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Warum die Welt ungemütlicher wird Nicht nur USA und China: Handelskrieg voraus – Dilemma der Überkapazitäten

De-Risking, De-Coupling und Streben nach wirtschaftlicher Autonomie

Handelskrieg USA China

In naher Zukunft könnten sich die Spannungen auf der globalen Handelsbühne intensivieren durch neue Handelskriege, diesmal nicht nur zwischen USA und China. Getrieben von De-Risking, De-Coupling und dem Bestreben nach wirtschaftlicher Autonomie durch Nationen wie China und Indien könnten sich Überkapazitäten in verschiedenen Sektoren abzeichnen. Diese Entwicklung wirft nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Herausforderungen auf.

Handelskriege entfesselt: Die Trump-China Saga

Am 24. Juli 2018 twitterte der damalige Präsident der USA: „Zölle sind das Größte! Entweder handelt ein Land, das die Vereinigten Staaten im Handel unfair behandelt hat, ein faires Abkommen aus, oder es wird mit Zöllen belegt. So einfach ist das – und alle reden darüber!“

Damit begann er seinen Handelskrieg mit China, indem er Zölle auf chinesische Waren im Wert von 34 Milliarden US-Dollar (31 Milliarden Euro) verhängte, die er später auf weitere Produkte im Wert von 250 Milliarden US-Dollar (239 Milliarden Euro) ausweitete. Trump machte damit sein Versprechen wahr, „die USA nicht weiter ausrauben zu lassen“, das Handelsdefizit zu verringern und Arbeitsplätze zurück in die USA zu holen.

China konterte mit Zöllen, vor allem auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, die für Trumps Wählerbasis wichtig waren, z.B. auf Sojabohnen, die größte US-Agrarexportware nach China, was zu einem starken Rückgang der US-Sojabohnenexporte nach China und zu einem Anstieg der chinesischen Importe aus anderen Ländern wie Brasilien führte. Zudem wertete China seine Währung ab, um seine Exporte zu vergünstigen.

Damit erwies sich Trumps Handelskrieg mit China als wenig erfolgreich, um seine Ziele zu erreichen. Anstatt das Handelsdefizit zu verringern, stieg es sogar von 275 Milliarden US-Dollar (259 Milliarden Euro) im Jahr 2017 auf 859 Milliarden US-Dollar (784 Milliarden Euro) in 2021. Das Defizit gegenüber China verringerte sich gerade einmal um 20 Milliarden US-Dollar (18,24 Milliarden Euro) oder etwas mehr als 5 Prozent. Anstatt Arbeitsplätze zurück in die USA zu verlagern, gingen vor allem in der Landwirtschaft, der Industrie und der Technologie 245.000 Arbeitsplätze verloren und reduzierten das BIP um 0,7Prozent.

Anstatt die USA vor dem Diebstahl geistigen Eigentums zu schützen, verstärkte China seine Bemühungen um technologische Innovation und Autarkie. Die Schäden durch den Diebstahl geistigen Eigentums kosten die USA jährlich bis zu 600 Milliarden US-Dollar (548 Milliarden Euro). Die Biden-Administration setzt die gegen China gerichtete Politik durchaus fort, wobei sie mit dem Inflation Reduction Act (IRA) vor allem auf Energiesicherheit und Zukunftstechnologien wie Halbleiter oder Elektromobilität inklusive der gesamten Wertschöpfungskette setzt. China auf der anderen Seite verstärkt ebenfalls seine Anstrengungen, seine Autarkie in allen Bereichen von Lebensmitteln auszubauen. Xi Jinping hat ein umfassendes Konzept der nationalen Sicherheit entwickelt, das von Politik, Militär und Wirtschaft bis hin zu Biologie, Technologie und Weltraum nahezu alle Aspekte abdeckt. Xi will damit die Stabilität der kommunistischen Herrschaft sichern und Chinas Rolle als globale Führungsmacht stärken.

Globale Umstrukturierung: De-Coupling und neue Produktionskapazitäten

Der Versuch der USA des wirtschaftlichen De-Coupling von China, hat zu einer Verlagerung der Handelsströme geführt. Viele US-Unternehmen verlagern ihre Produktion aus China in andere Länder,6 wie Vietnam oder die Philippinen. Südkorea und Mexiko sind hierfür beispielhafte Entwicklungen: Die USA sind nun für südkoreanische Unternehmen das wichtigste Exportziel, während chinesische Unternehmen Mexiko als Zwischenstation nutzen, um ihre Produkte trotz der Handelsbarrieren in die USA zu verkaufen. Dieser Trend könnte sich in Zukunft fortsetzen, da die USA ihre Lieferketten diversifizieren und näher an ihren Heimatmarkt bringen wollen.

In Europa steht mehr die Erfahrung der Corona-Pandemie und des russischen Überfalls auf die Ukraine im Vordergrund, um ein „De-Risking“ zu betreiben. Im ersten Fall musste Europa schmerzlich feststellen, dass praktisch keine medizinischen Güter, wie Masken, Handschuhe oder Schutzanzüge zur Verfügung standen, im Zweiten zeigte Russland die Verletzlichkeit der europäischen Staaten auf, indem Präsident Putin von einem Tag auf den anderen die Gasversorgung abstellte. Im Zuge des De-Risking versucht jetzt Europa, mehr kritische Produkte selber herzustellen, wie mit dem Aufbau einer europäische Gesundheitsunion, die unter anderem strategische Reserven an Medikamenten und medizinischer Ausrüstung aufbauen soll, und die Energieversorgung, insbesondere die Stromproduktion unabhängig von äußeren Partnern gestalten will.

Indien will von der Dreiecksbeziehung zwischen USA, Europa und China profitieren und sich als Alternative zu China positionieren. Der Subkontinent strebt nach einer ähnlichen Entwicklung wie sein nördlicher Erzfeind. Trotz der Corona-Pandemie wächst Indiens Wirtschaft stark, vor allem in der IT- und Pharmabranche, die auch deutsche Firmen anlockt. Indien hat eine große und junge Bevölkerung, die Markt und Arbeitskraft bietet. Modi will Indien zu einem globalen Produktionshub machen, der Qualität und Preis vereint. Dafür fördert er ausländische Investitionen, Innovationen und lokale Fertigung.

Derzeit entstehen weltweit neue Produktionskapazitäten, um die steigende Nachfrage nach verschiedenen Gütern zu befriedigen und die Abhängigkeit von einzelnen Ländern oder Regionen zu verringern. Ein Bereich, in dem dieser Trend besonders deutlich wird, ist der Halbleitersektor, der für viele Industrien und Anwendungen wichtig ist. Allein dieses Jahr sollen die Produktionskapazitäten um 8,7 Prozent steigern, was deutlich über dem Durchschnitt der letzten Jahre liegt. Weitere Beispiele für den Aufbau von Produktionskapazitäten weltweit sind der Bioplastiksektor, der bis 2025 auf 3,2 Millionen Tonnen anwachsen soll, und der Batteriesektor, der bis 2025 auf 18 Terawattstunden vervierfachen soll.

China und sein Dilemma: Wirtschaftlicher Abschwung und politischer Druck

Während Indien und andere Länder von der globalen Nachfrage nach ihren Produkten profitieren, sieht sich China mit einem langsameren Wachstum konfrontiert. Indien wird voraussichtlich im Jahr 2023 eine Steigerung seiner Wirtschaftsleistung um 6,3 Prozent verzeichnen. Für das Jahr 2024 prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) ein weiteres Wachstum von 6,29 Prozent. Im Gegensatz dazu wird Chinas Wirtschaft im Jahr 2024 voraussichtlich nur noch um 4,6 Prozent wachsen, nachdem sie im Jahr voraussichtlich 2023 um etwas über 5,2 Prozent gestiegen ist. Dies würde eine der niedrigsten Wachstumsraten der letzten Jahrzehnte für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt bedeuten.

Wie abhängig China derzeit vom Export abhängig ist, machen folgenden Zahlen deutlich: Global betrachtet repräsentiert die Fertigungsindustrie laut Daten der Weltbank 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eines Landes und hat sich im Laufe dieses Jahrhunderts zwischen 13 Prozent und 17 Prozent bewegt. In China machte der verarbeitende Sektor 2023 hingegen 27.5 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus. In dem Jahrzehnt von 2010 bis 2020 war der Anteil des verarbeitenden Gewerbes 32 Prozent auf 26.3 Prozent gesunken. Während Chinas Anteil am weltweiten BIP 18 Prozent ausmacht, stellt China 31 Prozent der globalen Waren her.

Der nachlassende Wohnungsbau, der lange Zeit ein wichtiger Treiber des chinesischen Wachstums war, in den letzten Jahren stark nachgelassen. Das hat zu einer Umschichtung der Investitionen im Immobiliensektor in die Fertigung verlagert. Dabei hat China vor allem in Bereiche wie Halbleiter, Biotechnologie, künstliche Intelligenz und erneuerbare Energien investiert. Die Investitionen sind von 4.15 Billionen US-Dollar (3.8 Billionen Euro) im Jahr 2021 auf 4,41 Billionen US-Dollar (4.1 Billionen Euro) im Jahr 2023 gestiegen, ein Anstieg von 6,3 Prozent.

Die Regierung hat vergeblich versucht, den Konsum anzukurbeln, was verschiedene Ursachen hat. Der Zusammenbruch des Immobiliensektors zu einem Verlust des Wohlstandes geführt, der zu einem großen Teil in Wohnungen gespeichert ist. Etwa 70 Prozent des chinesischen Vermögens ist in Wohnimmobilien angelegt,die im Jahr 2023 um 16,5 Prozent an Wert verloren haben. Zudem hat die Wirtschaftskrise die Menschen vorsichtiger werden lassen, da es schwieriger wird, einen adäquaten neuen Job zu finden, sollte der alte verloren gehen. Die Arbeitslosenquote stieg im Jahr 2023 auf 5,4 Prozent, während die Lohnwachstumsrate auf 3,8 Prozent fiel. Und schließlich hat die “Zero-Covid”-Politik zu einem allgemeinen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Regierung geführt. Der chinesische Anteil am weltweiten Konsum beträgt gerade einmal 13 Prozent.

Zurzeit spricht wenig dafür, dass sich die Trends in China in den nächsten Jahren ändern werden. Vor allem die Immobilienkrise mit ihrem hohen Potenzial, den chinesischen Wohlstand zu vernichten, macht es unwahrscheinlich, dass sich der Konsum in den kommenden Jahren erholen oder gar verstärken wird. Für die chinesische Führung ist jedoch eine politische Notwendigkeit, weiterhin für hohe Wachstumsraten zu sorgen. Daher wird auch der zweite Trend, in Produktionskapazitäten zu investieren, anhalten.

Beispiel Stahl: Überkapazitäten, Handelskonflikte und politische Interventionen

Die Frage ist, wer die neuen Produktionskapazitäten, die weltweit aufgebaut werden, abnehmen wird. Denn wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, kommt es zu Überkapazitäten, die zu sinkenden Preisen, geringeren Gewinnen und schließlich zu einem Rückgang der Investitionen führen können. Dies könnte die globale Wirtschaft in eine Abwärtsspirale stürzen, die schwer zu stoppen wäre.

Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass solche Überkapazitäten oft zu Handelskonflikten und Protektionismus führen, die die Situation noch verschlimmern. Ein Beispiel dafür ist der Stahlsektor, der seit Jahren unter Überkapazitäten leidet und von Handelsstreitigkeiten geprägt ist.
Der Stahlsektor ist einer der wichtigsten Industriezweige der Welt, der für viele andere Branchen und Anwendungen unverzichtbar ist. Allerdings hat der Sektor seit langem mit Überkapazitäten zu kämpfen, die vor allem auf die massive Ausweitung der chinesischen Stahlproduktion zurückzuführen sind. China ist der größte Stahlproduzent und -verbraucher der Welt, aber seine Produktion übersteigt bei weitem seinen Bedarf. Im Jahr 2020 produzierte China 1,05 Milliarden Tonnen Stahl, was 56,5 Prozent der globalen Produktion entspricht. Im Vergleich dazu verbrauchte China nur 940 Millionen Tonnen Stahl, was 51,9 Prozent des globalen Verbrauchs entspricht. Der Überschuss von 110 Millionen Tonnen wurde zum Teil exportiert, was zu einem Preisdruck auf dem Weltmarkt führte.

Die chinesische Stahlindustrie wird von staatlichen Subventionen, günstigen Krediten, Steuererleichterungen und anderen Interventionen gestützt, die es ihr ermöglichen, trotz geringer oder negativer Gewinnmargen weiter zu produzieren. Diese Praktiken verzerren den Wettbewerb und schaden den Stahlproduzenten in anderen Ländern, die höheren Kosten und strengeren Umwelt- und Sozialstandards unterliegen. Viele Länder haben daher Schutzmaßnahmen wie Antidumping- und Ausgleichszölle, Schutzklauseln und Quoten gegen chinesischen Stahl ergriffen, um ihre heimischen Industrien zu verteidigen. Dies hat zu einer Eskalation der Handelskonflikte und Spannungen geführt, die die multilaterale Handelsordnung untergraben.

Kollisionskurs der Handelsriesen voraus

Die globale Politik steht vor einem Dilemma: Wie kann sie die wachsenden Produktionskapazitäten, die in verschiedenen Sektoren entstehen, mit der tatsächlichen und potenziellen Nachfrage in Einklang bringen? Eine rein rationale-wirtschaftliche Betrachtungsweise würde eine internationale Zusammenarbeit und Koordination erfordern, um die Überkapazitäten abzubauen und die Marktverzerrungen zu beseitigen. Doch diese Option ist mit den politischen Erwägungen, die sich aus dem Streben nach Unabhängigkeit, Sicherheit und dem Wunsch nach wirtschaftlicher Entwicklung und damit Wohlstand ergeben, unvereinbar. Wenn es nicht gelingt, einen Kompromiss zu finden, der sowohl die wirtschaftlichen als auch die politischen Interessen berücksichtigt, droht eine Eskalation des Handelskrieges zwischen den großen Akteuren, vor allem China, den USA und Europa. Denn Handelskriege kennen wie alle Kriege keine Gewinner, sondern nur Verlierer. Und diese Verlierer sind nicht beschränkt auf die Kriegsparteien und die jeweiligen Kombattanten, sondern die gesamte Welt. Denn ein Handelskrieg würde das Wachstum dämpfen, die Innovation hemmen und die globalen Herausforderungen wie den Klimawandel, die Armut und die Pandemien verschärfen.



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2 Kommentare

  1. Nicht Russland hat Sanktionen und einen Gaslieferstopp gegen Deutschland verfügt sondern genau das Gegenteil.

    1. @Kebch
      Am 31. August 2022 lieferte Russland letztmalig Gas nach Deutschland.
      Russland hat den Lieferstopp verhängt, nicht Deutschland.

      https://www.rnd.de/wirtschaft/gestoppte-gaslieferungen-aus-russland-ein-jahr-ohne-nord-stream-gas-3CFMQE5U25I37IVX2PNSTLNUVI.html

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