Sind US-Staatsanleihen der neu „Big Short“ – oder sollte man jetzt gerade diese US-Staatsanleihen kaufen und US-Aktien verkaufen?
Die Rating-Herabstufung der USA durch Fitch hat die Märkte aus ihrem sommerlichen Traum der letzten Wochen unsanft gerissen und für einen rasanten Kursverfall an den weltweiten Aktienmärkten gesorgt. Der DAX hat allein von seinem kürzlich erreichten Allzeithoch bei 16.528 Punkten innerhalb weniger Tage über 700 Punkte eingebüßt, und auch die Kurse langlaufender US-Staatsanleihen sowie die heiß gelaufenen Tech-Aktien stehen unter Druck.
Der Volatilitätsindex (VIX) ist ebenfalls angestiegen, und unruhige Börsenzeiten zeichnen sich ab. Als Anleger ist es ratsam, jetzt antizyklisch zu handeln und Anlagen mit attraktiven Abschlägen zu erwerben. Interessanterweise geraten langlaufende US-Staatsanleihen, trotz ihrer derzeit wenig attraktiven Erscheinung und der medialen Aufmerksamkeit, vermehrt in den Fokus. Bill Ackman, bekannter US-Investor, spricht gar vom nächsten „The Big Short“. Die gestrigen Kursverluste führten bereits dazu, dass die Renditen wieder über vier Prozent liegen.
Ein ETF, der diesen Markt gut abbildet, ist der TLT-ETF (Treasury Long Term) iShares 20 Plus Year Treasury Bond ETF.
Hier ein dazugehöriger Chart:
Für aufmerksame Beobachter der hervorragenden Videos von Rüdiger Born hier auf Finanzmarktwelt.de wird sofort erkennbar, dass die scharfe Abwärtsbewegung seit März 2020 von knapp 180 US-$ auf unter 92 US-$ bisher kaum eine nennenswerte Korrektur erfahren hat. Ein klassisches ABC-Muster ist hier schwer auszumachen, da eine C-Welle bis idealerweise zum 38er Retracement der großen Fibonacci-Projektion (bei ca. 125,41 US-$) fehlt. Gegenwärtig bewegt sich der Kurs des ETFs nahe dem 78er-Retracement der kleinen Aufwärtsbewegung von Oktober bis Dezember 2022, was nach Rüdiger Born die „last-line-of-defense“ für institutionelle Investoren darstellt und einen attraktiven Einstiegskurs bietet.
Wie auch in Bonrs Videos mehrfach erläutert, kann die erste Welle zwar bis zu 100 Prozent korrigiert werden, aber eben auch nicht mehr. Somit wäre ein Stopp Loss unter 91,85 US-$ für diese Handelsidee die entscheidende Make-or-Break-Linie. Wenn die Kurse diesen Punkt durchbrechen, wäre die Idee steigender Anleihekurse wohl hinfällig. Der Abstand, also das Risiko des Trades, beträgt aktuell etwa 4,5 US-$. Demgegenüber liegt das Kursziel mehr als 30 US-$ entfernt, sodass sich hier ein überaus attraktives Chancen-Risiko-Verhältnis ergibt (mindestens 6:1).
Eine weitere spannende Perspektive auf US-Anleihen wird von den Machern von Game of Trades immer wieder in ihren YouTube-Videos aufgezeigt: die relative Performance des S&P 500 im Vergleich zu den US-Anleihen. Hier der dazugehörige Chart:
Gegenwärtig hat der Kurs das obere Ende des Trendkanals erreicht, und in der Vergangenheit gab es dort immer wieder Rücksetzer. Dies deutet darauf hin, dass sich Anleihen in Zukunft möglicherweise besser entwickeln als der S&P 500. Die Analysten von Game of Trades sehen darin einen vielversprechenden Zeitpunkt, um Aktien zu verkaufen und stattdessen auf Anleihen zu setzen.
Wechselkursrisiko
Es ist jedoch ratsam, als Anleger das Wechselkursrisiko zu berücksichtigen, da dieses die Rendite erheblich beeinflussen kann – sowohl negativ als auch positiv. Um dieses Risiko zu eliminieren, gibt es zwei Möglichkeiten: Erstens, man verkauft den gleichen Betrag in US-Dollar, der in den TLT-ETF investiert wurde, gegen Euro bei einem Broker und löst beide Positionen gleichzeitig auf.
Aktuell könnte man sogar von den täglichen Haltekosten profitieren, aufgrund des Zinsvorteils des US-Dollars gegenüber dem Euro. Zweitens, man investiert direkt in einen Euro-hedged-ETF wie den iShares $ Treasury Bond 20+yr UCITS-ETF (IUSV). Dadurch wird das Wechselkursrisiko minimiert, und man kann sich voll und ganz auf die potenzielle Wertentwicklung des Anlageinstruments konzentrieren, ohne sich um Währungsschwankungen Sorgen machen zu müssen.
Sind US-Staatsanleihen tatsächlich der nächste „The Big Short“?
Die Frage, ob US-Staatsanleihen tatsächlich der nächste „Big Short“ werden, ist ein heiß diskutiertes Thema an der Börse. In diesem dynamischen Umfeld sind unterschiedliche Meinungen unerlässlich, denn sie treiben den Handel voran. Wie Finanzmarktwelt.de berichtete, setzt Bill Ackman, der renommierte US-Starinvestor, derzeit auf weiter fallende langlaufende US-Staatsanleihen und sieht darin sogar den potenziellen „The Big Short“.
Doch eine neutrale Betrachtung der Kursentwicklung wirft die Frage auf, ob nicht bereits der Großteil der Kursverluste abgearbeitet wurde.
Die steigenden langlaufenden Renditen könnten jedoch weiteren Stress im Finanzsystem verursachen. Ob die Notenbanken dies dauerhaft zulassen können, ohne zu intervenieren, bleibt spekulativ, aber denkbar und plausibel. Für diejenigen, die dennoch in langlaufende US-Staatsanleihen investieren möchten, bietet sich die Absicherung der Position an. Besonders Tech-Aktien reagieren stark auf die Renditen der langlaufenden US-Staatsanleihen, sodass steigende Renditen zu spürbaren Verlusten bei Wachstumsunternehmen führen könnten. Eine Short-Position im Nasdaq oder in einem ETF könnte somit als Absicherungsstrategie dienen.
Der Technology Select Sector SPDR Fund – ETF (XLK) ist ein geeigneter ETF für diese Absicherung. Einige Broker, wie z.B. CMC Markets, ermöglichen den direkten Handel von ETFs mit einem Hebel von 5:1, sowohl Long als auch Short. Hier ist ein Chart des ETFs im Vergleich zu den Renditen der 20-jährigen US-Anleihen:
Historisch gesehen führten steigende Renditen zu Druck auf die Tech-Aktien. Im vorliegenden Chart sind zwei Bereiche eingekreist, die jeweils den Start- und Hochpunkt eines neuen Bewegungsimpulses darstellen. Während des Anstiegs der Renditen von Ende 2021 bis zum Hochpunkt im Oktober 2022 erlitt der ETF einen Rückgang von etwa 35 Prozent ausgehend vom aktuellen Niveau.
Diese Beobachtung lässt darauf schließen, dass eine Short-Position in diesem ETF als wirksame Absicherung für langlaufende US-Staatsanleihen dienen kann. Bei steigenden Renditen könnten die Tech-Aktien erneut unter Druck geraten, wodurch eine Short-Position im genannten ETF dazu beitragen könnte, potenzielle Verluste in Anleihen-Investments auszugleichen.
Dennoch ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass die Finanzmärkte keine linearen Muster folgen und dass vergangene Performance keine Garantie für zukünftige Ergebnisse ist. Daher sollte jede Investitionsentscheidung sorgfältig und auf der Grundlage fundierter Analysen getroffen werden.
Fazit: Investieren an der Börse gleicht oft einem Spiel im Casino. Man kann gute Entscheidungen treffen und dennoch das Risiko nicht komplett ausschalten. Letztendlich ist es wie bei einer Wette auf Schwarz oder Rot – mit dem Unterschied, dass hier nicht die Kugel, sondern die weltweite Wirtschaft das Ergebnis bestimmt. Also, halten wir uns lieber nicht an unsere vermeintliche Glaskugel, sondern genießen das Abenteuer des Investierens mit all seinen Höhen und Tiefen.
Und wer weiß, vielleicht wird gerade diese ungewisse Spannung zur besten Unterhaltung, die man sich an der Börse wünschen kann! In diesem Sinne: Viel Erfolg und möge das Glück stets auf Ihrer Seite sein!
Kursdaten aus https://de.tradingview.com
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