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Aktienmärkte: Die Rally und das Damoklesschwert des Margin Calls

Droht für die Aktienmärkte bald ein altbekanntes Szenario - nämlich Margin Calls?

Droht für die Aktienmärkte bald ein altbekanntes Szenario – nämlich Margin Calls?

Es ist ein tolles Angebot und ein Segen für beide Seiten – der Wertpapierkredit. Für Anleger entsteht ein Turbo bei den Gewinnen, die Bank profitiert von den Zinsen, die trotz erheblicher Abweichung von den Kapitalmarktzinsen doch so verkraftbar erscheinen, es geht doch nur um ein paar Tage/Wochen. Doch dieser Hebel hat eine unglaubliche Zerstörungskraft für Depots, wenn es plötzlich einen starken Rückgang an den Märkten gibt, oft völlig unerwartet und aus heiterem Himmel.

Aktienmärkte: Die Hausse nährt die Hausse

Erst vor wenigen Tagen hatte ein bekannter US-Korrespondent an der Wall Street in einem Video auf den Anstieg der Wertpapierkredite (margin debts) in den USA hingewiesen: 50 Prozent in acht Monaten und damit in ähnlicher Größenordnung wie in den Jahren 2000 und 2007, ein absolutes Warnzeichen für die Aktienmärkte, weil dies das deutlichste Signal für Euphorie und Sorglosigkeit darstellt. Der Einsatz von „Leverage“ erfordert Disziplin und Money Management, welches gerade bei jungen und unerfahrenen Anlegern nicht gegeben ist. Und es sind vor allem junge Männer, die sich mutig und später mit großer Selbstüberschätzung in eine gefährliche Falle begeben. Evolutionsbiologisch begründet und in der Börsenpsychologie nachgewiesen, denn diese Eigenschaft hat in der Geschichte auch zu einem Überleben der Spezie geführt.

An den Kapitalmärkten wird diese Neigung von Anlegern durch die Kreditinstitute natürlich nach Kräften unterstützt. In den letzten Monaten hat eine neue Generation an Investoren – Stichwort RobinHoodies – die Aktienmärkte erobert und begonnen, selbst mit staatlichen Schecks zur Überwindung der Arbeitslosigkeit an den Märkten zu wetten. Dies war natürlich auch erst möglich geworden, weil die Broker die Gebühren auf ein Minimum abgesenkt hatten.

Leichtsinn von jungen oder auch alten Anlegern gab es schon zu allen Zeiten, doch gefährlich wird es immer dann, wenn die Umstände an den Börsen für lange Aufwärtsbewegungen sorgen und das Gefühl der Unverwundbarkeit entsteht.

Die Entwicklung

Man beginnt recht vorsichtig mit nur kleiner Kreditaufnahme und oder mit konservativen Titeln. Sollte man das „Pech“ haben in eine Haussephase zu gelangen, wird das Ganze rasch gefährlich. Denn angestachelt durch die eigenen Erfolge und die steigenden Kurse der Aktienmärkte, werden viele Anleger euphorisch und nicht vorsichtiger, das Prinzip „Gier frisst Hirn“ nimmt seinen Lauf. Denn, desto größer die Gewinne und desto höher der Depotwert desto mehr reizen viele die Möglichkeiten der Hebelwirkung aus, durch Kredit und den Einsatz von Optionen. Und desto gefährlicher wird die Hebelwirkung, nach unten.

Aus Margin Debt wird Margin Call

Wer schon länger an der Börse verweilt, wird sich an die vielen kleinen „Schwarzen Schwäne“ erinnern, die aus dem heiteren Himmel zu großen Kursrückschlägen führen. Besonders spektakulär die Ereignisse bei der plötzlichen Aufgabe der Unterstützung des Schweizer Frankens durch die Schweizer Notenbank SNB oder die Flash Crashs, manchmal ausgelöst durch einen „Fat Finger“, die zu zweistelligen Kursverlusten führten.

Aber auch im März 2020, wo es unglaubliche Verlusttage der Aktienmärkte gab. Mit seinem überraschenden Einreisestopp für Europäer hatte US-Präsident Donald Trump an der Wall Street eine weitere dramatische Talfahrt an den Börsen ausgelöst. Der Dow-Jones-Index schloss am 12. März zehn Prozent tiefer, der Nasdaq brach 9,4 Prozent ein, S&P 500 – 9,5 Prozent und der DAX gar 12,4 Prozent.

Das Extrembeispiel war im Jahre 2020 auch Wirecard. Am 19. Juni brach der ausgesetzte Kurs in wenigen Minuten um 65 Prozent ein, nachdem der Jahresabschluss nicht testiert wurde. Wer hier mit Kredit arbeitete, verlor binnen Minuten die gesamte Anlagesumme.

Die Nachschussverpflichtung oder der Margin Call führen dazu, dass der Investor sein Depot sichern muss, durch Nachschießen von Geld oder eben durch Verkäufe von Assets. Jetzt schlägt die Finanzmathematik unbarmherzig zu. Wenn ein Kredit eingesetzt wurde und Optionen im Spiel sind (mit Hebeln bereits bei kleiner Wirkung) wird die Hebelwirkung fatal. Bei konservativen Aktien oder mit Indizes kann man eine solche Phase überstehen, aber was ist mit Titeln, die mehrere Hundert Prozent gestiegen sind, wie zum Beispiel die Lieblingsaktie der Jungen, Tesla? Hier laufen immer noch unglaublich viele Wetten. Außerdem liegen auch in deutschen Depots die großen Highflyer des letzten Jahres, neben Tesla Apple, Amazon, Alibaba, Nvidia, Zoom Video und Nio.

Fazit

Bei allen technischen Indikatoren, die auf Überbewertung hinweisen, hat ein hoher „Margin Debt“ besonders fatale Bedeutung. Sollte es, aus welchen Gründen auch immer, zu einem Kurseinbruch der Aktienmärkte kommen, wird eine hohe Verschuldung wie ein Turbo nach unten wirken. „Leverage kills“ wird man anschließend in den USA schreiben, wie schon oft erlebt. Es wird vieles verkauft werden müssen, selbst sichere Assets wie Gold, was man im März 2020 erleben konnte, eben oft um einem Margin Call nachzukommen. Auch wenn man in der jetzigen Situation nicht mit solch dramatischen Ereignissen wie damals bei der Realisation einer Pandemie rechnen muss. Aber die hohe Kreditaufnahme wird einen größeren Rückschlag an den Börsen beschleunigen, falls die „gierigen“ Anleger ihre Disposition nicht marktverträglich zurückfahren. Aber danach sieht es derzeit nicht aus.

Die Aktienmärkte: Gefahr durch Margin Calls?



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3 Kommentare

  1. Gute Einschätzung und genau das ist der Grund, warum Gold keine Absicherung ist, weil das bei einem Crash auch liquidiert wird. Das nur mal zu den vielen Goldjüngern, gerade bei den Michl´n und den Gretl´n, die bei Gold von über 3000 USD schwärmen. Gold wird beim nächsten größeren Einbruch auch mit nach unten geprügelt und wird nicht als Absicherung dienen.

  2. Diese Aussage ist falsch. Im März als der Golpreis ebenfalls fiel, betraff das nur den digitalen Preis der an der COMEX gebildet wird. Der physische Preis verhielt sich komplett anders und war entkoppelt. Es gab praktisch nirgends Gold uns Silber mehr zu kaufen, und wenn nur mit hohen Aufschlägen.

    Das ist auch der Grund, weshalb viele Gold nicht verstehen. Es hat im Gegensatz zu fast allem Vermögenswerten in einem Schuldgeldsystem kein Gegenparteirisiko. Das ist jedoch nur beim physischen Gold der Fall. Papier-Gold, welches um den Faktor 100 durch dieses Finazsystem wabert hat genauso wie das Papiergeld einen inneren Wert von 0.

    Hierzu folgender Artikel:
    https://www.focus.de/finanzen/boerse/experten/ansturm-auf-gold-loest-die-naechste-finanzkrise-aus-experte-warnt_id_6799862.html

    Wie vor tausenden Jahren wird auch in tausend Jahren Gold noch begehrt und daher einen Wert besitzen. Im Gegensatz zu unserem Papiergeld, welches historisch und ausnahmslos immer gescheitert ist.

    Höre nicht auf das was sie sagen, sondern achte auf das was sie tun. Die Zentralbanken halten nicht nur Gold sondern waren in den letzten Jahren Netto-Käufer. Diverse Staaten haben ihre Goldreserver zurückgeführt. Siehe Artikel. Man sollte sich einmal fragen warum Gold so verteufelt wird und seit Anfang 2020 nicht mehr anaonym unter 2000€ erworben werden darf.

    Zitat niederländische Zentralbank: „Gold ist… der Anker des Vertrauens für das Finanzsystem. Wenn das System zusammenbricht, kann die Goldreserve als eine Basis dienen, es wiederaufzubauen. Gold fördert Vertrauen in die Stabilität der Zentralbankenbilanz und schafft ein Gefühl der Sicherheit.“

    https://www.goldseiten.de/artikel/467956–Der-Plan-der-Zentralbanken—Systemneustart-2020.html?seite=1

    Der Bitcoin ist ein FIAT-Auffangbecken genauso wie Papiergold oder die ganzen Derivate. Der Effekt auf die Inflation von realen Gütern/Sachwerten ist gleich 0. Einfach mal mit dem Begriff der monetären Illusion (Weimar, Venezuela,…) beschäftigen. Mehr als 0,23Cent pro Person an jährlicher Silber-Produktion steht nicht zur Verfügung. Was passiert wohl wenn ein einfacher Ring 50000$ kostet? Panik ums Ersparte auf Michels Konto?

    https://www.visualcapitalist.com/worlds-gold-and-silver-coin-production/

  3. @Übelkeit

    Wenn das „System zusammenbricht“ und die Goldreserve „als Basis für den Wiederaufbau“ dienen soll, wird der Staat das private Gold konfiszieren müssen, eben weil er es für den von Ihnen genannten Wiederaufbau brauchen wird.

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