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Dax: Quartalszahlen – wo ist die Krise?

Der Dax steigt immer weiter – man reibt sich schon etwas verwundert die Augen. Monatelang war von einer technischen Rezession für die Quartale zwei und drei des Jahres die Rede, die am 14. November durch das Statistische Bundesamt wahrscheinlich offiziell verkündet wird. Die Wirtschaftsinstitute senkten reihenweise ihre Prognosen für 2019 und 2020 – man musste das Schlimmste befürchten. Und jetzt kommen die Quartalsergebnisse für den Dax und die Berichte für die ersten neun Monate des Jahres und sie überraschen deutlich – der Dax als Frühindikator hatte anscheinend wieder einmal recht.

Dax: Die überraschenden Quartalsberichte

Ein bisschen hat es sich schon angedeutet, dass es zu einer Stabilisierung der deutschen Konjunktur kommen könnte. Ifo-Index, ZEW-Index, DIW Konjunkturbarometer, alle meldeten in jüngster Zeit eine Stabilisierung, zwar auf gedrücktem Niveau, aber nicht so tief, als dass das mediale Lamento um katastrophale Zahlen seine Berechtigung erhielt. Ein ganz wichtiger Hinweis waren für mich die über 9000 vom Münchener Ifo-Institut befragten Firmen, die ihre Situation in den vergangenen zwei Monaten besser einschätzten. „Die deutsche Konjunktur stabilisiert sich“, hatte Ifo-Präsident Clemens Fuest die Ergebnisse eingestuft. Ich bin gespannt auf die nächste Veröffentlichung am 25. November.

Vorausgegangen war eine bereits eineinhalb Jahre gesunkene Produktion im Verarbeitenden Gewerbe und in der gesamten Industrie. Der dazu gehörige Einkaufsmanagerindex war vor einigen Monaten auf ein Tief von 41,7 Punkten gefallen – der niedrigste Wert seit 2009. Dazu passten auch die Gewinneinbrüche von BASF, Infineon, BMW und weiteren Werten des Dax zu Beginn des Jahres. Nach einer Berechnung von Ernst & Young meldeten 308 der im Prime Standard notierten Börsen-Unternehmen 54 Gewinn- oder Umsatzwarnungen, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor und zugleich ein neuer Höchststand seit der Finanzkrise.

Jetzt in der laufenden Berichtssaison die Überraschung: Die 21 Dax-Konzerne, die bis zum Wochenende die Zahlen für die ersten neun Monate vorgelegt haben, konnten ihre Umsätze im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt um sieben Prozent steigern. Nach Berechnungen von EY legten die Gewinne sogar noch stärker zu, um 15 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode.

Hier die größten Überraschungen (Gewinnanstiege 2019 zu 2018 Januar bis September):

VW + 68 Prozent
Siemens + 55 Prozent
SAP + 36 Prozent
BMW + 33 Prozent
Dt. Telekom + 21 Prozent
Heidelberg Cement + 19 Prozent
Daimler + 8 Prozent
Fresenius + 8 Prozent

Zur Vorsicht mahnen noch die negativen Zahlen der Chemiekonzerne Covestro und BASF. Sie leiden noch stark unter ihrer weltweiten Präsenz und in vielen Ländern ist eine Industriekrise deutlich spürbar, dem Handelskrieg sei Dank.

 

Vorreiter Automobilindustrie

Wie drastisch hatten Experten, wie der sehr oft im Fernsehen auftretende Professor Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen, die derzeitige Krise in der Automobilindustrie beschrieben. Ein Einbruch von 10 Prozent, der jahrelang andauern sollte.

Und was haben die großen Drei für dieses Jahr gemeldet? Die Börse hatte die Krise der Autoindustrie schon früh eingepreist, das Kurshoch für die Autotitel stammt aus dem Jahr 2015. Die Krise um den Dieselskandal und die Unsicherheit über die Elektromobilität (Ladestationen, Reichweite, Preis) führte dazu, dass die Autofahrer ihre Kfz immer länger nutzen, insbesondere Dieselfahrer mit ihren schwer verkäuflichen Autos. Der aktuelle TÜV-Report zeigt dies mit einer stark angestiegenen Mängelquote an, eben wegen des gestiegenen Alters der Fahrzeuge. Das muss aber auch zu einem Nachfragestau bei immerhin 47 Millionen zugelassenen Kfz in Deutschland führen.

Natürlich leiden die Zulieferfirmen unter dem erzwungenen Strukturwandel zur Elektromobilität. Die Automobilhersteller profitieren aber laut der Auswertung von EY immer noch von ihrer guten Marktposition in den wichtigen Märkten Asien und Amerika, vor allem vom gerade sehr angesagten Premium- und SUV-Segment, mit der höheren Gewinnmarge.

 

Dax: Wie kamen die Ergebnisse zustande?

Die Unternehmen haben anscheinend frühzeitig Kosten gesenkt. Nach einer Analyse des Handelsblatts haben die 30 großen Konzerne im laufenden Jahr mithilfe von Stellenverschiebungen, Vorruhestandsregelungen und Abfindungen 100 000 Stellen abgebaut. Dazu kamen Sparprogramme, die auf insgesamt 20 Milliarden Euro in den kommenden Jahren veranschlagt sind.

Ein Hauptgrund für die Gewinnentwicklung liegt für den exportlastigen Dax im immer noch im andauernden Boom in den USA. Die im Dax gelisteten Konzerne erwirtschaften 25 Prozent ihrer Gewinne in den USA, hingegen gerade mal 20 Prozent in Deutschland. Hier liegt natürlich die große Gefahr. Sollte der Handelskrieg tatsächlich weiter eskalieren, müsste es mit den Dax-Gewinnen rasch nach unten gehen – der Index wird es vermutlich wieder frühzeitig signalisieren. Womit wir wieder bei Trump wären – immer wieder Donald Trump.

 

Fazit

Sie ist wieder einmal verblüffend, die Divergenz zwischen den Prognosen der Analysten/Ökonomen, der Dax-Indikation und den dann im Nachgang veröffentlichten Unternehmenszahlen. Gerade wieder zu beobachten bei den Neun-Monatszahlen der Dax-Konzerne.

Genauso wie sich die Analyse-Welt im ersten Quartal 2018 über die Aussichten eines weltweiten Aufschwungs einig war,  aber in Erwartung eines Gewineinbruchs ging der Dax schon im Januar 2018 in die Knie. Genauso überraschend zeigte sich der dauernde Anstieg des deutschen Leitindex im Verlauf des Jahres 2019, als alle Welt von einer Rezession sprach.

Auch wenn viele von Casino sprechen – im Zusammenhang mit den Indexständen – zeigt sich in der überwiegenden Mehrheit der Fälle (die Phasen der Gier und der Panik nach 2000, 2007, 2015 einmal ausgenommen), dass es keinen besseren Indikator für die Wirtschaftsentwicklung des Landes insgesamt gibt, als den Leitindex. Man betrachte nur einen Chart in dem die akkumulierten Dax-Gewinne und die Indexstände in den Jahren übereinander gelegt werden – ein erstaunlicher Gleichlauf, im Nachhinein feststellbar.

Ein Spezialfall sind die USA, denn wenn zum Beispiel eine Firma wie Apple 40 Prozent ihrer Aktien zurückkauft, dann muss auch der Aktienkurs um diesen Betrag steigen, auch bei stagnierenden Umsätzen und Gewinnen.

Anscheinend gibt es sehr viele Firmeninsider (Mitarbeiter und Aktionäre der Unternehmen), die ihre Erwartungen und Kenntnisse in die Kursentwicklung einpreisen.

Ich habe mich schon dauernd gewundert, warum die Insider (Firmenvorstände und Aufsichtsräte), gemessen am Insiderbarometer der Frankfurt School of Finance&Management, im Jahresverlauf trotz immer schlechterer Konjunkturnachrichten, keine größeren Verkäufe von Aktien getätigt haben.

Natürlich ist der Index nicht vor Fehlern gefeit, denn keiner kann in die Zukunft blicken und es treten immer wieder externe Schocks auf (darunter muss auch ein drastischer Wechsel der Zinspolitik subsumiert werden), deshalb gibt es auch keinen annähernden 100-Prozent-Indikator.

Auch sind Zweifel angebracht, ob die Unternehmensergebnisse in mittlerer Zukunft das Kursniveau im Dax rechtfertigen. Aber – um einem Aufschrei der Skeptiker zuvorzukommen – der Kursindex Dax, das eigentlich international vergleichbare Kursbarometer, steht mit 5900 Punkten noch immer unter dem Stand des Jahres 2000. Dort hatte dieser Index in der extremen Übertreibungsphase einen Stand von 6266 Punkten erreicht. Die Gewinne der Unternehmen sind seither deutlich gewachsen, sodass man beim Dax nicht von Mondkursen sprechen darf, auch nicht bei einem Stand des Performance-Index (inklusive Dividenden) von über 13200 Punkten.

Ich bin gespannt, wann der Index beginnt die fällige Rezession einzupreisen. Erst kommt der Kurseinbruch, dann die Rezession – bisher war es immer so.

Ach ja, wo stand der Index ein halbes Jahr vor der jetzigen technischen Rezession? Bei 10300 Punkten zur Jahreswende.

 

Der Dax hat die besser als befürchteten Quartalszahlen früh antizipiert



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1 Kommentar

  1. Welche grandiose Weitsicht trotz aller monatelanger grottenschlechter Fundamentaldaten. Oder sollte man sich eigentlich über die Werthaltigkeit dieser Daten tiefgründiger Gedanken machen? Man hat ohnehin das Gefühl, dass deren Halbwertszeit rapide abgenommen hat. Jedenfalls müsste ihr Kontostand aufgrund der beneidenswerten Sichtweise sich auf einem entsprechenden Niveau befinden. Sicherlich wäre ihrerseits eine ganz andere Interpretation geliefert worden, wenn der Index sich in 2019 gegenteilig entwickelt hätte. Wie sagt man doch so schön: Kurse machen die Nachrichten.

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