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Was ein Importembargo für Erdgas aus Russland bedeuten würde

Erdgas zum Kochen auf Herd

Ein Embargo für Erdgas, Erdöl und Kohle aus Russland markieren eine neue Sanktions- und Eskalationsstufe. Dass die Wirtschaftssanktionen von den transatlantischen Partnern einer Kriegserklärung ähneln, hatte Präsident Wladimir Putin in einer gemütlichen Teerunde mit Flugbegleiterinnen der Fluglinie Aeroflott am 5. März erläutert. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk machte indes am 6. März bei Anne Will in der ARD klar, dass die laufenden Brennstoffexporte am Tag etwa 1 Milliarde Euro in Putins Kriegskasse spülen. Dies seien im Jahr 365 Milliarden Euro und entspreche dem Sechsfachen des russischen Militärhaushaltes.

Anzeichen für Embargo von Erdgas aus Russland nehmen zu

Nachdem eine Flugverbotszone für die Ukraine vom Tisch ist, verdichten sich die Anzeichen in Sachen Embargo für russische Energieträger wie Öl und eventuell auch Erdgas deutlich. So erklärte US-Außenminister Antony Blinken im Interview mit CNN am 6. März: „Wir sprechen jetzt mit unseren europäischen Partnern und Verbündeten, um auf koordinierte Weise die Aussicht auf ein Verbot der Einfuhr von russischem Öl zu prüfen.“ Zu einem möglichen Ölembargo hatte Sprecher Dmitri Peskow russischen Medien zufolge durchblicken lassen: „Das ist ein Thema, das wir aufmerksam verfolgen.“ Es gebe regelmäßige tägliche Konsultationen mit dem Präsidenten. „Dort ist eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgesehen.“ Russland sei zudem ein Land, dass auf vorteilhafte gegenseitige Wirtschaftsbeziehungen aus sei.

Zu einem Importstopp von Erdgas, Erdöl und Kohle konnte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wie auch zuletzt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei Anne Will in der ARD noch nicht durchringen, da soziale Verwerfungen drohten. Davon zeugen auch die Schlupflöcher beim Ausschluss russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem SWIFT. Nicht betroffen sind davon die Sberbank und Gazprom Bank, über die der Zahlungsverkehr zum Rohstoffhandel läuft. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA für die letzte Ausgabe der Bild am Sonntag sprachen sich 60 Prozent der Befragten für einen Importstopp für Erdgas aus Russland aus, 28 Prozent votierten dagegen.

Operation Energiesicherheit läuft

Zugleich erstellte eine „Ad-hoc-Projektgruppe Gasreduktion“ im Bundeswirtschaftsministerium Medienberichten zufolge einen Masterplan, wie sich Gasimporte aus Russland zügig und entschlossen verringern ließen. Der Plan sieht eine Solardach-Pflicht für gewerbliche und private Neubauten vor, wofür es „zinsgünstige Solarförderkredite“ geben solle. Vorgesehen sei auch eine „Abwärme-Nutzungspflicht“. Dazu müssten Lieferbezüge diversifiziert und der Verbrauch von Erdgas eingeschränkt werden. Dementsprechend sollen ab 2025 nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die auf Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden. „Konkret bedeutet dies, dass ab 2025 vor allem Wärmepumpen eingebaut und Gebäude an Wärmenetze angeschlossen werden, wobei Biomasse und Solarthermie sowie Photovoltaik-Dachanlagen eine unterstützende Rolle spielen“, zitiert die Welt am Sonntag aus dem betreffenden Konzeptpapier.

Eine strategische Gas- und Kohlereserve stehen für Habeck angesichts der hohen Importanteile von russischen Brennstoffen ganz oben auf der Maßnahmenliste. So bezieht Deutschland sein Erdgas zu 55 Prozent aus Russland, während es bei Kohle stattliche 50 Prozent sind. Bei Erdöl mit einem 35 Prozent Anteil sei Deutschland laut Harbeck und Baerbock flexibler. An dieser Stelle sind die USA stärker betroffen und haben ein Embargo für Öl daher bislang ausgeschlossen. Über den Abschluss eines Finanzierungsabkommens zum Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel informierte das Bundeswirtschaftsministerium am 6. März.

Studie zum Winter ohne Erdgas aus Russland

In einer aktuellen Studie geht das Beratungsunternehmen Aurora Energy Research Optionen durch, wie der nächste Winter in Europa ohne Gasimporte aus Russland machbar ist. Für dieses Szenario gehen die Aurora-Analysten von einer Lücke in Höhe von 109 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus. Um diese Lücke zu schließen, seien andere Lieferquellen wie etwa Flüssigerdgas LNG und Verbrauchskürzungen nötig. Stromsektor, Haushalte und Industrie könnten den Verbrauch um 14 Prozent einschränken. Als Maßnahmen dafür gelten in der Studie längere Laufzeiten von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken, ein Switch von Gaskraftwerken auf Kohlekraftwerke, der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien und Energieeinsparungen. Der Gasspeicherung käme bei der Deckung des Winterbedarfs eine Schlüsselrolle zu. Dies könnte eine Anfangsinvestition von 60-100 Milliarden Euro und wahrscheinlich ein Eingreifen der Regierung erfordern.

Die Gaspreise haben die Schallmauer von 3000 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas längst hinter sich gelassen. Die Welt mit 2000 Euro je 1000 Kubikmeter Gas, die Dmitri Medwedew als Reaktion auf den Stopp der Zertifizierung der zweiten Ostseegasleitung am 22. Februar auf Twitter angekündigt hatte, ist längst Geschichte. Radikale und fantastische Szenarien mit 10.000 Dollar pro 1000 Kubikmeter, von denen Igor Yushkov, Experte und Analyst beim russischen National Energy Security Fund (FNEB) Ende Februar sprach, scheinen sich am Horizont abzuzeichnen. Die Stimmen von Befürwortern für einen Gasimportstopp aus Russland werden zugleich lauter, um die Kriegsfinanzierung zu stoppen.

Putins Unterstützer und Widersacher

Zur Erinnerung: Rohstoffexporte sind die wirtschaftliche Basis, auf der Präsident Wladimir Putin seine militärische Stärke aufbaut. Sie sind die Nachschubquelle für frisches Geld. Im Zentrum stehen der russische Gaskonzern Gazprom und der größte Ölförderer Rosneft mit Gefolgsleuten an der Spitze. Gazprom-Chef Alexej Miller und Geheimdienstmann Igor Setschin sind Putins Weggefährten aus Sankt Petersburger Tagen. Brisant an dieser Stelle ist, dass Rosneft durch die Übernahme des Großteils der liquidierten Yukos-Gesellschaft zum größten Ölförderer Russlands aufstieg. In einem Schauprozess wegen Steuerhinterziehung brachte Putin 2003 Yukos-Chef Michail Chodorkowski zu Fall. Zehn Jahre saß er im Straflager und verurteilt den laufenden Krieg seines Feindes Putin in der Ukraine.

Der Chef der zweitgrößten Ölgesellschaft Lukoil, Wagit Alekporow, arrangierte sich offensichtlich wie andere Magnaten mit Putins System. Jetzt vorm Hintergrund des Krieges in der Ukraine sprach sich der Aufsichtsrat von Lukoil dafür aus, dass Leid in der Ukraine möglichst schnell zu beenden: „Der Vorstand von LUKOIL bringt hiermit seine tiefste Besorgnis über die tragischen Ereignisse in der Ukraine zum Ausdruck. Indem wir die baldige Beendigung des bewaffneten Konflikts fordern, drücken wir unser aufrichtiges Mitgefühl für alle Opfer aus, die von dieser Tragödie betroffen sind. Wir unterstützen nachdrücklich einen dauerhaften Waffenstillstand und eine Lösung der Probleme durch ernsthafte Verhandlungen und Diplomatie.“ Noch Aufsichtsrat-Mitglied und Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat sich österreichischen Medien zufolge dafür eingesetzt, dass der zweitgrößte Ölförderer Russlands diese Stellungnahme abgibt.



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2 Kommentare

  1. Beratungsunternehmen und Analysten.
    Um Gottes Willen.
    Beratungsunternehmen und Bundeswehr.
    Um Gottes Willen.
    Beratungsunternehmen und die Leute, die sich Beraten lassen, wie man sich selber verarsch….kann und noch viel Steuergeld dafür bezahlt.
    Fragen Sie mal nach beim Bund der Steuerzahler.
    Nehmen Sie lieber wahllos 10 Bürger von der Strasse, die können Sie besser beraten, als …………..
    ABER wenn Sie es schaffen, von heut auf morgen, alles zu schaffen, dann Hut ab.

  2. Für Habeck und Barbock ist das doch die Gelegenheit, auf die sie gehofft haben. Von wegen nicht die Kriegskasse der Russen zu versorgen, für die ist alles verbrennbare doch von je her Teufelszeug. Ernsthaft, ich gönne jedem die momentane Lage, der die aktuelle Regierung gewählt hat.

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