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Chinas Gesellschaftsvertrag gefährdet China: Immobilien-Krise vernichtet Wohlstand der Mittelschicht

China Immobilien Krise Mittelschicht

Die seit zwei Jahren andauernde Krise am chinesischen Immobilien-Markt zerstört zunehmend den Wohlstand der politisch wichtigen Mittelschicht in China.

China: Gesellschaftsvertrag in Frage gestellt

Chinas Gesellschaftsvertrag basiert darauf, dass die Bürger der Volksrepublik auf politische Partizipation verzichten und die Führung der kommunistischen Partei nicht in Frage stellen, die im Gegenzug für einen gewissen Wohlstand sorgt.

Die seit zwei Jahren anhaltende Immobilien-Krise bedroht diesen Gesellschaftsvertrag zunehmend. Die Herausforderung besteht darin, dass es in China bis vor zwei Jahren praktisch nur eine sichere Anlagemöglichkeit gab: Immobilien. Anlagemöglichkeiten im Ausland waren (und sind) für Festlandchinesen so gut wie nicht erreichbar. Aktien gelten als weniger sichere Anlageoptionen als Glücksspiel in Macao. Etwa 70% des chinesischen Wohlstandes sind in Wohneigentum akkumuliert.

Immobilien-Krise und Aktienmarkt vernichten Vermögen

Bloomberg veröffentlichte nun eine neue Berechnung, laut der jeder 5-prozentige Rückgang der Immobilienpreise 19 Billionen Yuan (2,47 Billionen Euro) an Haushaltsvermögen vernichten würde. Eric Zhu, Ökonom von Bloomberg Economics, argumentiert: „Es könnte nur der Anfang weiterer Vermögensverluste in den kommenden Jahren sein, es sei denn, es gibt einen großen Bullenmarkt. Kleine Gewinne im Finanzvermögen werden wahrscheinlich Verluste im Immobilienvermögen nicht ausgleichen.“

Denn auch der chinesische Aktienmarkt befindet sich im Tal der Tränen. Der Shanghai Composite Index (CSI 300) ist bisher in diesem Jahr um 14 Prozent gefallen. Nach einem Einbruch von 22 Prozent im Jahr 2022 und einem Rückgang von 5,2 Prozent im Jahr 2021 steht der Markt vor seiner längsten Serie von jährlichen Verlusten seit seiner Gründung im Jahr 2002. In Hongkong steuert der Hang Seng Index auf das vierte Jahr des Einbruchs zu, das schlimmste seit seiner Gründung 1969.

Diese Negativentwicklung hat auch Auswirkungen auf die Vermögensverwalter in China. Fast 90% der aktiv gemanagten Fonds haben im Jahr 2023 Geld verloren. Laut dem Finanzdatenanbieter 51iFind haben nur 107 der 941 Aktienfonds im Inlandsmarkt, also weniger als 11 Prozent, positive Renditen erzielt. Der Rest ist abgestürzt, wobei die schlechtesten Performer fast die Hälfte ihres Kapitals verloren haben.

Keine Lohnzuwächse in China

Auch auf die bisher vergleichsweise hohen Lohnzuwächse können sich die Chinesen nicht mehr verlassen. Bisher lagen die Gehaltssteigerungen etwas oberhalb der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes bei etwa 5-7% in den letzten Jahren. In diesem Jahr konnten die Angestellten schon froh sein, wenn es keine Rückgänge beim Lohn gab. Die Staatsangestellten vieler Städte und Provinzen mussten Gehaltseinbußen hinnehmen. In der Provinz Guangzhou wurde dieses Jahr ein Viertel des Lohnes von 2022 einbehalten. Der sarkastische Satz „Ich habe gehört, dass der Chef gesagt hat, dass wir diesen Monat eine Gehaltserhöhung bekommen. Das ist toll!“ hat es auf Platz 6 der beliebtesten Sätze in den chinesischen Sozialen Medien geschafft.

Universitätsabsolventen besonders betroffen

Besonders schlimm trifft es die Universitätsabsolventen. Wenn sie überhaupt einen Job bekommen – praktisch ein Viertel der Absolventen gelang dies nicht – erhalten viele ein Einstiegsgehalt, das unter dem eines Fabrikarbeiters liegt.

Auch hier bröckelt der Gesellschaftsvertrag: In China darf niemand das Fach dort studieren, wo er will. Die Zuteilung von Fach und Uni erfolgt nach dem „Gaokao“ – die zentrale Abschlussprüfung. Im Gegenzug versprach der Staat bisher höhere Gehälter und soziales Prestige. Diesen Deal kann der Staat nicht mehr einhalten. Entsprechend schlecht ist die Stimmung. Der beliebteste Spruch in den sozialen Medien in diesem Jahr war „Akademische Abschlüsse sind nicht nur ein Sprungbrett, sondern auch eine hohe Plattform, von der ich nicht herunterkomme.“

Dabei müssen immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter immer mehr Rentner versorgen. Im Jahr 2022 waren 20% der Menschen in China 60 Jahre oder älter. Das entspricht 270 Millionen Menschen. Die Zahl der Menschen im Alter von 65 Jahren und älter ist noch höher und beträgt 29,78 Millionen. Das sind 15% der Gesamtbevölkerung. Bezieht man die Kinder mit ein, muss mittlerweile eine arbeitsfähige Person für zwei Personen sorgen, die entweder noch nicht oder nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Rudimentäres Rentensystem in China

Dabei ist das chinesische Rentensystem eher rudimentär, was in der Praxis bedeutet, dass die Familien ihre Eltern finanziell unterstützen müssen. Nach den neuesten Daten, die vom Ministerium für Zivilangelegenheiten stammen, steigt also auch hier die finanzielle Belastung an. Es ist also ein wahrer „Reichtum, der vom Himmel fällt“ (Platz 9 der beliebtesten Ausdrücke in den chinesischen Medien) und die Menschen in China „großartig“ (Platz 8) fühlen lässt.

Die japanische Investmentbank Nomura warnte bereits, dass die Immobilienkrise und damit einhergehende Vermögensverluste schon im nächsten Jahr „zu einem sozialen Problem werden und die soziale Stabilität gefährden“ könne.

Vielleicht könnte dann ein anderer beliebter Ausdruck in diesem Jahr in Zukunft für die kommunistische Partei etwas abgewandelt heißen: „Ich vermisse dich, visionäre Partei“

Anmerkung: Der Ausdruck: „Ich vermisse Dich in X“ stand auf Platz 7 der beliebtesten Wendungen in den sozialen Medien. Dieser Slogan scheint bei Kampagnen für Touristenattraktionen im ganzen Land besonders beliebt zu sein und hat die Vorlage zu zahlreichen Memes geliefert.



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1 Kommentar

  1. Immobilienkrise in China, ‚was gibts denn da zu heulen’… das Ganze basiert auf einer gigantischen Spekulationsblase !
    Sie bauen die Hochhäuser nur, um damit zu spekulieren (sie stehen meistens leer) !
    Also eine verdiente Strafe für diese ‚Umweltsauerei’… der ökologische Fussabdruck der Chinesen…

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