Allgemein

Eine tickende Zeitbombe tickt lauter USA: Gestiegene Kapitalmarkt-Zinsen – wann kommt das Kredit-Ereignis?

WASHINGTON, DC - JULY 28: U.S. Treasury Secretary Janet Yellen delivers remarks during a meeting of the Financial Stability Oversight Council at the U.S. Treasury on July 28, 2023 in Washington, DC. The council met to deliver an update on the Council’s Climate-related Financial Risk Committee and spoke on the transition from LIBOR. (Photo by Kevin Dietsch/Getty Images)
WASHINGTON, DC - JULY 28: U.S. Treasury Secretary Janet Yellen delivers remarks during a meeting of the Financial Stability Oversight Council at the U.S. Treasury on July 28, 2023 in Washington, DC. The council met to deliver an update on the Council’s Climate-related Financial Risk Committee and spoke on the transition from LIBOR. (Photo by Kevin Dietsch/Getty Images)

Wie ein Ritt auf der Rasierklinge mutet derzeit der steile Anstieg der langlaufenden Staats-Anleihen der USA an: in nur wenigen Tagen stiegen die Kapitalmarkt-Zinsen drastisch. Es ist daher wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein Kredit-Ereignis eintritt!

USA: Schnell gestiegene Kapitalmarkt-Zinsen

Auch wenn der US-Notenbank die Verschärfung der finanziellen Konditionen über die allgegenwärtige Benchmark (10-jährige Staatsanleihen der USA) nicht ungelegen kommt: es ist die Geschwindigkeit des Anstiegs bei den Kapitalmarkt-Zinsen, die große Gefahren birgt. Auch wenn der mit 33,4 Billionen Dollar verschuldete US-Staat den Zinsanstieg noch eine Weile verkraften kann – aber was ist mit den Geldinstituten, den Pensionskassen, den Versicherern, die alle noch alte Anleihen in ihren Portfolios haben, die bei diesem steilen Renditeanstieg rasant an Wert verlieren? Oder den stark verschuldeten Unternehmen, die unmittelbar von einer Refinanzierung betroffen sind?

Werden da nicht Erinnerungen an die Bankenkrise im März wach, als der Zins der 10-jähringen Staatsanleihe der USA auf 4 Prozent gestiegen war? Und jetzt schossen die Renditen in nur wenigen Tagen über die Schmerzschwelle von 4,5 Prozent hinaus, rasch in Richtung 5 Prozent. Und das in ganz kurzer Zeit. Die Fed sitzt jetzt damit ziemlich in der Patsche, denn einerseits kommt ihr der Zinsanstieg in punkto Verschärfung der Kreditkonditionen nicht ungelegen, anderseits ist sie für die Finanzstabilität mitverantwortlich. Was aber sind die Ursachen für diese rasche Explosion der Zinsen am langen Ende? Eine kleine Spurensuche.

Ursache Nummer 1: Die US-Schuldenlawine

Ein Preis wird durch das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bestimmt, dies muss auch das Finanzministerium der USA derzeit erfahren.

Die aktuelle Regierung braucht nicht nur sehr viel Kapital am Anleihemarkt durch die Programme der Biden-Regierung (Infrastructure, CHIPs Act, Inflation Reduction Act). Vielmehr muss Janet Yellen auch wieder ihre Kassen füllen, die sich beim ewiglangen Streit um die Schuldenobergrenze im Frühjahr/Sommer total geleert hatten.

Wie schon im Juli gemeldet: der US-Staat musste im dritten Quartal 1,007 Billionen Dollar an Anleihen emittieren, um handlungsfähig zu bleiben. Ursprünglich war man im Mai von 274 Milliarden Dollar ausgegangen. Dies war die höchste Summe in einem Quartal, getoppt nur von der Krise im zweiten Quartal 2020, als man wegen des weltweiten Lockdowns infolge Corona sagenhafte drei Billionen Dollar auf den Markt brachte.

Jetzt explodiert das Haushaltsdefizit in Richtung acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts, da auch die Steuereinnahmen gesunken sind und zudem braucht der Staat auch im vierten Quartal neue Anleiheemissionen in Höhe von über 850 Milliarden Dollar.

Hinzu kommt das Problem der Probleme, denn die Regierung der USA hat sich in der Phase niedriger Zinsen recht kurzfristig verschuldet, so dass man in den kommenden 15 Monaten in einer von mir schon öfters dargelegten riesigen Refinanzierungswelle steht. 40 Prozent der Anleihen des mittlerweilen über 33 Billionen Dollar verschuldeten Staates werden in diesem Zeitraum fällig. Im Frühjahr lag die durchschnittliche Verzinsung noch bei 1,8 Prozent, jetzt gibt es im ganzen Anleihebereich keinen Bond mit unter 4,5 Prozent Verzinsung. Ein Thema, welches 2024 noch so richtig relevant werden dürfte. Wenn der Kapital- und Zinsaufwand der Biden-Regierung mit den Ausgabewünschen kollidiert.

Diese Grafik im Tweet von Charlie Bilello ist bereits „verjährt“, obwohl nur ein paar Tage alt. Sie zeigt den monetären Wahnsinn der vergangenen 5-Jahresperiode:

Bilello USA National Debt 5 years

Die Zinsbelastung des US-Staates überschreitet demnächst die Eine-Billion-Dollar-Grenze. Zum Vergleich dazu der Blick auf den mit Abstand größten Wehretat der Welt von über 850 Milliarden Dollar – den der USA. Die gesamte NATO-Staaten haben insgesamt „nur“ 1175 Milliarden Dollar an Militäraufwendungen.

Die USA können sich nicht lange einen Haushaltsposten leisten, der weit über diese Summe hinausgeht und bald in Richtung Aufwendungen für Social Security und Medicaid wandert.

Mir ist es schleierhaft, wie man in einer mit 103 Billionen Dollar (Staat, Firmen und Konsumenten in den USA insgesamt) verschuldeten Gesellschaft an Zinsen von sieben oder gar zehn Prozent denken kann. Man braucht dies nur in Relation zum Weltsozialprodukt stellen, welches keine 100 Billionen Dollar umfasst.

Die USA befinden sich zweifelsohne in einer Schuldenkrise.

Ursache Nummer 2: Wer soll die Anleihen kaufen?

Die aktuelle Emissionsproblematik fällt zudem in eine Zeit, in dem ausländische (östliche) Staaten eine gewisse Vorsicht gegenüber US-Staatsanleihen walten lassen. Das Einfrieren von russischen Vermögen durch die US-Regierung ist ein Akt, den es im Kapitalismus in dieser Dimension noch nicht gegeben hat. Besonders China wird von Käufen Abstand nehmen.

Aber auch im Inland gibt es Probleme mit der Käuferschaft – Stichwort US-Banken. Wie es aus der Grafik aus Tweets von Jack Farley unschwer zu erkennen ist, haben zahllose US-Kreditinstitute ein echtes Durationsproblem in ihren Portfolios. Die Kursverluste bei langlaufenden Staatsanleihen der USA haben sich seit 2021 potenziert. Diese Verluste liegen schwer in den Büchern, der Abfluss von Kundengelder in Geldmarktfonds setzt sich fort. Obwohl langlaufende Anleihen auf diesen Renditehöhen eine attraktive Alternative darstellen, können die Banken nicht kaufen. Sie haben genug davon in ihren Büchern.

Farley USA Commercial Banks Duration

Um sich das Problem des Zinsänderungsrisiko (Duration) bei langlaufenden Anleihen bewusst zu machen, braucht man sich nur den nachfolgenden Chart betrachten. Wenn die Rendite von 30-Jährigen von einem auf fünf Prozent steigt, kollabieren die Kurse. Es waren vor einigen Tagen schon 60 Prozent Kursverluste bei einer Rendite von 4,60 Prozent (auch wenn sie nicht realisiert werden müssen, aber in den Büchern stehen).

Kursverluste am langen Ende, wie es der Aktienindex S&P 500 in seiner ganzen Historie noch nie gesehen hat – nicht einmal bei der großen Finanzkrise 2008/2009.

Bilello 25+Zero Kupon Tr. ETF

Ursache Nummer 3: Die Rezession in den USA verzögert sich

Wie oft wurde in den Medien schon über die am besten antizipierte Rezession aller Zeiten für Ende 2022 oder im Frühjahr 2023 geschrieben? Das Ergebnis ist bekannt, die USA haben sich in den ersten beiden Quartalen (und wohl erst recht im dritten) über ihrem Trendwachstum entwickelt. Zinssenkungen infolge einer damit verbundenen Wachstumsabschächung wurden immer weiter ins Jahr 2024 verschoben. Es ist vor allen Dingen der Arbeitsmarkt, der den Eintritt der Wirtschaft in eine schwächere Phase verhindert, erst gestern wieder gesehen an der gestiegenen Zahl der offenen Stellen im JOLTs-Report.

Auch wenn eine Rezession nach wie vor das wahrscheinlichste Szenario für 2024 ist. Sie kommt mit einem unglaublich langen Timelag, ausgelöst auch durch die Geldschwemme, die ein einkaufssüchtiges Volk lange über Wasser halten kann.

Es ist also die Summation der Negativfaktoren, die in dieser saisonal schwachen Phase zu Turbulenzen am Rentenmarkt führt.

Fazit

Das ganze Dilemma des jetzigen Anstiegs der Kapitalmarkt-Zinsen am langen Ende äußerte sich zuletzt doch an der Reaktion der Märkte. Selbst wenn niedrigere Inflations- und schwächere Konjunkturdaten gemeldet wurden, folgten stets weitere Zinsanstiege am Kapitalmarkt.

Es muss ich also um andere Sachen drehen, um Einflussfaktoren wie oben geschrieben.

Aber die Warnzeichen schreien zum Himmel. Der Chart der Kurse bei den 30-jährigen US-Staatsanleihen sieht seit Mitte September aus wie eine Exponentialfunktion, dergleichen geht angesichts der Konsequenzen für die Halter dieser Altanleihen nicht mehr lange gut. Aber natürlich auch bei der Benchmark, den 10-jährigen US-Treasuries, die sofort Einfluss auf alle Arten von Konsumentenkrediten in den USA haben.

Es wäre auch äußerst ungewöhnlich, dass die Federal Reserve die kurzfristigen Zinsen über 500 Basispunkte in einem Jahr anhebt und nichts am Markt passiert, keine große Schieflage auftritt. Jetzt sind auch die langfristigen Zinsen um über 400 Basispunkte gestiegen. Irgendetwas wird brechen – aber was und vor allem, wann wird dies geschehen? Märkte übertreiben gelegentlich in ihren Reaktionen, sowohl nach oben wie auch nach unten.

Die Fed kann einem dabei leid tun. Erst hielt sie 2021 die Zinsen unglaublich lange unten, obwohl die Gelddruckorgie nicht zum Bunkern von Kapital geführt hat und in eine verknappte Wirtschaft gelangte. Dann erachtete die Notenbank den Inflationsanstieg für „transitory“, erst reagierte sie mit der Anhebung der Zinsen zögerlich, dann umso heftiger. Jetzt nach 18 Monaten holen sie die Fehler der Vergangenheit ein und sie könnte gezwungen sein in nicht allzu ferner Zukunft die Zinsen wieder zu senken.

Wie schrieb Lance Roberts erst kürzlich in einer Analyse?

„Die Notenbank ist historisch gesehen in punkto Wirtschaftsprognosen die schlechteste Institution aller Zeiten. Wir verfolgen den Medianwert ihrer Projektionen seit 2011, und wenig davon ist eingetreten. Die Tabelle und das Schaubild zeigen, dass die Prognosen der Fed stets zu optimistisch sind.“

FOMC Economic Projections Zinsen USA

„Higher for longer“ bei den Zinsen in den USA wird wohl wieder eine zeitlich begrenzte Intention bleiben, wenn sie zuschlagen sollte, die Zinskeule. The Unknown Unknown!



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

2 Kommentare

  1. was soll schon passieren? Die Anleihen werden fallen und die Panik ist abrupt beendet. Einfach ein wenig relaxen und gute Aktien kaufen.

  2. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Die USA sind strukturell überschuldet, das heißt, sie können ihre Ausgaben, nur mit noch mehr Verbindlichkeiten decken. An eine grundlegende Veränderung ist nicht mehr zu denken. Der “ Point of No- Return“ ist längst überschritten.

    Jahrelang spielte das keine Rolle, weil die FED als wichtigster Käufer für die Staatsanleihen auftrat. Mit der Zinswende normalisiert sich also nicht nur die Geldpolitik, die Schulden- Probleme treten nun offen zu Tage.

    Das heutige Sinken der US Renditen sollte uns nicht wundern. Die FED hat in dieser Woche kaum neue Staatsanleihen verkauft, nur ein paar Kurzläufer auslaufen lassen.

    Zudem sind die Zinsen sehr attraktiv, zum Beispiel für japanische -, deutsche- oder schweizer Investoren. Seien wir doch mal ehrlich, 5 Prozent für eine Zwanzigjährige heute morgen….wann gab es das zuletzt…?

    Richtig, im Juni 2006,anderthalb Jahre vor der Finanzkrise !

    Also schlagen die Anleger hier gnadenlos zu, sichern sich diese Zinsen und das drückt dann die Rendite wieder nach unten . Das simple Gesetz von Angebot und Nachfrage !

    Aber schon in der nächsten Woche wird die amerikanische Notenbank wieder über 50 Milliarden US-DOLLAR an Staatsanleihen abstoßen, dann geht’s hoppla hopp wieder rauf….!

    Auch ein Gesetz von Angebot und Nachfrage….!

    Freuen wir uns also als Investoren über die hohen Zinsen! Denn der politische Druck auf die FED wird bald stark zunehmen…

    Dann ist’s vorbei mit der neuen schönen Zinswelt und es gibt wieder Null Zinsen bis in alle Ewigkeit….

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage