund von Kohle-Abschaltungen steigen werden.

Alles eine Frage der Perspektive?

Die einen sagen wohl: Die nun stark steigenden Stromimporte machen gerade ein Industrieland wie Deutschland abhängig von ausländischer Stromproduktion. Das kann problematisch sein, vor allem wenn es im Ausland zu Energieknappheit oder dortiger hoher Stromnachfrage kommt. Ein Hochindustrieland wie Deutschland sollte für seine Grundlast in der Lage sein, genug eigenen Strom zu produzieren.

Man kann aber auch sagen: Im Sinne des Klimaschutzes schalten wir nun auch immer mehr Kohlekraftwerke ab, und holen uns möglichst viel saubere Energie aus dem Ausland, zum Beispiel aus Skandinavien. Egal, ob wir hierzulande dann richtig abhängig sind von ausländischen Produzenten. Im letzten Jahr gab es beispielsweise große Stromimporte aus Dänemark und Norwegen, aber auch aus Frankreich (Atomstrom), Schweiz, Niederlande, Polen, Tschechien etc (hier alle Details). Wenn man kein Problem hat, sich von ausländischen Stromproduzenten abhängig zu machen, und wenn man kein Problem hat, dass Stromimporte eben auch aus Kohlekraftwerken und Kernkraftwerken stammen, dann kann man es feiern, dass hierzulande jetzt auch Kohlekraftwerke runtergefahren werden. Aber es ist dann eher eine Art Scheinerfolg, wenn man deutschen Kohlestrom durch polnischen ersetzt, oder deutschen Atomstrom durch französischen.

Gas schließt Lücke für Grundlast?

Obwohl gerade Gas doch ein kritisches Thema ist nach der Trennung vom wichtigsten Lieferanten Russland, will man weg von der richtig schmutzigen Kohle, und hin zum etwas weniger schmutzigen Gas für die Grundlast im deutschen Stromnetz? Also ist man sich klar, dass auch deutlich höhere Stromimporte keine perfekte Lösung sind, wenn der Wind in Deutschland nicht weht und die Sonne nicht scheint? Jüngst sagten Experten gegenüber dem Handelsblatt, dass es offenbar eine 60 Milliarden Euro Finanzierungslücke gibt beim eigentlich notwendigen Aufbau von Gaskraftwerken, die mögliche Lücken schließen sollen, wenn Erneuerbare nicht genug Strom erzeugen.



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16 Kommentare

  1. Stromimporte aus benachbarten Ländern und aus erneuerbaren schlecht, Öl aus dubiosen Staaten gut?
    was für eine Doppelmoral

  2. Ich frage mich, ob die Übergabestellen an den Grenzen dafür ausgelegt sind um Deutschland mit genug Strom zu versorgen. Sie sind eigentlich nur dafür gedacht, bei Krafrweksausfällen einzuspringen, und nicht geplant ein Land mit Strom zu versorgen, weil es seine Kraftwerke geplant abschaltet.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    1. Tja, @Helmut, wenn man seine Zeit nicht mit Doomsday-Propheten, wie Krall, vergeuden wuerden, deren Geschaeftsmodell es ist, mit Untergangsphantasien den kleinen ottonormas das Geld aus den Taschen zu ziehen, sondern sich mit ernsthafter Literatur auseinandersetzen wuerde, wuesste man, dass sich die EU seit einem Jahrzehnt genau auf dieses Szenario vorbereitet.

      Das ist naemlich der Unterschied zwischen ernsthafter Politik und Populisten, wie Soeder, der sich vor 11 Jahre hinstellte und mit dem Ruecktritt drohte, sollten die AKW’s nicht abgeschaltet werden, aber dann „vergisst“ Stromleitungen und alternative Energietraeger zu bauen.

      Von den blauen mal ganz zu schweigen, die sich scheinheiligerweise auf die Seite der Bauern stellen und dabei verschweigen, dass sie selbst der Bundesregierung vorgeschlagen haben, die Subventionen auf Agrardiesel abzuschaffen.

      1. Ja Horst Schlemmer, dann sollten Sie hier als Wissender doch mal schreiben, wieviel GW die Übergabestationen zusammen hergeben.
        Ich meine dann, wenn nicht die anderen Länder darauf hoffen, von Deutschland (so wie in den letzten Jahren) mit Strom beliefert zu werden, und Deutschland nun von diesen Ländern Strom benötigt.
        Ich bin mit den Vorhersagen von Dr. Krall optimal gefahren.
        Ansonsten kann ich hier von Andalusien aus ganz entspannt zusehen, was sich da in Deutschland abspielt.
        Derweil liegen meine Unzen in einem dunklen Schließfach und bekommen Junge.
        Und alles, ohne das ich dafür CO2 aufstoße, andere Menschen für mich arbeiten müssen, oder irgendwelche Rohstoffe verbraucht werden.
        Ich meine natürlich nur die Zeit, in der mein Gold im Schließfach liegt und sich im Wert steuerfrei mehr als versechsfacht hat.

        Viele Grüße aus Andalusien Helmut

        1. @helmut, gerne helfe ich ihnen: https://giybf.com/

        2. AAlso Jahre lang hat Deutschland Strom Exportiert, Frankreich Dänemark wir exportieren nach Frankreich Schweiz… Es ist kein Problem das Europäische Verbundnetz funktioniert seit Jahren so. Wichtig ist das Bayern entlich auch was tun um Energie durch Europa zu bringen.

    2. Es werden doch in ganz Europa HGÜ-Trassen (bzw. weltweit) gebaut. Sie ist hocheffizient für die Übertragung großer Strommengen über große Entfernungen. Wann wurden denn die Übergabestellen nur für die Sicherung gegen Ausfälle genutzt? Sind Sie noch up-to-date?

    3. @Helmut, bevor wir loslegen, erst einmal noch ein gutes und gesundes Neues Jahr 2024!

      Die Rede ist von 38 TWh Netto-Import, was aber erst einmal nur wieder eine Zukunftsvision und wilde Schätzung von irgendwelchen Analyse“experten“ ist. Die wirklich interessante Frage ist aber eher, wird DE mehr importieren oder einfach nur weniger exportieren, um auf diese Netto-Bilanz zu kommen?
      Denn wenn sich nur die Exporte verringern, bleibt die maximale Last an den Übergabepunkten ohnehin unverändert.

      Unabhängig davon, die Zahlen 2023 bei Import waren 69,3 TWh, bei Export 57,6 TWh.
      Ihre Frage nach den Grenzkuppelstellen ist ja technisch unabhängig von der Richtung. Also muss der höchste Wert betrachtet werden, den diese zu leisten imstande sind.
      2023 waren es wie gesagt 69,3 TWh.
      2022 waren es 76,1 TWh.
      2018 sogar 95,7 TWh, 2017 96,9 TWh, 2015 97,4 TWh

      Wenn es also bereits vor 9 Jahren möglich war, über 40 % mehr elektrische Leistung problemlos zu transportieren, sollte es doch auch dieses Jahr dank eines fortlaufenden, progressiven Übertragungsnetzausbaus erst recht möglich sein.
      Das viel größere Problem sind ohnehin kurzfristige saisonale Schwankungen und Lasten, und hier natürlich kalte Winterphasen, und hier natürlich speziell Frankreich. Egal, wie viel und wie zuverlässig die Kernkraftwerke in der letzten Dekade dort auch liefen, so gut wie jeden Winter mussten die mit Abstand größten Netz-Belastungen des Jahres innerhalb relativ kurzer Zeit von DE nach FR überwunden werden. Das zeigen schon alleine wieder die beiden letzten Tage, seit es mal etwas kälter wurde.

      Ich befürchte also, Ihre apokalyptischen Blackoutfantasien werden sich noch etwas gedulden müssen. Der ultimative Showdown im großen Kino zögert sich hinaus. Auch 2024 wird ein langweiliger Cliffhanger werden, wie auch 2023 und 2022 und 2021 und 2020 und 2019 und 2018 und…

      Viele Grüße an unseren gemeinsamen Freund @ottonorma, der Sie sicher bald mal wieder zum gleichzeitigen Skifahren und Strandbaden in Andalusien besuchen kommt. In Anlehnung an kulinarische Dekadenz ein sportliches Surf and Surf sozusagen 😃

  3. Stromimporte aus EU-Ländern, davon ein großer Anteil regenerativ erzeugt, wo ist das Problem?
    Sicher können wir mit Kohlestrom oder mehr Strom aus Gaskraftwerken die Lücken füllen, die die Renewables übrig lassen.
    Dann müssen wir allerdings Steinkohle und Gas überwiegend aus nicht EU-Ländern importieren.
    An dieser Stelle hilft übrigens auch die Kernkraft nicht weiter, da wir die entsprechenden Brennstäbe auch importieren müssten.
    Da kann man dann ja mal abwägen, welche Abhängigkeiten problematischer sind, ganz abgesehen von der Notwendigkeit, klimaneutral zu werden.

  4. Ein rein marktwirtschaftlicher Blick auf den hiesigen Strompreis zeigt es und ist
    absolut nicht wegzudiskutieren.Energie ist und bleibt auch in den nächsten Jahren teuer.
    Wenn ich hier etwas produzieren will ,muß ich einen mehrfachen Preis zahlen.
    Ich kann kaum einen globalen Marktpreis anbieten.Manche würden behaupten,die neue
    Klima-Agenda will keine Produktion.Produktion sei Ressoucen Verschwendung.
    Erträge aus der CO2 Steuer als Rückführung für den privaten Verbraucher ?
    Erklären Sie das einmal einem amerikanischen Investor oder unser Bundesregierung.
    Einmal Steuer immer Steuer – siehe Sektsteuer oder „Solidaritätsbeitrag (ist so etwas keine Steuer ?)

    1. @franco33

      Sind Sie so reich bzw. verdienen Sie soviel, dass Sie noch immer den Soli entrichten müssen?
      Dann bedauere ich Sie wirklich sehr 😮

  5. Worüber wird hier diskutiert, als wären es bedrohliche Anteile am Strombedarf? Es sind ca. 2,5%, wo ist das Problem innerhalb eines europäischen Stromverbundes?

  6. „Ein Hochindustrieland wie Deutschland sollte für seine Grundlast in der Lage sein, genug eigenen Strom zu produzieren“.
    wow, sehr gut recherchiert. Deutschland hat mehr gesicherte Kraftwerkleistung (= Grundlastfähige Energieerzeugung, sprich ohne Wind und Sonne) als Spitzenlasten.
    der Grund warum wir mehr importieren als exportieren ist eine Frage des Preises. ist stark subventionierter französischer Atomstrom oder Windenergie aus Dänemark etc derzeit billiger als die eigenen Kohlekraftwerke aufzuheizen wird das natürlich bevorzugt. die FDP würde sagen „das regelt der Markt“- und so wird das hier auch gehandhabt.

  7. Leider wird auch in diesem Artikel vieles durcheinander geworfen. Die Gaskraftwerke werden nicht für die Grumdlast gebraucht, sondern als Back-Up für die Spitzenlast. Da die Errichtung für diesen Zweck wirtschaftlich höchst riskant ist (wegen der nicht prognostizierbaren Betriebszeit) sollen monetäre Anreize geschaffen werden. Möglicherweise ist aber sinnvoller, die bestehenden fossilen Kraftwerke in die Reserve überzuführen, als neue CO2 ärmere Gaskraftwerke zu bauen. Erst wenn eine Überproduktion von „günstigen“ Wasserstoff in ferner Zukunft möglich ist, machen modere Gaskraftwerke meiner Meinung nach Sinn. Übrigens unterliegen Kohlekraftwerke in Polen den gleichen Spielregeln beim CO2-Preis, damit ist ein Ersatz deutschen Kohlestroms durch polnischen per se unwirtschaftlich.

  8. Deutschland importiert Strom, wenn dies günstiger ist als den Strom in Deutschland herzustellen. In einem gut vernetzten europäischen Strommarkt macht das sehr wohl Sinn. Frankreich hat übrigens in den Wintermonaten Strom aus Deutschland importiert.

  9. ???? Und warum ist diese ganze Debatte wichtig ???

    Aus Klimagründen sicher nicht ,also nur aus Kostengründen.

    Und mir fällt nur eine Änderung ein, der mehrfache Preis für USA LNG-Gas ,als das günstigere Pipelinegas
    mit Langzeitverträgen. So und das ist für die Heizungsversorgung da,nur teilweise für den Strom.

    Da wird aber nix mehr passieren,deswegen sollen ja Stromheizungen in die Häuser.

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