Bricht das Kartenhaus zusammen? China: Finanzcrash? Immobilien-Krise erfasst Schattenbanken

China steckt in einer Immobilien-Krise – und diese Krise erfaßt nun auch die Schattenbanken im Reich der Mitte: das Potential für einen Finanzcrash ist gegeben, wenn Peking keinen Lösungsweg findet.

In der Nacht auf den heutigen Freitag hat sich der chinesische Immobilienkonzern Evergrande in den USA für zahlungsunfähig erklärt – ein Zeichen, wie ernst die Lage für Unternehmen aus dem Immobilien-Sektor inzwischen ist. Das chinesische Immobilien-Unternehmen Country Garden, das viermal so viele Projekte betreut wie Evergrande, ist ebenfalls in einer ernsten Schieflage. Selbst viele staatliche Immobilien-Firmen schreiben Verluste. Daten von privaten Immobilien-Firmen in China zeigen, dass die Lage dramatischer ist als die offiziellen Zahlen der Regierung zeigen.

Wenn aber der Immobilien-Sektor wackelt, dann hat das in China einen Domino-Effekt: viele Schattenbanken sind massiv in den Sektor investiert und kommen nun selbst in Schieflage.

China: Immobilien-Krise und Schattenbanken – gefährlicher Coktail

Noch vor einer Woche fand die Zhongzhi Enterprise Group Co. innerhalb Chinas kaum Beachtung und war auch sonst fast unbekannt. Jetzt aber ist der geheimnisvolle Schattenbank-Riese das jüngste Symbol für die finanzielle Fragilität in einer 18-Billionen-Dollar-Wirtschaft, in der das Vertrauen von Anlegern, Unternehmen und Verbrauchern rapide schwindet. Darüber berichtet nun Bloomberg.

Der in Privatbesitz befindliche Verwalter von mehr als 1 Billion Yuan (137 Milliarden Dollar) und die mit ihm verbundenen Treuhandgesellschaften stehen unter intensiver Beobachtung, nachdem sie die Zahlungen an Tausende von Kunden eingestellt haben. Um die Bedeutung des Unternehmens zu unterstreichen, haben die Aufsichtsbehörden eine Task Force gebildet, um eine Ansteckung zu verhindern. Hinter den Kulissen hat das Unternehmen KPMG mit der Durchführung eines wahrscheinlich langwierigen Umstrukturierungsprozesses beauftragt. Mögliche Verkäufe von Vermögenswerten drohen die Märkte zu beeinträchtigen.

Die Probleme von Zhongzhi haben sogar Proteste ausgelöst und die Polizei veranlasst, einzugreifen, um verärgerte Kunden anzuweisen, in ihrer Verzweiflung, Verluste wieder hereinzuholen, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Als sich die Schwierigkeiten von Zhongzhi herumsprachen, stürzten chinesische Vermögenswerte ab und trugen dazu bei, dass der Yuan in die Nähe eines 16-Jahres-Tiefs geriet. Eine Zinssenkung der Zentralbank in dieser Woche hat wenig dazu beigetragen, das Vertrauen zu stärken, da die Besorgnis über weitere Insolvenzen im 2,9 Billionen Dollar schweren Vertrauenssektor des Landes zunimmt.

„Dies ist ein Problem, das sich nur noch verschärfen wird“, da immer mehr Fonds Zahlungen ausbleiben, sagte Kathy Lien, Geschäftsführerin von BK Asset Management, in einem Interview am Donnerstag auf BNN Bloomberg Television. „Es gibt nicht viel, was sie tun können“, sagte sie und bezog sich dabei auf Peking, das dies eine „Vertrauenskrise“ nannte.

Die Misserfolge stellen eine weitere Herausforderung für Peking dar, das bereits mit einer schwachen Wirtschaft, einem Ausverkauf von Immobilien und wachsenden geopolitischen Spannungen mit den USA zu kämpfen hat.

Bei Zhongzhi hat sich das Puzzle schnell gelöst, was das jüngste Zeichen für versteckte Risiken in Chinas undurchsichtigem Finanzsektor ist. Das Ganze kam durch drei Börsenberichte in Shanghai am späten letzten Freitag ans Licht, die Alarm schlugen, weil die Firma und Zhongrong International Trust, eine eng mit Zhongzhi verbundene Treuhandgesellschaft, versäumte Zahlungen für hochverzinsliche Anlageprodukte angeboten hatten.

Schattenbank Zhongrong plant Umstrukturierung der Schulden und holt KPMG ins Boot

Zhongrong ist eine der Top-10-Treuhandgesellschaften, die Einlagen von überwiegend wohlhabenden Einzelanlegern und Unternehmen bündelt, um in Aktien, Anleihen und andere Vermögenswerte zu investieren, und gleichzeitig Kredite an Firmen vergibt, die keinen Zugang zu traditionellen Banken haben. Obwohl sie im Verborgenen agieren, machen die Trusts nach Angaben von Bloomberg Economics fast 10% der gesamten Kreditvergabe in China aus.

Nach Angaben des Datenanbieters Use Trust hat Zhongrong in diesem Jahr 270 Produkte im Gesamtwert von 39,5 Milliarden Yuan fällig.

Um Bargeld anzulocken, bieten Trusts wie Zhongrong Zinssätze von 6% oder 8% für eine Laufzeit von einem Jahr an, was etwa dem Doppelten dessen entspricht, was Geschäftsbanken für ähnliche Produkte zahlen. Angesichts der fallenden Aktienkurse in China und der seit zwei Jahren rückläufigen Immobilienpreise haben diese scheinbar unverzichtbaren Fonds mit vierteljährlichen Auszahlungen Billionen von Yuan angezogen.

Für Joey, eine Kundin in Nordchina, der etwa 2 Millionen Yuan – mehr als eine Viertelmillion Dollar – in vier Zhongrong-Produkte mit einer Rendite von 4% bis 6% investierte, hat das Angebot funktioniert. Mehrere Nachbarn investierten ebenfalls. Sie allle fragen sich nun, ob sie ihr Geld zurückbekommen werden, nachdem die Zahlungen im Juni eingestellt wurden. Besuche bei der örtlichen Aufsichtsbehörde und der Polizei waren bisher erfolglos.

„Wir sind sehr verzweifelt“, sagte Joey, die aus Gründen des Datenschutzes ihren vollen Namen nicht nennen wollte. „Wir haben vielleicht keine andere Wahl, als früher oder später auf die Straße zu gehen“.

Die Probleme von Zhongronglenken den Blick auf die Treuhandbranche – das Unternehmen gehört zu den 10 größten Treuhandfirmen in China

Zhongzhi wurde 1995 von Xie Zhikun als Holzunternehmen gegründet, der bis zu seinem Tod im Jahr 2021 ein Vermögen im Druckereigewerbe machte, bevor er in den Bereich der notleidenden Vermögenswerte einschließlich Immobilien expandierte.

Bevor die Probleme von Zhongzhi an die Öffentlichkeit gelangten, hatte das Unternehmen bereits hinter den Kulissen gehandelt. Ende Juli beauftragte es KPMG mit der Überprüfung seiner Bilanz inmitten einer sich verschlimmernden Liquiditätskrise, sagten Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind und darum baten, nicht identifiziert zu werden. Das in Peking ansässige Unternehmen plant nach der Überprüfung eine Umstrukturierung der Schulden und den Verkauf von Vermögenswerten, um die Investoren zu entschädigen, so die Personen.

Es ist unklar, bei wie vielen Produkten Zhongzhi in Verzug geraten ist und ob das Unternehmen über ausreichende Vermögenswerte verfügt, um den Fehlbetrag im Falle einer Liquidation zu decken.

In den letzten Jahren haben Zhongzhi und seine Tochtergesellschaften, insbesondere Zhongrong, Finanzierungen für in Schwierigkeiten geratene Bauträger bereitgestellt und Vermögenswerte von Unternehmen wie der China Evergrande Group aufgekauft, obwohl die konkurrierenden Trusts ihre Risiken reduzierten.

Die Immobilien-Investitionen gerieten ins Minus, nachdem ein hartes Durchgreifen bei der Vergabe von Immobilienkrediten und ein Einbruch der Verkäufe während der Pandemie zu einer Flut von Zahlungsausfällen geführt hatten. Selbst Bauträger wie Country Garden Holdings Co., die die erste Pleitewelle überlebt haben, stehen angesichts der anhaltenden Konjunkturschwäche unter Druck. Der Verkauf von Wohnimmobilien in China ist im letzten Monat so stark eingebrochen wie seit einem Jahr nicht mehr, und Country Garden steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, nachdem das Unternehmen Kuponzahlungen verpasst hat.

Die Immobilien-Krise hat zu einem Liquiditätsengpass bei Treuhandgesellschaften wie Zhongrong geführt, die auf Investitionen und Kredite angewiesen sind, um die Einleger auszuzahlen. Nach Angaben von Bloomberg Economics sind schätzungsweise 10 % aller Treuhandvermögen – etwa 300 Milliarden Dollar – an den Immobiliensektor gebunden.

Probleme in der Treuhandbranche sind nichts Neues, aber die Größe von Zhongzhi hat die Bedenken noch verstärkt. Nach Angaben von Use Trust sind in diesem Jahr bis zum 31. Juli etwa 106 Treuhandprodukte im Wert von 44 Milliarden Yuan ausgefallen. Auf Immobilienanlagen entfielen wertmäßig 74 % der Ausfälle. Auch im vergangenen Jahr gab es Ausfälle in Milliardenhöhe.

„Die Ausfälle könnten die Stimmung unter den Anlegern und am Markt weiter belasten“, so die Fitch CreditSights-Analysten Zerlina Zeng und Karen Wu in einer Mitteilung. „Eine ungeordnete Abwicklung einer großen Treuhand- oder Vermögensverwaltungsgesellschaft könnte die kurzfristige finanzielle Stabilität auf die Probe stellen.“

Immobilien-Krise und Schattenbanken: Die Proteste in China nehmen zu

Als die Zahlungsverzögerungen in dieser Woche zunahmen, nahmen auch die Proteste zu.

Etwa zwei Dutzend Menschen versammelten sich vor den Büros des Unternehmens in Peking, ein seltenes Beispiel für öffentliche Empörung in der Hauptstadt. In einem der von Bloomberg News gesichteten Videoclips, die auf Wechat veröffentlicht wurden, ist eine Frau zu hören, die schreit: „Gebt uns das Geld zurück, oder wir werden hier sterben“.

In dem Bemühen, die sozialen Unruhen zu unterdrücken, reagierte die chinesische Polizei schnell und errichtete Metallgitter um das Büro. Sie besuchte auch die Häuser mehrerer Demonstranten und forderte sie auf, öffentliche Demonstrationen zu vermeiden, wie Investoren berichteten, die nicht genannt werden wollten. Die Polizeibesuche erstreckten sich über ein riesiges Gebiet, darunter die südwestliche Provinz Sichuan und die Küstenregionen Jiangsu und Shandong.

Die Versäumnisse haben die Aufmerksamkeit Pekings auf sich gezogen. Die Nationale Finanzaufsichtsbehörde, Chinas oberste Bankenaufsichtsbehörde, richtete eine Arbeitsgruppe ein, um die Risiken bei der Finanzholding zu untersuchen, wie mit der Sache vertraute Personen berichten. Die Aufsichtsbehörde forderte Zhongrong auf, über seine Pläne für künftige Zahlungen und Vermögenswerte, die verkauft werden können, um die Liquiditätskrise zu bewältigen, zu berichten, sagten die Personen.

Ein Metallzaun wird am 16. August am Hauptsitz von Zhongrong in Peking aufgestellt

Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Probleme von Zhongzhi die großen Geschäftsbanken betreffen werden, aber sie könnten auf andere Vermögensverwalter übergreifen, wenn wohlhabende Anleger ihr Geld abziehen, so Dinny McMahon, Analyst bei Trivium China und Autor des Buches China’s Great Wall of Debt.

„Wenn die Anleger das Vertrauen verlieren, wird es für die Unternehmen plötzlich schwieriger, weiterhin neue Mittel zu beschaffen“, so McMahon. „Dann wird das Potenzial für kaskadenartige Ausfälle vor allem bei Schattenbanken immer größer“.

FMW/Bloomberg