Seit Monaten kennen die Aktienmärkte nur eine Richtung: nach oben. Die großen US-Börsen, allem voran der S&P 500, haben wochenlang eine eindrucksvolle Rekordjagd hingelegt, doch zuletzt kam der Anstieg ins Stocken. Die Rally an der Wall Street hat eine Pause eingelegt, nachdem robuste Konjunkturdaten und hawkishe Aussagen einiger Fed-Mitglieder die Zinssorgen verstärkt hatten. Auch die nachlassende Abkühlung der Inflation schürt die Sorge, dass die fest eingeplante Lockerung der Geldpolitik später und weniger aggressiv erfolgt, als von den Märkten erwartet. Doch obwohl die Rally schon sehr weit fortgeschritten ist und sich die Zinswende immer weiter nach hinten verschiebt, bleibt die Stimmung an den Aktienmärkten ausgelassen. Nun könnte mit der Berichtssaison der nächste Lackmustest für die Aktienmärkte anstehen. Schluss mit den Zinssätzen und der Fed-Politik, es ist an der Zeit, dass die Gewinne der Unternehmen die nächste Etappe der rekordverdächtigen Aktienmarktrally einleiten, so Bloomberg.
Berichtssaison als Katalysator für die Aktienmärkte
Die Strategen an der Wall Street sind optimistisch, dass die amerikanischen Unternehmen im Zuge des anziehenden globalen Wirtschaftswachstums eine weitere Rekordsaison bei den Gewinnen hinlegen werden. Selbst bei den teuren Technologiewerten, die im letzten Quartal der Haupttreiber an den Aktienmärkten waren, werden wieder solide Ergebnisse erwartet. Obwohl der S&P 500 Index sein bestes erstes Quartal seit fünf Jahren hinter sich hat und weiterhin in der Nähe seines Allzeithochs notiert, zögern Marktexperten, gegen weitere Zuwächse zu wetten.
„Es ist viel zu früh, um die Rally an den US-Aktienmärkten zu bremsen“, sagte Manish Kabra, Leiter der US-Aktienstrategie bei der Societe Generale SA. „Die Dynamik wurde durch die Gewinnaussichten gestützt, und ich gehe davon aus, dass sie noch mindestens ein weiteres Quartal anhalten wird.“
Kabra gehört zu einer Reihe von Wall Street-Strategen, die in den letzten Wochen ihre Jahresendprognosen für den S&P 500 angehoben haben.
Nach Ansicht der Strategen der Deutschen Bank unter der Leitung von Parag Thatte werden die Gewinne der S&P 500-Unternehmen im ersten Quartal voraussichtlich um „gesunde“ 10 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigen. Und laut einem Index der Citigroup überwogen im ersten Quartal die Gewinn-Heraufstufungen der Analysten gegenüber den Herabstufungen.
Berichtssaison: Starkes erstes Quartal erwartet
„Es ist wahrscheinlich, dass die Berichtssaison für das erste Quartal immer noch ziemlich stark sein wird, vor allem wenn man bedenkt, wie stark das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal war“, sagte Cayla Seder, Makro-Multi-Asset-Strategin bei dem Vermögensverwalter State Street.
Die steigenden Gewinnprognosen verringern die Sorge, dass sich der breite Aktienmarkt in einer Blase befindet. Nach einem Anstieg von 9 % in diesem Jahr liegen die S&P-Bewertungen weit über ihrem 20-Jahres-Durchschnitt. Zudem liegt der Index bereits etwa 4 % über dem durchschnittlichen Ziel der von Bloomberg im letzten Monat erfassten Strategen.
Der Kaufrausch der Anleger reißt indessen nicht ab, da die Aktienquoten nach einem Tiefstand im Oktober aufgrund positiver Prognosen für das Wirtschaftswachstum nach Angaben der Deutschen Bank stark angestiegen sind. Es wird erwartet, dass das Aktien-Engagement jetzt abflacht, da die Unternehmen vor der Berichtssaison eine Sperrfrist für Aktienrückkäufe einhalten. Die Niveaus sind jedoch nicht hoch genug, um einen Ausverkauf an den Aktienmärkten in Abwesenheit eines negativen Katalysators zu rechtfertigen, schrieb ein Team des Unternehmens unter der Leitung von Thatte in einer Notiz.
Andere Strategen stimmen dem zu. Das Vertrauen der Aktienanleger ist so hoch wie seit fast zwei Jahren nicht mehr, aber die Stimmung ist immer noch weit von den euphorischen“ Werten entfernt, die typischerweise einen Höchststand signalisieren, sagte Savita Subramanian, Strategin der Bank of America Anfang des Monats.
„Wenn wir über das Sentiment sprechen, bin ich der Meinung, dass die Stimmung, egal ob sie wirklich negativ oder positiv ist, kurzfristig in beide Richtungen gehen kann, solange die Informationslage so ist, wie sie ist“, so Citigroup-Stratege Scott Chronert.
Skepsis wegen Fed-Poltik
Natürlich herrscht bei einigen Marktteilnehmern Skepsis, nachdem Beamte der Federal Reserve letzte Woche die Möglichkeit ins Spiel gebracht haben, die Zinsen länger als erwartet hoch zu halten. Diese Äußerungen lösten am vergangenen Donnerstag den größten Tagesverlust beim S&P 500 seit fast zwei Monaten aus. Die volatile Woche veranlasste auch die lange Zeit zufriedenen Händler, sich mit den Absicherungen zu befassen, die sie seit Monaten ignoriert haben.
Der laue Start der Aktienmärkte in den April hat die Kunden von JPMorgan dazu veranlasst, sich zu fragen, ob die Rally ihren Höhepunkt erreicht hat und ob die jüngsten Kursbewegungen auf etwas „viel Schlimmeres in der Wirtschaft“ hindeuten, so Andrew Tyler, Leiter der US-Marktbeobachtung bei der Bank, in einer Notiz.
Er ist jedoch nicht überzeugt. „Ich glaube nichts von alledem“, schrieb Tyler an seine Kunden. „Es ist möglich, dass wir einen Rückschlag von 2 bis 3 % erleben, aber dazu müssen wir entweder eine Verschlechterung der makroökonomischen Lage oder eine Berichtssaison mit negativem sequenziellem Wachstum sehen.
Die Umkehrung der Aktienkurse am Freitag nach dem unerwartet guten US-Arbeitsmarktbericht zeigt auch, wie sehr die Händler darauf erpicht sind, jeden Dip zu kaufen.
Es kommt auf die Gewinne an
Darüber hinaus sind die Prognosen für die Gewinne im Technologiesektor nach wie vor gut, und die Analysten erwarten, dass der Sektor im ersten Quartal einen Gewinnanstieg von 20 % verzeichnen wird. Gleichzeitig hellen sich die Aussichten für die konjunktursensibleren Sektoren auf, was auf eine breitere, gesündere Rally an den Aktienmärkten hindeutet, wenn die Nachzügler aufholen.
Für Charlie Ashley, Portfoliomanager bei Catalyst Capital Advisors LLC, hängt das Schicksal der Aktienmärkte von diesen Prognosen ab.
„Die Multiplikatoren sind im Moment sehr hoch, daher muss die Ertragsstärke anhalten“, so Ashley. „Wenn die Erträge der Unternehmen schwächer werden, ist das ein Warnsignal, denn darauf folgt wahrscheinlich eine Abschwächung der US-Verbraucher und der Wirtschaft.
FMW/Bloomberg
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