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Xi Jinping: China und sein Russland-Gambit – was passiert mit Taiwan?

Putin testete, mit Rückendeckung von Xi Jinping, die Reaktion des Westens auf die Invasion der Ukraine – China und Xi Jinping evaluieren, wie man sich Taiwan einverleiben kann.

Der Westen schien gegenüber Russland zunächst uneinig und nicht zu einer harten, konzertierten Aktion fähig: In der EU herrscht mit dem Brexit, der Konfrontation mit Ungarn und Polen Zentrifugalkräfte, die die EU weiter zu schwächen schienen. Der ehemalige US-Präsident Trump hat das Verhältnis zwischen den NATO-Partnern erheblich geschwächt. Der darauffolgende Präsident Joseph Biden erschien als schwacher, ja fast schon seniler Amtsinhaber und Kamala Harris scheint nicht in der Lage zu sein, das Vakuum zu füllen.

Die Nachkriegsordnung mit dem Kalten Krieg zerbrach spätestens am 7. Oktober 1989 mit dem Satz Michali Gorbatschows: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Bisher fehlte uns eine konkrete und eindeutige Bezeichnung für die Interimsphase zwischen Kalten Krieg und heute. Wir wissen aber nun, wann diese Ordnung endgültig zerbrach: am 27.02.2022 mit der Rede des Bundeskanzlers Olaf Scholz im Bundestag.

Aber der Westen fand unter der Führung Joe Bidens vor kurzem den Weg zurück zur alten Einigkeit und belegte Russland mit Sanktionen, die die wirtschaftliche Entwicklung Russlands kurz- bis langfristig nachhaltig zerstören und damit auch dessen militärische Potenz. Joe Biden hat gezeigt, dass er auf eine Bedrohung adäquat reagieren kann, indem die Verbündeten frühzeitig und nachhaltig über die Pläne Putins informierte und damit das Gefangenendilemma auflöste.

Xi Jinping – China reevaluiert seine Position mit Taiwan

Nun aber reevaluiert Xi Jinping seine Position. Die Sanktionen gegen Russland gereichen zunächst China zum Vorteil: China kommt günstiger an Energie, Lebensmittel und Rohstoffe. Zum einen verbleibt China als einzig großer Handelspartner von Russland, zum anderen bedrohen die Sanktionen ganz direkt den Zugang Chinas zum europäischen Markt via Bahn und Lastwagen entlang der Seidenstraße. Für den Moment scheinen diese Verbindungen nicht unterbrochen. Ob und inwiefern diese im Zuge des weiteren Konfliktes zwischen Russland und Europa betroffen sein werden, kann man im Moment wohl nicht abschätzen.

Xi Jinping und China laviert – wie Steffen Wurzel sehr treffend analysiert – im Moment zwischen verschiedenen unvereinbaren Standpunkten:

Auf der einen Seite hebt Peking die Unverletzlichkeit souveräner Staaten hervor. Andererseits verurteilt China den Angriff Russlands auf die Ukraine nicht, stärkt aber zunehmend das anti-westliche Narrativ in ihrer Propaganda. Des Weiteren versucht sich Peking als Unterhändler zwischen Russland und der Ukraine anzubieten. Im Hintergrund sollen in der KP Chinas Diskussionen laufen, wie eine Positionierung genau aussehen soll. Diese Konsens-Findung dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Xi Jinping wird dann geissermaßen das Ergebnis dieser Diskussionen mitteilen.

Derweil wird Xi Jinping die Möglichkeit neu bewerten, ob, wie und wann China sich Taiwan einverleiben kann. Der wesentliche Unterschied zwischen der Ukraine und Taiwan besteht bereits darin, dass die USA qua Gesetz verpflichtet sind, Taiwan beizustehen. Militärisch sind die USA allein aber nicht in der Lage, Taiwan zu beschützen. Es kommt also maßgeblich auf eine konzertierte Aktion des Westens an.

Ukraine, Hongkong und Taiwan

Im Falle Hongkongs war die Reaktion des Westens im Prinzip nicht vorhanden. Man hat stillschweigend mitangesehen, wie China sich Hongkong langsam einverleibt. Dies mag damit zusammenhängen, dass Hongkong seine Bedeutung als Bindeglied zwischen China und dem Rest der Welt verloren hat. Bei Taiwan dürfte dies anders sein: Taiwan ist wirtschaftlich wesentlich wichtiger als Hongkong. Immerhin ist Taiwan der drittwichtigste Halbleiterhersteller der Welt. Sollte diese Industrie von China einverleibt werden, käme China plötzlich auf einen Exportanteil von ca. 45%. Daneben ist Taiwan eine Demokratie nach westlichem Vorbild und damit das genaue Gegenmodell zu China.

Biden schickt mit dem Einmarsch in die Ukraine nicht nur eine hochrangige Delegation, sondern auch den Zerstörer „Ralph Johnson“ nach Taiwan, um China zu zeigen, dass die USA durchaus in der Lage sind, beide Konfliktherde im Auge zu behalten und notfalls Handeln zu können.
Die USA können Taiwan nicht allein durch ihre Seestreitkräfte beschützen. Allerdings besitzen die USA noch Stützpunkte im Pazifik: in Japan, Korea, auf den Philippinen. Zudem haben sich schon vor dem Ukraine-Krieg Japan, die Philippinen und Singapore näher an die USA angelehnt. In Japan brachte nun der ehemalige Premierminister Abe die Stationierung von amerikanischen Atomwaffen ins Spiel. Zwar hat der jetzige Premier Kishida diese Forderung sofort abgelehnt, aber auch hier fallen plötzlich Denkverbote.

Xi Jinping und die Sanktionen des Westens gegen Russland

Das Hauptaugenmerkt wird Xi Jinping aber auf die Sanktionen gegen Russland richten. Auf der einen Seite scheint China gegen etwaige Sanktionen des Westens besser gewappnet zu sein als Russland. Russland exportiert „nur“ Rohstoffe, China praktisch die gesamte Bandbreite an Roh- und Fertigerzeugnissen. Dass der Westen China – ähnlich wie Russland – von SWIFT abkoppeln wird, ist im Moment schwer vorstellbar. Andererseits: Die Abkopplung Russlands von SWIFT war bis Sonntag ebenfalls nicht vorstellbar. China hat zwar sein eigenes Clearing- und Abwicklungssystem CIPS (Chinas Cross-Border Interbank Payment System), aber Chen Xin, Professor vom Shanghai Advanced Institute of Finance gibt zu bedenken, dass das CIPS auf Banken als Knoten funktioniert – und diese Knoten von Sanktionen bedroht sind.

Auf der Gegenseite: China ist abhängig von Exporten, umso mehr, als die heimische Wirtschaft ohnehin schwächelt und der Zusammenbruch des chinesischen Immobilienmarktes immer noch eine reale Gefahr darstellt.

Darüber hinaus besitzt China – anders als Russland – direkt Flughäfen, Häfen, Bahnen und andere strategische Investments in der Welt und Europa, die China im Zuge der „Belt and Road Initiative“ entweder neu gebaut oder teilweise neu erworben hat. In Deutschland z.B. die Flughäfen Parchim oder Frankfurt-Hahn, wenn auch dieser mittlerweile insolvent ist. In Frankreich unter anderem Toulouse (50% chinesischer Anteil) oder die Häfen in Piräus, Rotterdam, Antwerpen, Le Havre, Bilbao, Valencia, Marseille, Malta, um nur einige zu nennen.

China könnte als Gegenreaktion seine „nuklearen Option“ ziehen: Den sofortigen Verkauf aller westlichen Staatsanleihen – das wäre durchaus ein herber Schlag nicht nur für die USA, sondern für den Westen insgesamt.

Xi Jinping lebte während des Kalten Krieges sowohl einige Zeit in Deutschland als auch in den USA. Die Logik der Nuklearen Abschreckung des Kalten Krieges war: Wer als erster schießt, stirbt ist als zweiter. Es bleibt zu hoffen, dass Xi Jinping diese Logik begriffen hat und den Westen nicht unterschätzt.

Xi Jinping - China, Taiwan und die Sanktionen des Westens gegen Russland
Foto: By Kremlin.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=40087092



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1 Kommentar

  1. Im Falle des Versuchs einer Annexion Taiwans wird China erhebliche Probleme bekommen die
    erworbenen strategischen Investments außerhalb ihres Landes zu halten.Sie werden sie
    kurzfristig abschreiben müssen und dadurch wird ihre „Belt-and Road Initiative“ einen erheblichen
    Rückschlag über Jahrzehnte oder mindestens über die Lebenszeit Xi Jimping hinaus haben.
    Man kann keine globalen Lieferketten halten oder verbessern,wenn die Welt wieder lokal
    denkt.Dann werden sich wenigstens über einige Jahre die Wirtschaftsströme ändern.Insofern werden
    China dann die „Felle wegschwimmen“,denn auch ihre Gesellschaft wird mit der Alterung
    ihrer Bevölkerung und der Schwäche ihrer Sozialsysteme zu kämpfen haben.

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