Inmitten des größten US-Bankenbebens seit der Finanzkrise steigen die Kurse der Big Tech-Aktien erheblich an und pushen damit auch den Technologieindex Nasdaq nach oben. Während die Turbulenzen im Bankensystem die Märkte durchschütteln, verzeichnen Microsoft und Alphabet die beste Woche seit langer Zeit. Die Angst vor weiteren Ansteckungen im Bankensektor trieben Investoren schließlich in die Big Techs, die immer noch als sicherer Hafen gelten. Doch die Flucht in Unternehmen wie Apple, Alphabet und Microsoft birgt auch Risiken. Denn die Werte sind inzwischen sehr sportlich bewertet und die Gewinnaussichten sind trüb, wie die letzte Berichtssaison gezeigt hat. Darüber hinaus bildet sich auch noch ein Klumpenrisiko.
Big Tech: 600-Milliarden-Dollar-Rally
Bloomberg berichtet aktuell, dass eine Rally von 634 Milliarden Dollar in diesem Monat bei den drei größten Megakonzernen des Nasdaq 100, den technologielastigen Index fast in einen neuen Bullenmarkt geführt hat. Die Art und Weise des Aufschwungs deutet jedoch darauf hin, dass er nicht mehr lange andauern wird.
Die Zuwächse bei Apple, Alphabet und Microsoft wurden durch ihren sogenannten Safe-Haven-Status angeheizt, da die Furcht vor einer Ansteckung im Bankensektor die Anleger zu den kapitalstarken Bilanzen und dauerhaften Ertragsströmen der Megacaps trieb. Drei weitere Index-Schwergewichte – Nvidia, Meta Platforms und Tesla – gehören ebenfalls zu den größten Gewinnern im März.
Doch auch wenn Big Tech in turbulenten Zeiten eine gewisse Sicherheit bieten kann, ist es nicht ohne Risiken. Die Bewertungen sind hoch, die Gewinnaussichten trüb, und ein Schlüsselfaktor für den Aufschwung – sinkende Anleiherenditen – könnte sich als kurzlebig erweisen.
„Im Moment zahlt man einen hohen Aufschlag für die Beteiligung an diesem Sektor in einer Zeit überdurchschnittlicher Risiken, was darauf hindeutet, dass das Renditepotenzial von hier aus nicht großartig aussieht“, sagte Keith Lerner, Co-Chief Investment Officer bei Truist Advisory Services. „Tech ist nicht unser Favorit, aber während andere Branchen auch nicht gut aussehen, ist der Tech-Sektor so überlaufen, dass wir einen echten Umschwung erleben könnten, wenn die Stimmung kippt“.
Nasdaq fast wieder im Bullenmarkt
Mit dem Anstieg von 6,2 % in diesem Monat liegt der Nasdaq 100 dank Big Tech nun 19,7 % über seinem Dezembertief und damit nahe der 20 %-Schwelle, die einen neuen Bullenmarkt darstellt. Einem Plus von 17 % seit Jahresbeginn steht ein Plus von 3,4 % für den S&P 500 gegenüber.
Die Rückbesinnung auf große Technologieunternehmen, eine teilweise Umkehrung der Schwäche im Jahr 2022, nahm an Fahrt auf, nachdem der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank zu Ansteckungsängsten geführt hatte. Gleichzeitig führte die Sorge um die wirtschaftlichen Folgen der Krise dazu, dass die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen von einem Höchststand von über 4 % Anfang dieses Monats auf etwa 3,5 % abstürzte.
Niedrigere Renditen wirken sich positiv auf die Bewertungen von Wachstums- und Technologieunternehmen aus, da sie den Gegenwartswert künftiger Erträge erhöhen. Doch der Rückgang der Renditen ist möglicherweise nicht von langer Dauer. Vor allem dann nicht, wenn das Schlimmste für die Banken vorbei zu sein scheint und die US-Notenbank ihren Zinskurs zur Bekämpfung der Inflation entgegen der aktuellen Markterwartung fortführt.
Fundamental hat sich für Big Tech nichts geändert
Es ist nicht so, dass der Aufschwung der Big Tech-Aktien und der Technologiebranche mit einer Verbesserung der Fundamentaldaten einhergegangen wäre. Den Daten von Bloomberg Intelligence zufolge werden die Gewinne des Sektors im Jahr 2023 voraussichtlich um 7,7 % sinken, verglichen mit dem vor sechs Monaten erwarteten Wachstum von 5,2 %. Die Prognosen für das Umsatzwachstum haben sich im gleichen Zeitraum ebenfalls ins Negative gedreht, wobei der Konsens von einem Anstieg um 6 % auf einen Rückgang um 0,5 % zurückging.
Sinkende Schätzungen haben den Effekt, dass die Aktien zu einem Zeitpunkt teurer erscheinen, zu dem der Sektor bereits über seinem langfristigen Multiplikator liegt. Der Nasdaq 100 wird mit dem 24-fachen der geschätzten Gewinne gehandelt und liegt damit schon deutlich über seinem 10-Jahres-Durchschnitt von 20. Sowohl Apple als auch Microsoft, die beiden mit Abstand größten Komponenten, liegen deutlich über ihren langfristigen Durchschnittswerten, während die Bewertung für Nvidia fast doppelt so hoch ist, wie der 10-Jahres-Durchschnitt.
Michael Nell, ein leitender Investmentanalyst und Portfoliomanager bei UBS Asset Management, bleibt langfristig positiv für die Technologiebranche gestimmt, weist aber darauf hin, dass die Dynamik in nächster Zeit nachlassen könnte.
„Aktuell sind die Bewertungen generell überzogen, und wenn sich die Anleger mit dem Gedanken anfreunden, dass die Welt nicht untergeht, könnten sie das Gefühl haben, dass dieser Trend ausgereizt ist.
Tech-Chart des Tages
Die Aktien von Alphabet sind auf dem besten Weg, den größten monatlichen Zuwachs seit mehreren Jahren zu erzielen, da die Google-Muttergesellschaft den breiten Vormarsch der Big Tech-Aktien anführt. Die jüngsten Kursgewinne sind auch auf die Veröffentlichung des Bard-Chatbots des Unternehmens zurückzuführen, der nach Ansicht von Analysten der Bank of America dazu beitragen könnte, die Bedenken hinsichtlich der Gefahr einer Konkurrenz durch Microsofts KI-gestütztes Bing zu zerstreuen.
FMW/Bloomberg
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