Gas

Habeck-Dilemma Gasfirma im Bundesbesitz kauft LNG in Russland für Indien

Die vom Bund verstaatlichte Gazprom-Tochter (jetzt SEFE) kauft Gas (LNG) in Russland zum Weiterverkauft nach Indien. Hier dazu die Hintergründe.

Robert Habeck und Olaf Scholz bei der Eröffnung von LNG-Anlagen in Wilhelmshaven. Photographer: Liesa Johannssen/Bloomberg

Gestern hatten wir bereits über einen Deal der von der Bundesregierung verstaatlichen deutschen Gazprom-Tochter (jetzt SEFE) berichtet, die LNG in Russland kauft und nach Indien weiter verkauft. Hier dazu mehr Hintergründe: Die vom Bund verstaatlichte frühere deutsche Gazprom-Sparte will Bloomberg-Informationen zufolge erstmals seit der Energiekrise im vergangenen Jahr wieder russisches Flüssiggas (LNG) aufnehmen. Dies steht im klaren Widerspruch zum Ziel der Bundesregierung, sich von Kreml-Lieferungen unabhängig zu machen. Die Securing Energy for Europe GmbH (SEFE) plant Hafendaten zufolge, am 1. Oktober LNG aufzunehmen, das aus der Jamal-Verflüssigungsanlage in Sibirien stammt. Der SEFE-Tanker “Amur River” wird die Ladung im belgischen Zeebrugge abholen und nach Indien weiter transportieren.

SEFE mit LNG-Deal über Russland nach Indien – Kritik

Dies wiederspreche “so ziemlich allem, was die Bundesregierung in der Vergangenheit zu dem Thema gesagt hat”, erklärt Christian Leye, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. “Die wirtschaftlichen Verstrickungen mit Russland sind scheinbar doch nicht so einfach aufzulösen, wie es uns die Politik weißmachen will.” Berlin hatte sich zuvor strikt gegen die Einfuhr von russischem LNG ausgesprochen. Man unterstütze die Beschaffung von russischem LNG nicht, hieß es im Januar in einem Dokument des Bundeswirtschaftsministeriums, unter dessen Aufsicht SEFE steht. “Die Bundesregierung hat den Unternehmen kommuniziert, dass sie geeignete Maßnahmen ergreifen wird, um den Bezug russischen LNG nach Möglichkeit auszuschließen.” Grundsätzlich seien die Versorger angehalten, “ihre Lieferquellen möglichst zu diversifizieren und Lieferrisiken auszuschließen.”

Habeck-Aussagen

Auf einer Pressekonferenz im März hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärt, dass Deutschland “im Moment nicht abhängig von russischen Gaslieferungen” sei. Es könne zwar sein, dass über LNG-Terminals europäischer Nachbarstaaten russische Moleküle im Gasmix seien. “Die deutschen Unternehmen kaufen aber kein LNG-Gas bei russischen Unternehmen oder in Russland ein”, erklärte er anlässlich der Kabinettsklausur in Meseberg. “Im Prinzip sind wir unabhängig von russischem Gas.”

Geerbte Verträge

Der Kurs des Tankers Amur River könnte sich zwar noch ändern. Anzeichen dafür, dass die russische LNG-Ladung letztlich doch an Abnehmer in Europa gehen wird, gibt es indessen nicht. “Deutsche Häfen sind an diesem Prozess nicht beteiligt, ebenso wenig wie europäische oder deutsche Gasnetze”, sagte eine Sprecherin des Unternehmens per E-Mail. “Diese Liefermengen erreichen daher nicht den deutschen Markt, die Industrie oder die Verbraucher in Deutschland.” SEFE hat einen langfristigen Vertrag mit Yamal LNG, den es noch aus seiner Gazprom-Vergangenheit geerbt hat. Es hat außerdem einen separaten Langfrist-Liefervertrag mit der indischen GAIL Ltd. Laut einer Vereinbarung aus dem Jahr 2018 müsste SEFE für die Liefermengen zahlen, auch wenn sie nicht nach Indien transportiert würden, so das Unternehmen. “Ein solches Verfahren wäre wirtschaftlich nicht vertretbar”, hieß es.

Gasimporte aus Russland in die EU immer noch erlaubt

Während die Europäische Union nach der russischen Invasion der Ukraine weitreichende Sanktionen gegen den Kreml verhängt hat, erlaubt sie Gasimporte aus Russland noch immer. Einige europäische Politiker indessen verurteilen die Abnahme von russischem LNG, die zunahm, nachdem Gazprom infolge der Kriegsfolgen die Pipeline-Lieferungen eingestellt hatte. Die SEFE, einst bekannt als Gazprom Germania, geriet wegen ihrer Russland-Beziehungen Anfang letzten Jahres in finanzielle Schwierigkeiten. Die Bundesregierung schritt ein um den Zusammenbruch zu verhindern. Das vom deutschen Steuerzahler finanzierte Unternehmen hat Handels-Niederlassungen in London und Singapur.

LNG-Tanker in Südafrika
LNG-Tanker in Südafrika. Photographer: Dwayne Senior/Bloomberg

Nach der Übernahme durch die Bundesregierung verhängte die russische Regierung ihrerseits Sanktionen gegen SEFE und stoppte den Zugang zu russischem LNG, einschließlich Jamal. Im Juni lockerte Russland das Verbot. Yamal LNG und sein Mehrheitsaktionär Novatek PJSC reagierten nicht auf eine Anfrage. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, die Bloomberg-Anfrage erhalten zu haben und diese nun zu prüfen.

Kritiker haken nach

Der Tanker Amur River soll laut Zeebrugge-Hafendaten am 23. Oktober in Dahej in Westindien eintreffen. Das Schiff liegt derzeit im französischen Hafen Dünkirchen vor Anker. Kritiker wollen nun wissen, warum Deutschland die Verschiffung zulässt, wenn es doch seit Monaten die Position vertritt, russisches LNG zu meiden. “Hier muss dringend aufgeklärt werden, wer in der Bundesregierung von diesen Geschäften wusste,” erklärt Constantin Zerger, Bereichsleiter für Energie und Klimaschutz der Deutschen Umwelthilfe (DUH). “Der Handel mit russischem LNG muss sofort gestoppt werden.“

FMW-Kommentar: Ist es ein Skandal, dass eine vom Bund verstaatlichte Firma genau das tut, was Robert Habeck ja eigentlich nicht mehr haben will? Oder kann man es auch nüchtern betrachten, und sagen: Man hält sich dort nur an noch geltende Verträge?

FMW/Bloomberg



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9 Kommentare

  1. Wo ist das Problem?
    Dieses Gas wird ja nicht in Deutschland verbrannt, sondern lediglich Handel betrieben und nach Indien weiterverkauft. Wenn SEFE das nicht macht, springen andere Handelsfirmen ein und machen dieses Geschäft. Immerhin verdient SEFE daran und braucht dann nicht noch mehr Steuermillionen, Geld, das der dt. Staat sowieso nicht hat.
    Im Übrigen kaufte und kauft Indien wahrscheinlich immer noch russ. Öl (i.d. Regel verarbeitet) und verkauft es dann u.a. an uns weiter und verdient viel Geld daran. Damit haben wir dann kein Problem.

    Ich frage mich auch, was ein Herr Constantin Zerger, Bereichsleiter für Energie und Klimaschutz der Deutschen Umwelthilfe (DUH), damit für ein Problem hat. Er sollte sich doch besser darum kümmern und sich u.a. dafür stark machen, dass das extrem teure und umweltschädliche LNG-Gas nicht mehr verwendet wird sondern wieder das gewöhnliche Erdgas. Herr Fugmann berichtete in den letzten Tage in einem seiner Videos über die extrem umweltgefährdende Förderung des LNG-Gases. Was auch noch kaum jemand bekannt ist: Das LNG-Gas muss zum Verflüssigen auf – 192 °C abgekühlt werden und um es dann wieder zu verdampfen sprich gasförmig zu bekommen, muss dieselbe Wärmemenge wieder zugeführt werden. Alleine das bedeutet schon einen enormen Energieverbrauch, der es per se gar nicht wirtschaftlich machen kann. Im Übrigen verdienen die USA Milliarden mit diesem Geschäft.
    Oder hat sich Herr Zerger schon mal zum Thema Wiederanfahren der Atomkraftwerke geäussert, damit Deutschland nicht das zweitdreckigste (was CO2-Ausstoss betrifft) Land Europas bleibt?

    Ich würde mir bei all diesem Wahnsinn zuallererst wünschen, dass unsere Politiker endlich einmal etwas unternehmen, um diesen unseligen Krieg endlich zu beenden, sprich Verhandlungen beginnen. Mir scheint aber, dass daran gar kein Interesse besteht.
    Helmut aus NRW

    1. @Helmut:
      Ihre Aussage ist wieder mal „knapp daneben“:
      Da kauft ein mit Mrd. deutscher Steuermitteln verstaatlichtes Unternehmen russisches Gas für Indien, obwohl ein Embargo besteht. Dieses Embargo hat bisher (nicht nur Deuschland) hunderte Milliarden EUR in allen möglichen wirtschaftlichen Bereichen gekostet, sondern verschafft Indien (und anderen Staaten, z.B. China) auch noch deutlich verbilligtes Gas! Der Vorgang ist an Irrsinn nicht zu überbieten und zeigt die ganze verlogene und konzeptionslose Politik unserer unfähigen Politiker auch in anderen politischen Bereichen (z.B. Asylpolitik etc.) . Die Gründe für den Aufschwung der AFD und der zunehmende Argwohn gegen unsere Demakratie sind genau hier zu suchen….

      1. @lb:

        Uneingeschränkte Zustimmung. Die Wahl-Umfragen sind ein Indikator für Unfähigkeit, Ignoranz, Arroganz und Lernresistenz.
        In manchen Bundesländern nähert sich die AFD der 35% Marke. Das kann ja noch schlimmer kommen.

        F. P.

        1. „Die Wahl-Umfragen sind ein Indikator für Unfähigkeit, Ignoranz, Arroganz und Lernresistenz.“
          Da stimme auch ich uneingeschränkt zu, was die Wähler in manchen Bundesländern betrifft 😂

          1. schon ma drüber nachgedacht, das dass verzweifelte Menschen sind, die net mehr weiter wissen, wie man diese Endloss Politik mitsamt seiner Clowns zu verstehen gibt, WIR SIND DAS VOLK.. Denn im ehrlich zu sein, werden wir denen mit jeder neuen Regierung immer mehr als zu lösendes problem gesehen werden, statt sich ernsthaft un realistisch mit den Problemen der menschen auseinander zusetzen, statt ihren Willen auf biegen un brechen durch zu drücken..

    2. Sehr guter Kommentar! Findet meine völlige Zustimmung. Helmut weiter so.

  2. wir sind nicht mit Russland in Krieg, auch wenn unsere Außenministerin etwas anderes behauptet. Verträge sind einzuhalten. auch ist Erdgas aus Russland nicht sanktioniert, es gibt kein Embargo.

  3. Hoffentlich gibt es zur nächsten Wahl die Quittung

  4. @ Helmut, noch vergessen, das LNG Gas wird noch z.t.mit schwerölbetriebenen Frachtern über riesige Strecken transportiert.
    Die Gesamtenergiebilanz wäre interessant zu kennen, auf FMW hätte es gewiss einige „ neutrale „ Wissenschafter die das berechnen könnten.

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