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Aktienmärkte: Inflation, Tapering – wie geht es weiter?

Die Diskussion um die Inflation und ihre Dauerhaftigkeit dürfte das große Thema der nächsten Wochen für die Aktienmärkte bleiben

Aktienmärkte, Inflation und Tapering

Die letzte Woche hatte es an den Börsen in sich, die Volatilität stieg in den USA von Wochenbeginn mit 17,42 Punkten auf 27,67, um sich bis zum Handelsschluss der Aktienmärkte am Freitag wieder auf 18,81 zu beruhigen. Man hatte zwar einen Anstieg der Inflationsparameter erwartet, aber dass die Verbraucher- und Produzentenpreise gleich um 4,2 beziehungsweise 6,2 Prozent in die Höhe schießen, das ging schon ins Kontor und führte zu Anzeichen von Panik. Die Aktienmärkte beruhigten sich dann aber wieder, urplötzlich war wieder Hausse angesagt. Ein Vorgeschmack auf Kommendes?

Die „Tal- und Bergfahrt”:

Aktienmärkte - der S&P 500

Die 50-Tage-Linie hat gehalten:

Aktienmärkte: Erholung beim S&P 500

Belastungs- und Entlastungsfaktoren für die Aktienmärkte

Natürlich konnte die kleine Korrektur von 4,2 Prozent vom Top zum Tief in der vergangenen Woche (beim S&P 500) nicht alle Übertreibungsfaktoren der Aktienmärkte beseitigt haben, wie zum Beispiel die große Inanspruchnahme von Wertpapierkrediten (Margin Debt). Auch die ganz großen Indikationen, wie der Warren Buffett-Indikator oder das Shiller-KGV zeigen kaum eine Veränderung. Aber wie sieht es aus mit den Faktoren, die die Rallye kurz- und langfristig gestützt haben?

Das abgekühlte Sentiment

Aktienmärkte in den USA und die Stimmung

Bei der allwöchentlichen Umfrage nach dem Sentiment der US-Anleger gab es einen großen Sturz um 7,8 Prozentpunkte auf 36,5%. Insgesamt ein sich fortsetzender Rückgang von einem Mehrjahreshoch im Vormonat mit 56,9 Prozent auf den tiefsten Stand seit Oktober 2020. Zusammen mit dem Stand des Angstbarometers Fear&Greed, das sich trotz des großen Kurssprungs der Aktienmärkte vom Freitag, auf moderatem Angstniveau von 40 Punkten befindet. Die Euphorie hat sich verflüchtigt, ein stützender Faktor.

Noch immer gilt: It’s Liquidity

Wie schon in der letzten Woche dargestellt, besteht eine unglaubliche Korrelation zwischen der Ausweitung der Geldmenge und dem Anstieg des MSCI World und des S&P 500. Wie oft wurde der Spruch in der jetzigen Situation schon verwendet: Die Flut hebt alle Boote? Trotz steigender Inflationsdaten lässt sich die US Notenbank noch nicht in ihrem Ankaufprogramm beirren. In der letzten Woche wurde die Fed-Bilanz um 0,3 Prozent auf den Rekordwert von 7,83 Milliarden Dollar ausgeweitet. Damit ist man in den USA mit der Bilanzsumme der Notenbank bei 35,5 Prozent des BIP angelangt, was gegenüber von 76 Prozent bei der EZB, 130,4 Prozent bei der Bank of Japan und 38 Prozent bei der Bank of England noch nicht einmal überbordend erscheint.

Und gigantische Negativ-Realzinsen

Was aber immer wieder für eine Stütze für die Aktienmärkte sorgt, das ist nach wie vor die Entwicklung der Realzinsen.

Trotz der gestiegenen Inflationsdaten und noch größerer Inflationserwartungen, erleben wir in den USA eine Phase historischer Negativ-Realrenditen.

Bei einer aktuellen Verbraucherpreisrate (CPI) von 4,16 Prozent und den Renditen bei den 10-jährigen US-Staatsanleihen mit 1,63 Prozent – bei den 5-Jährigen mit 0,817 Prozent und den 3-Jährigen mit 0,149 Prozent – wo sollen die Anleger hin, mit den Geldern, die vom Aktienmarkt abgezogen werden? Bei Negativzinsen von minus 2,5 bis minus 4 Prozent. Bei den Verwaltern amerikanischer Pensionskassen, die die ständigen Ausschüttungen ihrer Assets brauchen, um den Auszahlungsverpflichtungen nachzukommen. Oder den vielen anderen Managern großer Anlagesummen, wie zum Beispiel die der großen 10 Staatsfonds, vom Norway Government Pension Global Fund bis zum Investment Corporation of Dubai, die alleine schon sechs Billionen Dollar auf die Waage bringen.

So wie der norwegische Staatsfonds, der vor wenigen Wochen noch folgende Asset Allocation hatte:

Aktien: 72,8 Prozent
Anleihen: 24,7 Prozent
Immobilien: 2,5 Prozent
Gesamt: 1,323 Billionen Dollar

Das Thema Geldflut und Zinsdürre ist dabei bei Weitem nicht nur auf die USA beschränkt. In Europa hat sich die 10-jährige deutsche Bund auf minus 0,10 Prozent erholt, aber was ist auch hier mit der Inflationsrate? Man hat in Deutschland im April die Zweiprozentmarke geknackt, das deutsche EZB-Präsidiumsmitglied Isabel Schnabel rechnet in Kürze schon mit dem Überschreiten von drei Prozent.

Die Wirtschaft in Europa erholt sich, die Infektionsdaten um Covid-19 gehen stark zurück, selbst in den Hotspots der Pandemie, Polen und Tschechien, haben sich die aktiven Infektionszahlen gezehntelt. Zugleich ist man bei der Quote der Erstimpfungen in den Ländern Kerneuropas schon fast überall bei einem Drittel der Bevölkerung angelangt.

Was natürlich auch auf dem alten Kontinent zu einer Diskussion über das Thema Tapering führt. Auf der nächsten EZB- Sitzung im Juni (10.6.) könnte es Hinweise geben, wie es mit dem Anleiheprogramm in der Corona-Pandemie, genannt PEPP, weitergeht. Denn im zweiten Quartal hat die EZB das Kauftempo innerhalb des Programms sogar noch deutlich erhöht. Auf der Juni-Sitzung wird sich nach Lage der Dinge der EZB-Rat mit der Frage befassen müssen, ob man das erhöhte Kauftempo länger beibehalten wird. Einige Ratsmitglieder, wie der niederländische Notenbankchef Klaas Knot, haben inzwischen eine Drosselung des Kauftempos ins Spiel gebracht.

Das alles kann eigentlich nicht zu einer ruhigen Phase der Aktienmärkte führen, vor allem wenn man sich die unglaubliche Divergenz zwischen einem weiteren Inflationsanstieg und dem total retardierten Anstieg der Kapitalmarktzinsen an den Bondmärkten betrachtet.

Die Differenz muss sich schließen, auf welche Art auch immer.

Fazit

Die Diskussion um die Inflation und ihre Dauerhaftigkeit dürfte das große Thema der nächsten Wochen für die Aktienmärkte bleiben. Schließlich sind es noch zwei Monate, in denen der Basiseffekt noch gewaltig zu spüren sein wird. Daher dürfte die Spekulation an den Märkten weitergehen, jedes Wirtschaftsdatum wird auf seine (dauerhafte) Qualität für die Beurteilung der Teuerung untersucht werden.

Aber Thema Nummer eins ist und bleibt die Liquidität an den Märkten und die Aufrechterhaltung von Anleihekäufen durch die Notenbanken, in erster Linie durch die Federal Reserve – in einem Ausmaß und in Größenordnungen, wie man es nach großen Katastrophen erwarten würde. Die nächste Fedsitzung (16. Juni) rückt näher und man wird sich im Offenmarktausschuss schon jedes Wort überlegen, welches der Fed-Präsident in die Öffentlichkeit „hinausposaunen“ wird. Jerome Powell war Zeitzeuge von Taper Tantrum 1.0  und er will seine Amtszeit bestimmt nicht mit einem Taper Tantrum 2.0 beschließen. Der erfahrene Powell weiß natürlich, dass die Börse immer verschnupft reagiert, wenn sie überrascht wird und es nicht antizipieren konnte. Aber es wird zu einem Tapering kommen müssen. Also, wie sage ich es meinem Kinde?



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