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Wirtschaft ist zu 50% Psychologie China: Wirtschaft – Stimmung ist gut, die Zahlen sind schlecht

Seltsamer Widerspruch im Reich der Mitte

China Wirtschaft Stimmung

Die Stimmung von Geschäftsleuten in China, wie etwa auf der weltgrößten Photovoltaikmesse, ist eigentlich gut. Doch die Indikatoren für die chinesische Wirtschaft zeigen weiter Anzeichen einer verlangsamten Erholung, was internationale Anleger zunehmend ungeduldig macht. Die Auswirkungen der Immobilienkrise und die Schuldenprobleme, mit denen nicht nur Kommunen, sondern auch ganze Provinzen in China zu kämpfen haben, werfen weiterhin ihre Schatten auf die Entwicklung der Wirtschaft in China.

China: Stimmung in der Wirtschaft blendend

Als letzte Woche in Shanghai die 16. Internationale Photovoltaikmesse veranstaltet wurde, war die Stimmung blendend. Im Vergleich zu 2019 waren 95% der Aussteller zurückgekehrt, 400.000 Besucher erkundeten neue Geschäftsmöglichkeiten. Die Stimmung in den Messehallen war ausgesprochen optimistisch.

Michael Kruppe, CEO des Shanghai New International Expo Centers (SNIEC), zeigte sich am Freitag in Berlin während einer Gesprächsrunde beim China Netzwerk Baden-Württemberg e.V. nicht nur zufrieden über die Photovoltaikmesse, sondern versprühte auch Optimismus über die weitere wirtschaftliche Entwicklung, nicht nur in diesem Jahr. Seiner Meinung nach spräche nichts dagegen, dass es in China weiter aufwärts geht. In den letzten Wochen verkündeten viele Firmen in China Erweiterungen oder den Ausbau ihrer Unternehmen. Ein Manager, dessen Unternehmen gerade eine neue Produktionslinie in China aufbaut, fasst die Stimmung recht passend zusammen: „Wir sitzen in den Startlöchern.“

Internationale Anleger verlieren Geduld mit China

Die Frage ist, wann kommt die Wirtschaft in China aus den Startlöchern? Die internationalen Anleger verlieren die Geduld. Der Hang Seng Enterprise Index verlor seit Januar 19%.

Die Indikatoren für die chinesische Wirtschaft zeigen, dass sich die Wirtschaft zwar erholt, aber in einem wesentlich langsameren Tempo als erwartet oder erhofft. Der Export, einst Treiber des chinesischen Wachstums, ist mittlerweile ein Sorgenkind geworden. Die Erzeugerpreise fallen. Die Binnennachfrage kommt nach der Öffnung nicht so recht in Schwung, obwohl Chinas Bevölkerung auf Rekordspareinlagen sitzt. Die Immobilienkrise zeigt hier ihre Wirkung: Ca. 75% der chinesischen Rücklagen sind in Betongold angelegt. Steigen die Preise der Wohnungen nicht, bedeutet dies unmittelbar einen Kaufkraftverlust. Die Eigentümer müssen mehr Geld zurücklegen, um später die Kredite bedienen zu können.

Provinzen in der Schuldenkrise

Die Immobilienkrise führt direkt zu einer Schuldenkrise, nicht nur bei den Kommunen, sondern auch bei ganzen Provinzen. Chinas ärmste Provinz, Guizhou, ist praktisch zahlungsunfähig. In den letzten Tagen verdichten sich die Hinweise, dass auch Yunnan erhebliche Schwierigkeiten hat, seine Schulden zu bedienen. Aber nicht nur die armen Provinzen leiden unter dem Schuldenberg, sondern auch große und vergleichsweise wohlhabende Städte wie Wuhan, die zentralchinesische Stadt, in der vor drei Jahren die Covid-19-Pandemie ihren Anfang nahm. In einem bemerkenswerten Schritt forderte die Stadt öffentlich 259 Firmen dazu auf, ihre Schulden gegenüber der Stadt zurückzuzahlen. Die Kommunen wiederum erzielen hauptsächlich ihre Einnahmen über den Landverkauf. Dieser fiel im ersten Quartal dieses Jahres um 27%.7

„China braucht mehr Zeit“

Angesprochen auf die Diskrepanz zwischen der Stimmung und den Wirtschaftszahlen in China meinte Michael Kruppe, dass die Erwartungen überzogen gewesen seien und China einfach mehr Zeit brauche, um sich zu erholen. Die Stimmung sei besser, als es die Zahlen zeigen. Karl Marx sagte, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt. Nach dieser Logik müsste sich die mentale Verfassung in den nächsten Monaten verbessern. „Wirtschaft ist zu 50% Psychologie“, entgegnete Ludwig Erhardt.

Insofern gibt es noch gute Chancen, dass sich die Wirtschaft der Stimmung anschließt, auch wenn die Zeichen dafür im Moment eher schlecht stehen.



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