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Deutsche Miesmacher in der Euro-Wohlfühlzone

Ist doch eigentlich alles schick in der Eurozone, nachdem die EZB noch einmal die große geldpolitische Bazooka ausgepackt hat: Zypern kehrt an den Kapitalmarkt zurück, die Risikoprämien für die riskantesten Unternehmensanleihen fallen auf Rekordtiefs, und die Volatilität an den Aktien-, Staatsanleihen- und Devisenmärkten fällt weiter in Richtung 0. Was gibt es da zu meckern?

Es sind mal wieder die Deutschen, die hier das Haar in der Suppe finden. So hatte gestern Finanzminister Schäuble vor der Entstehung einer Immobilienblase im Gefolge der ultralaxen Geldpolitik der EZB gewarnt. In die gleiche Kerbe schlug dann auch gestern in Singapur auf Bloomberg TV Andreas Dombret von der Bundesbank und mahnte, dass die Investoren nicht davon ausgehen sollten, dass die Zeiten niedriger Zinsen und niedriger Volatilität ewig andauern würden. Viele Investoren verwechselten niedrige Volatilität mit niedrigen Risiken, so der Bundesbanker. Man habe außerdem in anderen Ländern immer wieder beobachtet, dass in ähnlichen Umständen Blasen besonders am Immobilienmarkt entstünden.

Was ist bloß mit den Deutschen los? Warum die schlechte Laune angesichts neuer Allzeithochs an den Aktienmärkten? Hat Deutschland etwa 0:4 gegen Portugal verloren? Oder ist der Widerstand gegen den römischen Imperator Mario Draghi gleichsam ein historisch tief verankerter Ungehorsam – wie einst bei den Galliern gegen die Römer?

Richtig ist, dass das derzeitige Ungleichgewicht zwischen Deutschland an den „Problemländern“ der Eurozone derzeit kaum mehr greifbar ist. So liegt etwa der Renditeabstand zwischen einer 10-jährigen Staatsanleihe Spaniens nur noch knapp über 1% über dem deutschen Pendant – und zeitweise sogar unter der Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen.

Das Problem ist offenkundig: die EZB betriebt ein und dieselbe Geldpolitik für Staaten der Eurozone, deren Wirtschaftskraft derzeit völlig unterschiedlich ist. Nach einer Berechnung von Bloomberg müssten die Leitzinsen für Deutschland eigentlich 4,65% betragen – für Spanien dagegen (theoretisch) -10,75% und für Griechenland sogar -19,25%!. Faktisch also leben wir in der Eurozone in völlig unterschiedlichen ökonomischen Welten, haben aber eine gemeinsame Geldpolitik, die sich vorwiegend an den Bedürfnissen der „Problemländer“ orientiert.

Kann das auf Dauer gut gehen? Vermutlich nicht. Das grundlegende Problem der Finanzmärkte derzeit ist, dass alle in der gleichen Richtung positioniert sind: alle Banken sind stark in Staatsanleihen (vor allem der Europeripherie) investiert, auch die Renditen für Junk-Bonds und die Allzeithochs an den Märkten signalisieren klares Herden-Verhalten. Zugleich sinkt die Volatilität – gleichsam ein Risikobarometer – immer weiter. Wenn sich der Wind nun irgendwann dreht, ist die nächste Massenpanik an den Finanzmärkten vorprogrammiert: alle versuchen dann zur gleichen Zeit durch die gleiche Tür den Ausgang zu finden – und um sich selbst zu retten, wird dann alles niedergetrampelt, was im Weg steht. Kein schönes Szenario – aber fast so sicher kommend wie das Amen in der Kirche..

Es lohnt sich daher vielleicht ausnahmsweise einmal, den deutschen Miesmachern genauer zuzuhören – nur dieses eine Mal, auch wenn der deutsche Pessimismus grundsätzlich stark ausgeprägt zu sein scheint (Waldsterben etc.). Nicht zufällig ist daher das deutsche Wort „Angst“ inzwischen auch in den angelsächsischen Sprachgebrauch übergegangen..



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