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Trotz Fracking: USA auch weiterhin mit stabilem Handelsbilanzdefizit

Von Claudio Kummerfeld

Obwohl die USA inzwischen mehr Öl fördern als Saudi-Arabien (Fracking), „produziert“ man immer noch ein „stabiles“ Handelsbilanzdefizit. Das bedeutet die USA importieren mehr als sie exportieren; nach allen Verrechnungen fließt also unterm Strich jeden Monat und jedes Jahr real Geld aus den USA ab um die Netto-Importe zu bezahlen. Bisher kauften die USA ihr Öl zu großen Teilen im Ausland, d.h. ein massiver Geldfluss verließ das Land. Dieser Geldabfluss fällt komplett weg, weil man sich mit Fracking autark von ausländischem Öl gemacht hat. Das Geld verbleibt im Inland. Und trotz dieses positiven Effekts ist das Handelsbilanzdefizit der USA nach wie vor negativ. Das ist ein Anzeichen für ein massives strukturelles Problem der amerikanischen Volkswirtschaft. Die einheimische Wirtschaft produziert nicht genug Waren und/oder nicht genug qualitativ hochwertige Waren, die auf dem Weltmarkt nachgefragt werden. Zu wenig frisches Geld kommt ins Land; im Gegenteil, der Geldfluss geht konstant Richtung Ausland. Alle Volkswirtschaften mit diesem grundlegenden Problem leiden früher oder später an zunehmender Verarmung weiter Bevölkerungsteile. Diese Tatsache ist seit mehreren Jahrzehnten in Großbritannien ein bekanntes Phänomen, wo man die Industrie abschaffte und glaubte 60 Millionen Bürger mit den Steuereinnahmen der Finanz-„Automaten“ in der Londoner City ernähren zu können.

Bis Mitte der 90er Jahre gab es in den USA kein Handelsbilanzdefizit. Ein- und Ausfuhren hielten sich die Waage. Seitdem geht es rasant abwärts und die Importe überwiegen immer mehr die Exporte. Die Lücke finanzieren kann eine Volkswirtschaft (wie die USA es tun) über ständig neue Emissionen von Staatsanleihen – man saugt sozusagen Geld aus dem Ausland ab. Damit wird z.B. der gigantische Verteidigungshaushalt finanziert, dessen Budget zum guten Teil die Jobs der heimischen Rüstungsindustrie am Leben hält – das nur mal als ein Beispiel. Laut offizieller Statistik des U.S. Department of Commerce (Bureau of Economic Analysis) vom 07.01.2015 belief sich das US-Handelsbilanzdefizit („goods and services deficit“) im November 2014 (aktuellster Monat) auf sagenhafte 39 Milliarden US-Dollar. Exporte im Volumen von 196,4 Milliarden standen Importen von 235,4 Milliarden US-Dollar gegenüber. Bei der Größenordnung ist die Differenz von 39 Milliarden eine „stolze“ Zahl. Interessant auch: Das Defizit bei den (nach unserer Meinung wichtigeren) Waren lag sogar noch höher, nämlich bei 58,3 Milliarden – dem gegenüber steht das Plus von 19,3 Milliarden bei Dienstleistungen, woraus das 39 Milliarden Netto-Defizit entsteht. Im Vergleich zum November 2013 stieg das Defizit um 22,3 Milliarden US-Dollar an. Diese Zahlen rauschen in den monatlichen Konjunkturdaten-Meldungen einfach so durch. Jeder Börsianer nimmt sie 5 Sekunden zur Kenntnis, aber scheint sich wohl keine Gedanken mehr zu machen, was das realwirtschaftlich bedeutet. Grund hierfür: der Gewöhnungseffekt. Jeden Monat, jahrelang, immer wieder nur Defizite – irgendwann hört man gar nicht mehr richtig hin.

Also kann man ( legt man die aktuelle Zahl zugrunde), wenn man nett aufrundet, auf ca. 500 Milliarden US-Dollar Defizit pro Jahr kommen. Um das Jahr 2008 herum lag das Defizit bei 800 Milliarden US-Dollar p.a. – die „Erholung“ der letzten 6 Jahre ist größtenteils auf die inländische Ölproduktion und den kleiner werdenden Geldabfluss ins Ausland für Ölimporte zurückzuführen. Jetzt kann man sehr gut sehen, wie das tatsächliche Ungleichgewicht ohne Öl aussieht – immer noch immens groß.

So, jetzt aber genug mit der Zahlenkunde. Was ist das Fazit der Geschichte? Ganz einfach: Gesund ist das nicht!



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