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Lehren über China unter Xi Jinping China: Lehren aus dem Ende der „Zero-Covid“-Politik

Das abrupte Ende der „Zero-Covid“-Politik lässt das Land ratlos zurück: Drei Jahre lang wurde den Menschen in China auf Geheiß von Xi Jinping erzählt, wie gefährlich doch Corona sei – nun soll es plötzlich doch nicht so schlimm sein.

Die Bilder von Wuhan vom Januar 2019 haben sich in das kollektive Gedächtnis der Chinesen eingebrannt. Seit Omikron und den BA-Varianten war eigentlich klar, dass China den Kampf gegen das Virus nicht gewinnen kann. Nun hat die Regierung in Peking kapituliert, aber das Land und die Menschen sind darauf nicht vorbereitet. Es bleiben aber wichtige Lehren über Xi Jinping.

„Wenn Du keinen Freund hast, der jetzt nicht Corona hat, dann hast Du keine Freunde“

In den WeChat-Gruppen und auf Weibo ist die meistdiskutierte Frage, wie man sich verhält, wenn man Covid hat. Da es keine verpflichtenden Tests mehr gibt, geht man auch nicht testen, wenn man nicht unbedingt muss. Es ist immer noch ein Glücksspiel, ob man „nur“ in Heimquarantäne kommt oder ins Krankenhaus.

Auch sind die Lockdowns von Gebäuden bzw. Compounds noch nicht vorbei. In den Apotheken sind Fieber-, Erkaltungs-, Grippe-, und Kopfschmerzmittel Raritäten geworden, zusammen mit Selbsttests. Das neue It-Game auf WeChat ist nicht mehr „Meine Frau, mein Haus, mein Auto“ – sondern die Medikamente, die man horten konnte. Vor den sog. „Fieber“-Krankenhäusern, also den dezidierten Covid-Krankenhäusern, bilden sich Schlangen. Ob das nun ein Indiz für eine Covid-Welle ist, ist noch nicht so ganz klar.

In China gibt es keine Arztpraxen wie in Deutschland. Dort geht man bei Krankheit entweder in die Community Health Center oder in ein Krankenhaus. Während der „Null-Covid“-Politik war es sicherer, nicht ins Krankenhaus zu gehen. Zu groß war die Gefahr, dass anschließend der Health Code auf gelb gestellt war und dass man selber und die Kontakte in Quarantäne kam. Eher ein Indiz ist ein Aushang im Universitätskrankenhaus in Wuhan: „Wenn Sie nicht unbedingt einen Test benötigen, dann lassen Sie ihn nicht machen. Derzeit liegt die Positivrate bei 50%.“ Aufnahmen aus dem Krankenhaus zeigt eine völlig überfüllte Aufnahmestation.

In Beijing protestieren Krankenhausmitarbeiter gegen den Ansturm von Patienten, dem sie nicht gewachsen sind. Und die National Health Commission (NHC) sieht sich genötigt, darauf hinzuweisen, dass alle Gesundheitsinstitutionen dazu verpflichtet seien, Covid-Patienten aufzunehmen.

Dies steht im Kontrast zu den drastisch sinkenden offiziellen Infizierten-Zahlen. Die NHC veröffentlichte 16.592 Neuinfektionen für den gestrigen Donnerstag, nach 21.165 im Vortag. Städte wie Shanghai gleichen aber weiterhin eher einer Geisterstadt. Wer nicht muss, bleibt möglichst zu Hause. Der Health-Code und der tägliche Test sind zwar offiziell abgeschafft, aber in den Bürotürmen und den Firmen gelten unterschiedliche Regelungen. Wer hustet, ist verdächtig.

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Die Anordnung, dass nun keine Tests und kein Health Check bei Reisen innerhalb von China mehr nötig wäre, hat einen Ansturm auf Reiseziele innerhalb von China ausgelöst. Besonders beliebt sind Reisen nach Hainan, dem „Hawaii Chinas“ und Sichuan. Auf WeChat geht das Gerücht um, dass die Quarantäne-Vorschrift bei der Einreise nach China ab dem 9. Januar wegfallen soll.

Auf der eher lustigen Seite werden vereinzelt Demonstrationen von den „Großen Weißen“ gesehen, den allgegenwärtigen Gesundheitsmitarbeitern in ihren Vollkörperschutzanzügen, die gegen ihre bevorstehende Entlassung protestieren. Es gibt in China hunderttausende dieser „Großen Weißen“ – dies dürfte ein soziales Problem werden, denn der Wirtschaft geht es nicht gut. Die Aussichten auf Arbeit sind eher gering. Dazu kommt: Die „Großen Weißen“ haben sich in den letzten drei Jahren sehr unbeliebt gemacht. Wer möchte schon mit jemanden zusammenarbeiten, der einen drei Jahre lang gegängelt hat?

Lehren über China unter Xi Jinping

Aus den letzten zwei Wochen lassen sich einige Lehren über das China unter Xi Jinping in seiner dritten Amtszeit ziehen.

1. Die Entropie nimmt zu

Oder weniger freundlich formuliert: Die erratische Politik nimmt zu. Wer in China lebt, ist es gewohnt, dass sich Gesetze und Vorschriften über Nacht ändern können, ja selbst, dass Gesetze erlassen werden, die rückwirkend Geltung entfalten. Aber die 180-Grad-Wende in der Corona-Politik ist selbst für China überraschend. Vor allem, weil das Land überhaupt nicht auf eine Exit-Strategie vorbereitet ist.

Diese erratische Politik ist auch dem Führungsstil Xi Jinpings geschuldet. Schon im letzten Ständigen Ausschuss der kommunistischen Partei Chinas war es nicht mehr der Debattierklub Patres inter pares, wie er einst von Deng Xiaoping geformt worden war. Sondern er war gekennzeichnet von stundenlangen Vorträgen Xi Jinpings. Im alten Ständigen Ausschuss waren mit Li Keqiang und ein, zwei weiteren Personen Persönlichkeiten dabei, die wenigstens ab- und zu Kritik übten. Der neue Ständige Ausschuss ist nun nur noch besetzt mit Gefolgsleuten Xi Jinpings. Eine kontroverse Diskussion wird es dort noch weniger geben.

2. Die Macht Beijing auf die lokale Ebene ist begrenzt

„Beijing ist weit weg“, dies ist in China ein geflügeltes Wort. Eines der Ergebnisse der Anti-Korruptionskampagne gegen „Tiger und Fliegen“ war eine relative kritik- und entscheidungsvermeidende Beamtenschaft. Das Desaster von Wuhan ist ohne die „Tiger- und Fliegen“-Kampagne nicht denkbar. Es wurde nicht die Ursache (der Ausbruch einer unbekannten Krankheit), sondern der „Entdecker“ der Krankheit bekämpft. Mit großer Wahrscheinlichkeit war der Covid-Ausbruch in und um Wuhan Anfang Dezember 2018 wohl nicht mehr unter Kontrolle zu bringen. Aber aus Zeiten von SARS war ein Werkzeugkasten vorhanden, um eine solche Seuche zu bekämpfen. Taiwan hat – im Gegensatz von China – diesen Werkzeugkasten benutzt und damit gute Erfolge erzielt.

Das letzte Jahr der Covid-Bekämpfung war gekennzeichnet durch immer harschere Maßnahmen, ohne dass es dafür eigentlich eine Grundlage gab. Die „Großen Weißen“, die Mitarbeiter des Gesundheitswesens, hatten eigentlich keine gesetzlichen Grundlagen, irgendeine Anweisung durchzusetzen. Auch die Nachbarschaftskomittees, hauptsächlich bestehend aus älteren Frauen, setzten einfach Regeln fest. Die Proteste in Shanghai und vor allem in Guangzhou entzündeten sich auch daran, dass sich weder die „Großen Weißen“ noch die Nachbarschaftskomittees an den 20-Punkte-Plan hielten.

3. Neue Spielregeln zwischen den „Massen“ und der kommunistischen Partei

In den westlichen Medien wird in den letzten Tagen ein Brief des Foxconn-Gründers Terry Gou dafür mitverantwortlich gemacht, dass Xi Jinping von der „Null-Covid“-Strategie abgelassen habe. Diese These ist eher unwahrscheinlich. Warnungen von chinesischen und internationalen Wirtschaftsverbänden und Unternehmern hat es in den letzten Monaten zur Genüge gegeben, dass ein weiteres Verfolgen der „Null-Covid“-Politik schwerwiegende Auswirkungen auf das wirtschaftliche und soziale Zusammenleben innerhalb Chinas geben würde.

Als die Europäische Handelskammer (mit Sitz in Shanghai) im September ihr Positionspapier mit ähnlichen Schlussfolgerungen veröffentlicht wurde, hagelte in den Staatsmedien harsche Kritik. Selbst Warnungen seines eigenen Premiers, Li Keqiang, schoss Xi Jinping in den Wind. Dass nun ausgerechnet die Kritik eines Taiwanesen auf offene Ohren bei Xi Jinping stoßen sollte, klingt da eher unrealistisch.

Sehr viel signifikanter ist, dass Xi Jinping die „Null-Covid“-Strategie änderte, als der reiche Mittelstand anfing zu protestieren. Die Macht der kommunistischen Partei seit Deng Xiaoping stützt sich auf den Gesellschaftsvertrag, dass die „Massen“, also das Volk, Reichtum anstreben dürfen. Xi Jinping hat diesen Gesellschaftsvertrag mit seinem „Chinesischen Traum“ erneuert. Teil dieses „Chinesischen Traumes“ ist aber auch, dass die Menschen innerhalb und außerhalb von China mehr oder weniger frei reisen können.

Die Realität nach drei Jahren Corona sieht aber ganz anders aus: Aufgrund der Immobilienkrise werden die Chinesen spürbar ärmer. Proteste der Mittelschicht waren auch schon vor Corona oft erfolgreich, z.B. als im Zuge der Weltausstellung 2010 der Transrapid, der den Flughafen Pudong mit dem Zentrum Pudongs verbindet, zum Flughafen Hongqiao und weiter nach Hangzhou ausgebaut werden sollten. Als die genaue Trasse bekannt wurde, protestierten wochenlang Hausbesitzer dagegen, da sie befürchteten, dass die Häuserpreise sinken würden, also ihr Vermögen. Die Proteste waren erfolgreich. Die Transrapid-Trasse wurde ersatzlos gestrichen – nun wird eine neue U-Bahn zwischen Pudong und Hongqiao Airport gebaut.

Die Lehre aus den Protesten für den Mittelstand: Protest hilft. Es wird spannend werden, wann sich die Masse an diese Lehre erinnert. Denn soziale Konflikte werden in den nächsten Jahren vermehrt auftreten.

China Xi Jinping Lehren

By Suiren2022 – Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=124766648



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1 Kommentar

  1. Die armen Querdenker! Jetzt gibt auch noch China seine Corona-Diktatur auf. Soros, Gates und Schwab scheitern mit ihren Dystopien. Womit wollen die uns denn in Zukunft angst machen?

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