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Arbeitsmarkt in Corona-Zeiten: Die große Sinnestäuschung

Viel Schatten am deutschen Arbeitsmarkt

Der deutsche Arbeitsmarkt kommt stabil durch die Coronakrise, und irgendwie hat der deutsche Staat die Lage schon im Griff mit all den Hilfsprogrammen? Das könnte man meinen. Wer nur etwas genauer hinschaut, erkennt sehr schnell die Sinnestäuschung, der man erliegen kann. Ganz aktuell wird sie erneut befeuert, wenn man die heutige Meldung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) liest. Das IAB ist eine Tochter der Bundesagentur für Arbeit, und forscht zum deutschen Arbeitsmarkt. Was lesen wir da heute vom IAB?

Im zweiten Quartal fiel das Arbeitsvolumen in Deutschland auf das niedrigste Niveau seit der Wiedervereinigung. Aber, so liest man in der Headline-Aussage des IAB auch, dass das offenbar nicht an der hohen Arbeitslosigkeit liegt. Denn Zitat „der Rückgang bei der Zahl der Erwerbstätigen blieb in Anbetracht des immensen wirtschaftlichen Schocks dagegen begrenzt“. Und warum ist das Arbeitsvolumen dann so derart stark gefallen von April bis Juni? Zitat: „Die Arbeitszeit ist vor allem durch Kurzarbeit, Abbau der Zeitguthaben auf den Arbeitszeitkonten, Freistellungen und weniger Überstunden gesunken“.

Kurzarbeit der entscheidende Faktor für den „schönen“ Blick auf den Arbeitsmarkt

Das Wort „Kurzarbeit“ wird im letzten Satz als einer von vier Faktoren erwähnt. Aber, so möchten wir erinnern: Die Kurzarbeit ist letztlich nichts weiter als versteckte Arbeitslosigkeit, nur dass die Belegschaft nicht vom Arbeitgeber entlassen wird. Millionen de facto Arbeitslose wurden die letzten Monate aufgrund dieses (durchaus sinnvollen) Instruments des deutschen Arbeitsmarkts nicht als arbeitslos geführt, obwohl sie es in der Realität zu großen Teilen waren. Hier wird aber so getan, als sei die Kurzarbeit als Instrument genau so unbedeutend wie etwa der Abbau von Zeitguthaben.

Im zweiten Quartal waren im Hochpunkt mehr als 7 Millionen Arbeitnehmer auf Kurzarbeit! Man stelle sich mal vor, zu den 2,85 Millionen (offiziell) Arbeitslosen zu Ende Juni würde man die mehr als 7 Millionen Kurzarbeiter dazu packen, und hätte offiziell 10 Millionen Arbeitslose verkündet. Im August sind es immer noch 4,5 Millionen Kurzarbeiter, womit man auf gut 7,5 Millionen Arbeitslose kommen würde. Dies würde für die deutsche und internationale Öffentlichkeit kein so rosiges Bild vom deutschen Arbeitsmarkt zeigen, und die Aufbruchstimmung nach der Coronakrise wäre sicherlich nicht so gut. Liest man die heutigen Aussagen des IAB, könnte man glatt meinen, dass die Coronakrise am deutschen Arbeitsmarkt einfach so vorbeigezogen ist, ohne Auswirkungen: Zitat:

Die Zahl der Erwerbstätigen ist im zweiten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahresquartal um 1,3 Prozent gesunken und lag bei 44,7 Millionen. Dies ist vor allem auf die Rückgänge im April und Mai zurückzuführen. Gegenüber dem ersten Quartal 2020 ergibt sich saison- und kalenderbereinigt eine Abnahme von 1,4 Prozent.

Hier weitere Ausführungen des IAB im Wortlaut zu Arbeitsstunden, Zeitkonten und Kurzarbeit:

Die Daten zum Arbeitsvolumen zeigen die Auswirkungen der wirtschaftlichen Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie in ihrer vollen Wucht: Das Arbeitsvolumen ist im Vergleich zum Vorjahresquartal um 10,0 Prozent auf 13,3 Milliarden Stunden gesunken. Gegenüber dem ersten Quartal 2020 bedeutet das einen saison- und kalenderbereinigten Rückgang um 8,0 Prozent.

Die Arbeitszeit pro Erwerbstätigem betrug im zweiten Quartal 297,3 Stunden und sank damit um 8,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Im Vergleich zum ersten Quartal 2020 reduzierte sich die Arbeitszeit pro Erwerbstätigem saison- und kalenderbereinigt um 6,8 Prozent.

Nach ersten vorläufigen Hochrechnungen lag die Anzahl der Kurzarbeiter im zweiten Quartal 2020 mit rund 5,5 Millionen Personen auf einem historischen Höchststand. Dies entspricht einem Sechstel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Der Arbeitsausfall je Kurzarbeiter betrug dabei rund 45 Prozent. Bezogen auf alle Beschäftigten ging die Arbeitszeit im Vergleich zum Vorjahr aufgrund der Kurzarbeit um mehr als 19 Stunden zurück.

Zudem wurden im zweiten Quartal 2020 von den Beschäftigten im Schnitt 5,4 Stunden Guthaben auf den Arbeitszeitkonten abgebaut. Auch die Überstunden sind deutlich zurückgegangen. Die Beschäftigten machten im zweiten Quartal 2020 im Durchschnitt 4,0 bezahlte und 5,1 unbezahlte Überstunden. Im Vorjahresquartal leisteten sie 5,3 bezahlte und 5,7 unbezahlte Überstunden.



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3 Kommentare

  1. Diese statistischen Taschenspielertricks zum Seditieren der breiten Bevölkerung sind und waren verbreitet und werden auch bei uns gerade gerne eingesetzt.
    Das mag einem „guten Zweck“ dienen.
    Der Preis: Leute denen die reine Wahrheit nichts ausmachen würde fühlen sich verarscht und Verschwörungstheoretiker erhalten ungewollt Munition.

    Man lese halt mal die Bauzeitung, höre was intern bei den Autoherstellern geredet wird usw. Man schaue sich die DB, die Lufthansa, den Maschienen- und Anlagenbau an. Da knirscht es an allen Ecken und Enden.

    Machen Sie weiter Herr Kummerfeld! Sie greifen die richtigen Themen auf.

  2. Die zweite Welle wird kommen, es ist aber nicht die Corona-Welle die kommen wird.
    Vielmehr ist es die Arbeitslosenwelle die ansteht.
    Langfristig können die Unternehmen selbst mit Kurzarbeiterzuschlag die Mitarbeiter nicht mehr bezahlen und dann ist es soweit.

  3. Und die Insolvenzwelle die das ganze beschleunigen wird. Die Insolvenzwelle ,die ja momentan gesetzlich noch aufgehalten wird und von ganz gescheiten Leuten schöngeredet wird.

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