Gas

Alarmstufe Gas: Was Industrie und Analysten dazu sagen

Robert Habeck hat die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Hier dazu zur Einordnung Stimmen von Analysten und Verbänden.

Gas-Flamme

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat heute Vormittag die Alarmstufe Gas ausgerufen, genauer gesagt die „Alarmstufe“ im „Notfallplan Gas“ – die zweite von drei Stufen – danach würde dann die Notfallstufe folgen. Der nach unserer Meinung entscheidende Punkt in der jetzt ausgerufenen Alarmstufe ist: Jetzt kann der Gesetzgeber es den Versorgern erlauben, trotz bestehender Verträge mit Kunden die höheren Einkaufskosten sofort an die Kunden weiterzureichen. Man hat jetzt die Möglichkeit hierfür geschaffen, aber setzt diese Möglichkeit noch nicht in die Tat um. Aber dass dies in Tagen oder Wochen passieren kann, ist beim Blick auf die Gaspreise am Großhandelsmarkt (Terminmarkt) ein realistisches Szenario. Diese mögliche Weitergabe von steigenden Einkaufspreisen ist essenziell wichtig, damit Großhändler oder Versorger die Lieferungen nicht einstellen – weil sie dank immer größeren Differenzen zwischen Einkaufs- und Verkaufskosten in die Verlustzone rutschen. Was sagen die Industrie und Analysten zur heute verkündeten Alarmstufe im Notfallplan Gas?

Alarmstufe im Notfallplan Gas – DIHK fordert fairen Ausgleich

Peter Adrian als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) fordert in einem aktuellen Kommentar zur Alarmstufe im Notfallplan Gas, dass ein fairer Ausgleich zwischen Gasversorgern und Gaskunden nötig ist. Zwar sei die Versorgung mit Gas kurzfristig noch gesichert, dennoch seien die Unternehmen über die Branchen hinweg in allerhöchster Sorge. Es sei gut, dass die Bundesregierung die Weitergabe der höheren Gaspreise an die Kunden trotz bestehender Verträge aktuell nicht ermöglicht, und selbst inzwischen die großen Nachteile eines solchen Verfahrens sieht.

Es muss laut Peter Adrian jetzt bei den unvermeidbaren Kostenbelastungen ein fairer Ausgleich zwischen den Gasversorgern und den Gaskunden geschaffen werden. Sonst bestehe die Gefahr, dass insbesondere Unternehmen in der energieintensiven Industrie ihre Produktion einstellen und in der Folge Insolvenzen drohen. In der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage bezeichnen neun von zehn Industriebetrieben die hohen Energiepreise schon jetzt als großes Geschäftsrisiko. Zudem würden immer mehr Verträge mit niedrigen Gaspreisen auslaufen. Damit wachse die Belastung der Wirtschaft jeden Tag ohnehin weiter. Letztlich würden die höheren Preise auch die Verbraucher treffen. Nach den Rückmeldungen aus den Unternehmen würden sich drei Viertel der Betriebe schon jetzt gezwungen sehen die gestiegenen Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Viele Branchen hätten dazu aber keine oder nur begrenzte Möglichkeiten.

Angesichts dieser dunklen Wolken müsse man laut Peter Adrian nun gemeinsam alles tun um für den Winter Gas einzusparen. Die Pläne der Bundesregierung, Gaseinsparungen in der Industrie zu belohnen, seien richtig. Sie müssten nun aber rasch an den Start gehen. Außerdem sollte es den Unternehmen erlaubt werden kurzfristig von Gas auf Heizöl oder Kohle umzusteigen. Dem stünden bislang aber noch umweltrechtliche Vorschiften im Weg. Auch sollten seiner Aussage nach die staatlichen Notfallzahlungen kurzfristig auf gasintensive Betriebe ausgeweitet werden.

Analysten glauben, dass es gerade noch so reichen könnte für den Winter

Von den Experten der Commerzbank haben die Analysten Bernd Weidensteiner und Barbara Lambrecht die Ausrufung der Alarmstufe im Notfallplan Gas heute Mittag analysiert. Wir zeigen die Analyse der Commerzbanker hier in verkürzter Fassung. Deutschland könnte es ihrer Aussage nach mit Einsparungen und anderweitigen Lieferungen von Gas gerade so schaffen, ohne drastische Rationierungen durch den Winter zu kommen. Die Unsicherheiten würden aber sehr hoch bleiben.

Sollten die russischen Lieferungen für den Rest des Jahres auf dem gegenwärtig niedrigen Niveau bleiben, wäre die ausreichende Versorgung Deutschlands mit Erdgas stark gefährdet. Insbesondere wäre die geplante Befüllung der Erdgasspeicher, die in den Sommermonaten stattfindet, nicht in der nötigen Menge möglich, um die für November angestrebten Füllstände von 90 Prozent zu erreichen.

Die ersten beiden schwimmenden Flüssigerdgasterminals der insgesamt vier bestellten FRSUs könnten bei Volllast etwa ein Achtel des deutschen Erdgasbedarfs decken. Allerdings ist nicht klar, wann genau die Terminals diese Kapazität zur Verfügung stellen können. Sollten die Terminals alle im nächsten Jahr in Betrieb sein, dürfte die Krise im Großen und Ganzen ausgestanden sein, sofern es Deutschland schafft, am knappen globalen LNG-Markt die entsprechenden Mengen einzukaufen.

Die erste Maßnahme der „Alarmstufe“ im Notfallplan Gas ist die Wiederinbetriebnahme der Kohlekraft, um die Gaskraftwerke zu ersetzen. Auf die reine Stromerzeugung entfällt rund 6 Prozent des Gasverbrauchs. Dies lasse sich komplett einsparen. Bei Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung (etwa 11 Prozent des Erdgasverbrauchs) ließen sich etwa 30 Prozent einsparen – bei Industriekraftwerken, die auch Prozesswärme erzeugen (24 Prozent des Verbrauchs), lediglich 8 Prozent.

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Alles in allem könnte es laut Aussage von Bernd Weidensteiner und Barbara Lambrecht gerade so gelingen, die Ausfälle auszugleichen, ohne dass es zu drastischen Rationierungen von Gas kommen muss. Dies gelte aber nur dann, wenn die russischen Lieferungen nicht noch weiter verringert werden. Es werde also in den Wintermonaten sehr knapp werden. Die Ungewissheit bleibe aber hoch. Entscheidend seien die Antworten auf folgende Kernfragen:

1. Bleiben die russischen Lieferungen auf dem gegenwärtig niedrigen Niveau oder sinken sie weiter? Dann wären auf jeden Fall einschneidende Rationierungen nötig. 2. Ab wann können die FRSU mit voller Leistung Gas in das deutsche Leitungsnetz einspeisen? Die Commerzbanker haben angenommen, dass bereits gegen Jahresanfang 2023 erhebliche Mengen an LNG eingespeist werden können. Dies mag eine zu optimistische Prognose sein. 3. Können marktkonforme Lösungen die erhofften Einsparungen sicherstellen? Nur dann wäre die mit den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten verbundene Einsparlösung realistisch. Staatlich verordnete Rationierungen würden dagegen eine schwere Rezession unvermeidlich machen.

Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft mit Stellungnahme

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat inzwischen auch eine Stellungnahme zur ausgerufenen Alarmstufe im Notfallplan Gas veröffentlicht. Die Ausrufung der Alarmstufe sei richtig. Derzeit sei die Versorgung mit Gas gewährleistet, aber man müsse den Blick auf den kommenden Winter richten. Es gehe darum alles für möglichst hohe Speicherfüllstände zu tun und die Einspeicherziele zu erreichen. Die Energiewirtschaft stehe hierzu in engem Austausch mit der Bundesregierung und der Bundesnetzagentur. Man brauche jetzt eine gemeinsame Kraftanstrengung. Die Bundesregierung habe eine Reihe von Instrumenten eingeführt um die Versorgungssicherheit zu stärken und die Einspeicherung von Gas zu beschleunigen. Besonders wichtig sei eine enge europäische Abstimmung.

Die Energiewirtschaft leistet laut BDEW hier einen wichtigen Beitrag. Um den Gasverbrauch in Deutschland zu senken, wird die Stromerzeugung aus Gas im Bedarfsfall reduziert. Als Ersatz sollen Kohlekraftwerke aus der Netz- und Sicherheitsreserve und solche, die im Rahmen des Kohleausstiegs dieses oder im kommenden Jahr aus dem Markt ausgeschieden wären, in Betriebsbereitschaft versetzt werden. So können Stein- und Braunkohle-Kraftwerke in einem begrenzten Zeitraum wieder Strom erzeugen, um mögliche Mindermengen aus Gaskraftwerken auszugleichen.

Die Bundesregierung habe die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Industrie aufgerufen, dort wo es geht, heute schon Energie einzusparen. Je mehr Gas heute schon eingespart wird, desto mehr können man laut BDEW für die Speicherbefüllung nutzen. Wie sich die Ausrufung der Alarmstufe im Notfallplan Gas auf die Endkundenpreise auswirken wird, lasse sich derzeit noch nicht genau abschätzen. Klar sei, dass aufgrund des ohnehin sehr hohen Börsenpreisniveaus der Druck auf die Gaspreise weiter steigen wird.

Bei erheblich reduzierten Gesamtimportmengen nach Deutschland könne die Situation eintreten, dass Gasversorger nicht die langfristig gekauften Gasmengen erhalten, sondern zu den aktuell sehr hohen Großhandelspreisen Ersatz beschaffen müssen. Es besteht laut BDEW dann das Risiko, dass Energieversorger diese dann extrem teuren Zukäufe finanziell nicht mehr stemmen können und letztlich die Gewährleistung der Energieversorgung bedroht wäre. Die Preis-Entwicklung müsse daher weiterhin sehr aufmerksam beobachtet werden. Die Handlungsfähigkeit der Unternehmen müsse bei Bedarf sehr kurzfristig gesichert werden können, damit sie die erforderlichen Gasmengen trotz extrem steigender Börsenpreise beschaffen und liefern können.



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1 Kommentar

  1. Und dafür müssen die Experten so lange rechnen?
    Ich hatte mit Weihnachten gerechnet, und bin auf die Neujahrsansprache gespannt.
    ntv mobil: Schon im Dezember droht der Gas-Notfall

    https://www.n-tv.de/23418499

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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