Wie sagen es bestimmte Ökonomen und sogar jüngst auch die Bundesbank? Deindustrialisierung gibt es nicht. Zwar gibt es hier und da Problemchen. Aber mit ein wenig Mühe kriegt man das in den Griff, die Produktion bleibt zu großen Teilen in Deutschland. Und sowieso, der Bund investiert doch massiv in neue Industrien, wie zum Beispiel das „Silicon Valley“ rund um Dresden und Magdeburg? Für mehrere Millionen Euro pro Arbeitsplatz werden dort Intel, TSMC und andere Chiphersteller mit Subventionen regelrecht ertränkt (15 Milliarden Euro), damit ein paar tausend neue Jobs entstehen zur Produktion von Halbleitern. Aber das auch erst in ein paar Jahren. Und man darf fragen: Wo sind die Subventionen für die Bäckerei um die Ecke, die wegen zu hoher Energiepreise dichtmachen muss? Egal, der Kunde kann ja künftig seine Industrie-Backstraßen-Brötchen beim Discounter kaufen?
Deindustrialisierung: Stahlwerke in NRW geschlossen
Dass Die Deindustrialisierung in Deutschland kein Hirngespinst ist, sah man an der Entscheidung von BASF, seine gigantische Milliarden-Investition für ein neues Werk in China umzusetzen, und nicht hierzulande, wo sogar Stellen abgebaut werden. Man könnte auch viele andere Beispiel aufzählen, wo entweder dicht gemacht oder verlagert wird. Aktuell fällt ein Fall besonders ins Auge. Die ehemaligen Mannesmann Röhrenwerke, inzwischen eine Tochter des französischen Unternehmens Vallourec, hatten bereits im Mai letzten Jahres angekündigt, die beiden Werke in Düsseldorf und Mühlheim mit 2.400 Mitarbeitern zu schließen.
Letzter Tag in Düsseldorf
Gestern nun wurde zum letzten Mal ein Stahlrohr in Düsseldorf hergestellt – das war´s. Fertig aus. Der Standort wird geschlossen. Vallourec schrieb im letzten Jahr bereits, man müsse sich eingestehen, dass die Produktion nahtloser Stahlrohre „für uns in Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr darstellbar ist“. Vallourec Deutschland stellte vor allem nahtlose Stahlrohre für den Öl- und Gasmarkt sowie industrielle Anwendungen im Maschinen- und Stahlbau her, und habe seit sieben Jahren signifikante Verluste geschrieben. Ursache dafür seien Überkapazitäten in der Branche, sinkende Margen, aber auch externe Schocks wie diverse Ölkrisen, Strafzölle aus China, die Corona-Krise sowie der von Russland begonnene Krieg in der Ukraine mit dramatischen Auswirkungen auf Vormaterial- und Energiepreise.
Seit 7 Jahren signifikante Verluste am Standort Deutschland. Es gab hier also tiefergehendere Probleme als nur die erhöhten Energiepreise der letzten Zeit. Aber man muss auch sagen: Stahlrohre wie sie aus diesen Werken kamen, werden ja weiterhin benötigt. Das bedeutet: Sie werden jetzt anderswo hergestellt. Die Deindustrialisierung hierzulande mag vielleicht einige Grüne jubeln lassen, dass jetzt weniger „böse“ Industrie hierzulande die Luft verpestet. Aber diese Produktion findet wie gesagt jetzt woanders statt. Durch diese Deindustrialisierung wird Deutschland noch abhängiger von ausländischen Produzenten. Und genau so was wollten Robert Habeck und Co doch eigentlich vermeiden?
Weniger Steuern und Abgaben, weniger Bürokratie, deutlich niedrigere Energiepreise – all das könnte dazu beitragen, einer Deindustrialisierung entgegenzuwirken. Aber von einem großen nationalen Kraftakt in dieser Richtung ist nichts zu spüren. Der WDR schrieb gestern, Stahlrohre aus Düsseldorf waren einmal eines der wichtigsten Exportgüter Deutschlands. Verwendet wurden sie für Pipelines, Brücken, Bohrinseln und vieles mehr. Die Firma, die sie über hundert Jahre herstellte, hieß Mannesmann. Ein Industriekonzern, so wichtig wie Krupp oder Thyssen.
»Wir beerdigen hier unsere Arbeitsplätze«, so die Mitarbeiter des Düsseldorfer #Röhrenwerks.#Vallourec hat das letzte Rohr gewalzt, Hunderte Arbeiter verabschiedeten sich vom Röhrenwerk mit einer emotionalen Zeremonie.#Düssedorf pic.twitter.com/IETnTqszko
— أحمد سليمان العُمري Ahmad Al Omari (@ahmadomariy) September 21, 2023
Kommentar
Gewiss: Man kann jetzt sagen, dass es immer Veränderungen gibt, dass alte Branchen aussterben und neue dazu kommen. Zum Beispiel vermisst heute niemand mehr die Herstellung von Bekleidung in Deutschland, die (abgesehen von Trigema?) in Asien stattfindet. Aber muss man deswegen auch der Schwerindustrie ohne mit der Wimper zu zucken den Rücken zukehren? Ein Land mit so vielen Einwohnern benötigt für einen gewissen Wohlstand eine industrielle Basis. Wer die abschafft, dem fehlt das Fundament für eine Wertschöpfung, aus der Wohlstand entsteht. Nur mit Unternehmensberatern, Steuerberatern, Baristas im Coffee Shop, Sozialarbeitern, PR-Managern etc kann so eine Volkswirtschaft nicht dauerhaft ihren Lebensstandard halten.
Ja, aller Wahrscheinlichkeit nach werden die meisten der Mitarbeiter, die ihren Job in diesem Stahlwerk verlieren, neue Jobs finden. Aber wohl kaum in anderen Stahlwerken. Man darf vermuten: Für die allermeisten geht es in Richtung Dienstleistungsjobs, die oft deutlich schlechter bezahlt werden. Abgesehen davon muss Deutschland dann zukünftig diese Metallprodukte importieren, wohl aus Indien oder China. Geld fließt dann ins Ausland, das sonst im Inland verblieben wäre und hier in weitere Wertschöpfungsketten geflossen wäre, und zum Steueraufkommen beigetragen hätte. Dies fällt bei einer Deindustrialisierung zunehmend weg.
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Aber unser Wirtschaftsminister hat es doch gesagt: alles, was das Leben lebenswert macht, muß weg. Ja, seine Formulierung war etwas anders, aber darauf läuft es hinaus.Und wenn kein Wohlstand mehr gebraucht wird, dann entfällt auch die Notwendigkeit einer industriellen Grundlage.
@okont
Der größte und entscheidende Fehler deutscher Politik seit vielen Jahren ist es, Zukunftstechnologien in Bundesländern anzusiedeln, die im übertragenen Sinn in etwa die charakterliche Reife von bockigen Teenagern erreicht haben. Wo Kohle, Bergbau, Chemie und rauchende Schlote, graubraune Landschaften und Gebäude ein Synonym für Heimat und Vertrautheit sind. Wo Russland weiterhin in den Köpfen Teil der Identität ist und bleibt, wo viele noch immer nicht wissen: Sollen sie traurig sein, weil die Sowjets abgezogen sind, oder froh, weil die Besatzer nun endlich und endgültig weg sind?
Brandenburg hat durch E-Mobilität mit 6% das mit Abstand größte Wirtschaftswachstum aller Bundesländer zu verzeichnen. Im Umfeld hat sich eine florierende Wertschöpfungskette durch Zulieferer etabliert, zugleich hat die Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe um mehr als 13 Prozent zugelegt.
Vergleichbar könnte die Entwicklung in den IT-Sektoren Sachsens und Sachen-Anhalts laufen. Ein Biotop für deutsche Denker und Erfinder. Doch das alles scheint nicht lebenswert, der Wut-und-Protest-Ossi will Handfestes wie Stahl, Kohle, Feuer, Rauch und viele schwere große Dinge, die ihn durch Masse und Volumen überwältigend überzeugen.
Es ist nun einmal ein Naturgesetz, dass in Zeiten von Klimawandel, Energiekrisen und Arbeitskräftemangel die Produktion energieintensiver Produkte in Ländern ohne oder mit wenig fossilen und erneuerbaren Ressourcen eine dämliche Idee ist.
Primitive energieintensive Produkte wie Stahl sollten hauptsächlich dort produziert werden, wo Energie möglichst günstig zur Verfügung steht. Speziallegierungen und Produktionsverfahren durch besonderes Know-how einmal ausgenommen.
Wenn es für Sie lebenswert und ein Synonym für Wohlstand ist, Brumm-Brumm-Autos zu fahren und mit Feuer zu heizen, scheinen Sie die glorreichen Sowjetzeiten wie viele andere noch nicht überwunden zu haben.
Also entweder liegt Düsseldorf in Ostdeutschland oder die sind da jetzt alle glücklich diese „rauchenden Schlote“ los zu sein….
PS: Vielleicht noch mal nachlesen, was ein Naturgesetz ist. Jedenfalls gibt es keines mit „Ländern“.
@Luis
Ich hatte natürlich ganz vergessen, dass Stahlrohre für die Ölindustrie in der Landeshauptstadt von NRW alles sind, was das Leben lebenswert macht. Beim nächsten Kommentar werde ich das berücksichtigen.
P.S. Der Satz mit den Naturgesetzen bezieht sich auf Klimawandel, Energie und Produktion im Verhältnis zu Energieressourcen. Die zwei Wörtchen „in Ländern“ und auch andere können Sie getrost weglassen, ohne meine Aussage im Kern auch nur ansatzweise zu verändern. Hier die gestraffte Version, damit auch Sie es kapieren:
„Es ist nun einmal ein Naturgesetz, dass in Zeiten von Klimawandel und Energiekrisen energieintensive Produktion ohne oder mit wenig fossilen und erneuerbaren Ressourcen eine dämliche Idee ist.“
@Kevin aus Bitterfeld – Ihr Kommentar gefällt mir sehr – genau so sehe ich das auch!
Vallourec Deutschland-Stahlrohre für die Ölindustrie wären bei entsprechenden Standortbedingungen von Seiten Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck und Ministerpräsident Hendrik Wüst wohl auch weiterhin eines/einer der wichtigsten Exportgüter Deutschlands.
Apropos Deindustrialisierung: Dies gilt auch für die Standortbedingungen der ölsaatenverarbeitende Industrie in Deutschland (OVID). Es wäre jedoch wünschenswert, wenn hochwertiges Rapsöl vom deutschen Bauern weiterhin ein Aushängeschild/Exportschlager sein könnte.
@Holger Voss,
wer braucht schon wirtschaftsgüter – moral und werte sind der neue exportschlager
mann muss der zeit immer einen schritt voraus sein
@1150, stell die vor Scholz spricht vor der UNO Generalversammlung und keiner geht hin.
„Tell me one world leader who wants to be Olaf Scholz, tell me one!“
Ein einzelner Betrieb, der seit 7 Jahren rote Zahlen schreibt und schließt, ist noch nicht einmal anekdotische Evidenz für Deindustrialisierung, schon gar nicht wenn es Schwerindustrie ist, die maßgeblich die Ölindustrie beliefert. Die strategische Bedeutung hält sich in Grenzen, und als Hightech- oder Zukunftstechnologie würde ich das Produkt ebenso nicht bezeichnen, eher das Gegenteil. Die vom Unternehmen genannten Gründe sind der gesättigte Markt und auch sonst globaler Natur. Sprich in dieser Branche wird natürlich selektiert und dieses Unternehmen war schon lange kein Quell unseres Wohlstands mehr. Die Abhängigkeit Deutschlands von Chinas Solarindustrie ist da schon wesentlich bedenklicher.
@Holger Voss
Bei diesem framing wird einem übel…. Wüst verkauft seine Großmutter (sofern noch vorhanden) für die Koalition mit den Grünen und den Merkelianern. Arbeitsplätze werden in Nordrhein- Westfahlen im Denunziantentum geschaffen, was sollen da industrielle Arbeitsplätze. Der größte Lump im ganzen Land bleibt der Denunziant. NRW nur weiter so!
Sieben Jahre signifikante Verluste zeigen, dass dieses Werk seit längerem Probleme hatte.
Ob Schwerindustrie Zukunft in Deutschland (und Europa) hat kann man sicherlich diskutieren. Beispielsweise ist die Aluminium Produktion nahezu komplett aus Europa abgewandert.
Mit unserer Ampelregierung (seit Ende 2021) hat das allerdings nur begrenzt etwas zu tun.
Wichtiger als das Auslaufen einer Röhrenproduktion zu beweinen wäre aus meiner Sicht die Frage zu stellen ob Deutschland fit für die Zukunft ist. Hier gibt es gravierende Schwachstellen (Digitalisierung, schulische Bildung, Bürokratie, usw.) die angegangen werden müssen, damit sollte sich unsere Regierung beschäftigen!
Das letzte Rohr? Hört sich nach jemandem an, der das Kiffen einstellen will…🤣
Wie traurig…viele meiner Vorfahren waren dort tätig
Dann könnte dann wegen Lieferproblemen einer einfachen Röhre eine ganze Produktion stillstehen und dies nur wegen Politikern mit dummen Röhren.
Alle setzen auf Chips, ich wette,dass bald eine Überproduktion ansteht und wider nur die Billigländer überleben, mit oder ohne Subvention. Wie war es doch mit den boomenden Solar – Panels ?
Stahl ist wohl ein ungünstiges Beispiel, aber natürlich stellt jede Firma, die schließt, obwohl ihr Produkt weiterhin benötigt wird, einen Verlust für den Standort dar. Subventionieren sollte man nicht, aber auch nicht behindern.
Unsere Regierung behindert, das ist Fakt.
Ebenso wie die angelaufene Deindustrialisierung. Wer die bestreitet, lebt auf dem Mond.
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