Bitcoin

Die Blockchain-Disruption: Geld, Bitcoin und digitalisiertes Goldgeld

Über die Entstehung von Kryptowährungen als Revolution gegen das staatlich gewaltsam angeeignete Geldproduktionsmonopol! Grundsätzliche Überlegungen zu Geld und den aufkommenden dezentralisierten Kryptoeinheiten - und über eine mögliche Allianz zwischen Gold und Kryptowährungen!

Ein Beitrag von Thorsten Polleit

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag von Thorsten Polleit erschien zunächst auf der Webseite des Ludwig von Mises Institut (http://www.misesde.org/) und wird hier in voller Länge mit freundlicher Genehmigung durch Herrn Polleit vollständig veröffentlicht. Das Ludwig von Mieses Institut ist das zentrale Organ der „Österreichischen Schule“, die dem bestehenden Geldsystem kritisch gegenüber steht. In dem erhellenden Beitrag von Thorsten Polleit erläutert der Autor Grundsätzliches zum Thema „Geld“, Gold und Kryptowährungen“!

1.Einleitung

Das Wort Kryptowährungen ist in aller Munde. Aber noch sind die virtuellen, die Cyber-Einheiten keine Währungen im üblichen Sinne. Aktuell wäre es daher passender, von Kryptoeinheiten zu sprechen.

Nichtsdestotrotz führt uns das, was der Begriff Kryptowährungen zum Ausdruck bringt, auf die richtige Fährte: Das staatlich monopolisierte Geld, das Fiat-Geld, hat Konkurrenz bekommen, denn die Kryptoeinheiten wollen zum Geld aufsteigen.

Das klingt nicht nur revolutionär, das ist es auch: Das Aufkommen der Kryptoeinheiten fordert das staatliche Geldproduktionszwangsmonopol heraus, und es stellt letztlich auch den Staat (wie wir ihn heute kennen) in Frage.

Ich will mich in diesem Referat darauf beschränken, uns grundlegende geldtheoretische Erkenntnisse vor Augen zu führen, die helfen können, die Entwicklungspotentiale der Kryptoeinheiten besser einschätzen zu können.

2. Grundsätzliches zum Geld

Lassen Sie uns mit der grundlegenden Frage beginnen: Was ist Geld? Sie lässt sich kurz und knapp beantworten: Geld ist das allgemein akzeptierte Tauschmittel. Geld ist das marktfähigste Gut, es lässt sich besonders einfach gegen andere Güter tauschen.

Was eignet sich als Geld? Damit „etwas“ als Geld Verwendung finden kann, muss es bestimmte Eigenschaften haben. Es muss zum Beispiel knapp sein, homogen (von gleicher Art und Güte), haltbar, teilbar, prägbar, transportabel, allgemein wertgeschätzt sein, und es muss einen relativ hohen (Tausch-)Wert pro Einheit aufweisen.

Aus den verfügbaren Gütern haben die Menschen – wenn es ihnen freistand – in der Regel Edelmetalle (vor allem Gold und Silber) gewählt. Edelmetalle erfüllen in besonderem Maße die Anforderungen, die Menschen an gutes Geld stellen.

Welche Funktionen hat Geld? Geld hat eine, und nur eine Funktion: die Tauschmittelfunktion. Die Recheneinheits- und Wertaufbewahrungsfunktion sind lediglich Unterfunktionen der Tauschmittelfunktion des Geldes.

Das führt uns zu einer wichtigen Einsicht. Wenn Geld nur eine Funktion hat – die Tauschmittelfunktion –, dann folgt daraus: Jede gerade verfügbare Geldmenge in einer Volkswirtschaft ist ausreichend, erfüllt die Gelddienste so gut wie jede andere Geldmenge.

Wird eine Gütermenge mit einer großen Geldmenge umgesetzt (zum Beispiel 10.000 Mrd. Euro), fallen die Güterpreise und die Umsätze hoch aus im Vergleich zu einer Situation, in der die verfügbare Geldmenge klein ist (zum Beispiel 5.000 Mrd. Euro).

Sie werden fragen: Braucht eine Volkswirtschaft nicht eine wachsende Geldmenge, damit sie prosperieren kann? Die Antwort lautet: Nein. Gesamtwirtschaftlich gesehen gibt es keinen Nutzen, wenn die Geldmenge steigt.

Eine Volkswirtschaft wird nicht reicher, wenn die Geldmenge zunimmt. Veränderungen der Geldmenge sind allerdings volkswirtschaftlich höchst bedeutsam – auf diesen Aspekt werde ich nachfolgend noch zurückkommen.

Gibt es so etwas wie (wert-)stabiles Geld? Also Geld, dessen Kaufkraft im Zeitablauf unverändert bleibt? Antwort: Nein, das ist (denk-)unmöglich. Menschen ändern ihre Ziele und Präferenzen fortwährend, bewerten Güter zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich. Das gilt auch für das Gut Geld.

Wie jedes andere Gut auch kann Geld keinen unveränderlichen Wert beziehungsweise Tauschwert haben. Eine Geldpolitik, die den Geldwert (gemessen anhand eines Güterwarenkorbs) stabil halten will, wird notwendigerweise Störungen im Wirtschaftsablauf verursachen.

Gibt es eine optimale Anzahl von Geld in einer Volkswirtschaft? Ja: Sie beträgt eins. Ist nur ein Geld im Umlauf, entfaltet das Geld seine größtmögliche Produktivität.

Wenn alle mit demselben Geld rechnen und handeln, kann die Wirtschaftsrechnung bestmöglich funktionieren. Die Verwendung von mehr als einem Geld ist daher eine suboptimale Lösung (und die Idee einer Parallelwährung kann nicht überzeugen).

Nehmen wir einmal an, es gibt Geld A und Geld B. Sind beide gleich gutes Geld aus Sicht der Geldnachfrager, ist eines von beiden verzichtbar.

Ist hingegen Geld A besser als Geld B, so wird Geld A verwendet, und Geld B wird nicht nachgefragt und aus dem Markt gedrängt.

Könnte es sein, dass Geld A und B Seite an Seite verwendet werden, wenn man Handeln unter Unsicherheit unterstellt? Wenn also die Marktakteure, weil sie sich nicht ganz sicher sind, ob Geld A oder B besser ist, sowohl Geld A als auch Geld B nachfragen?

Die Antwort ist nein. Auch unter Unsicherheit ist die Verwendung von einem Geld aus Sicht der Wirtschaftsrechnung optimal.

Es mag zwar durchaus Unsicherheit darüber bestehen, ob ein Geld seine Kaufkraft im Zeitablauf behalten wird; oder ob man es, wenn man es bei Banken hält, wiederbekommt (gemeint ist hier das Zahlungsausfall- und Kontrahentenrisiko).

Doch auf freien Märkten werden derartige Unsicherheiten in Verträgen abgegolten. Zum Beispiel enthalten Kreditkontrakte Zinssätze, die entsprechende Inflations- und Kreditprämien beinhalten. Oder die Geldnachfrager schließen bei Bedarf Inflations- und Zahlungsausfallversicherungen ab.

Selbst unter expliziter Berücksichtigung von Unsicherheit bleibt die optimale Anzahl des Geldes eins.

Ein Währungswettbewerb, wenn er sich frei entfalten kann, läuft folglich auf einen Verdrängungswettbewerb hinaus. Letzterer arbeitet darauf hin, ein Geld, das beste Geld, zu etablieren.

Die Auffassung, eine staatliche Fiat-Währung könnte mit einem im freien Markt entstandenen Geld in „wettbewerblicher Eintracht“ nebeneinander existieren, erweist sich als Trugschluss.

3. Zur Entstehung des Geldes

Eine weitere wichtige Frage lautet: Wie ist Geld entstanden? Durch das Aufkommen der Kryptoeinheiten ist diese Frage nicht nur von theoretischem, sondern auch von praktischem Interesse.

Die heute nahezu einhellig akzeptierte Theorie ist, dass das Geld vom Staat bereitgestellt werden muss. Diese positiv-rechtliche Sichtweise legte Georg Friedrich Knapp (1842 – 1926) in seinem 1905 erschienen Buch „Staatliche Theorie des Geldes“ vor.

Carl Menger (1840 – 1921) vertritt in seinem Buch „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“ (1871) eine andere Theorie. Geld, so Menger, ist spontan aus dem freien Markt, aus freiwilligen Tauschhandlungen entstanden, und zwar aus einem Sachgut.

Mengers Erklärung wird 1912 durch das „Regressionstheorem“, das Ludwig von Mises (1881 – 1973) formuliert, bestätigt. Was besagt das Regressionstheorem?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zunächst klarmachen, warum wir Geld nachfragen.

Wir fragen Geld nach, weil wir unter Unsicherheit handeln. Geld eignet sich besonders gut, um mit der Unsicherheit umzugehen. Denn Geld hat Kaufkraft und sichert unsere jederzeitige Tauschfähigkeit.

Wie aber erklärt sich die Kaufkraft des Geldes? Antwort: Sie resultiert aus dem Zusammenspiel zwischen dem Angebot von und der Nachfrage nach Geld, denn auf diese Weise bilden sich die Güterpreise.

So richtig diese Erklärung auch ist – sie verursacht ein Problem: Wenn die Kaufkraft des Geldes durch das Angebot von und die Nachfrage nach Geld bestimmt wird, so ist das ein Zirkelschluss!

Denn es wird ja gesagt: Geld wird nachgefragt, weil Geld Kaufkraft hat. Aber die Kaufkraft des Geldes bedingt, das Geld bereits nachgefragt wird. Die Erklärung dreht sich im Kreise!

Mises löst den Zirkelschluss auf. Er erkennt, dass die Kaufkraft des Geldes eine Zeitdimension hat. Wir halten heute Euro, weil wir vor kurzem (vor einer Stunde, gestern, vorgestern) erfahren haben, dass man mit einem Euro etwas kaufen konnte. Und gestern haben wir Euro gehalten, weil wir vorgestern die Erfahrung gemacht haben, dass der Euro Kaufkraft hatte. Und so weiter.

Aber verschiebt eine solche Erklärung nicht das Erklärungsproblem nur immer weiter in die Vergangenheit, ohne es aufzulösen? Endet man nicht in einem infiniten Regress? Die Antwort ist nein.

Durch die gedankliche Regression gelangt man zu dem Zeitpunkt (weit in der Vergangenheit), an dem ein Gut erstmalig als Geld (als indirektes Tauschmittel) verwendet wurde.

Davor – bevor das Gut erstmalig als indirektes Tauchmittel eingesetzt wurde –, bestimmte sich sein Marktwert allein aufgrund seines nicht monetären Nutzens.

Der Tausch- beziehungsweise Marktwert des Gutes, der sich aus seinem nicht-monetären Nutzen erklärt, ist der notwendige Ausgangspunkt für die Kaufkraft des Geldes.

Ohne dass ein Gut einen nicht-monetären Tausch- beziehungsweise Marktwert besessen hat, kann es nicht zu Geld werden. Ansonsten wüsste niemand, welchen Tauschwert das Gut hat; niemand würde es als Geld akzeptieren.

Mit dem Regressionstheorem stützt Ludwig von Mises die Theorie der Geldentstehung (praxeologisch), wie sie von Carl Menger formuliert wurde – und widerlegt gleichzeitig Knapps „Staatliche Theorie des Geldes“.

Wie aber kommt es, dass heutzutage der Staat das Monopol der Geldproduktion innehat? Ich will die Antwort kurz halten: Der Staat hat sich die Geldproduktion in einem – zugegebenermaßen langwierigen Prozess – gewaltsam angeeignet. Das staatliche Geldmonopol ist alles andere als „natürlich“, es ist vielmehr „unnatürlich“.

Das Aufkommen von Kryptoeinheiten, die nun das staatliche Geldproduktionsmonopol in Frage stellen, lässt sich so gesehen als eine “Korrektur”, als eine Art „Rückkehr zur währungsgeschichtlichen Normalität“ begreifen.

Doch bevor wir die Bedeutung des Regressionstheorems für die Kryptoeinheiten näher betrachten, lassen Sie uns kurz die Probleme des heutigen Fiat-Geldes benennen – denn sie dürften ein wichtiger Beweggrund für die Kräfte sein, die den Währungswettbewerb in Gang gesetzt haben.

4. Probleme des Fiat-Geldes

Ob US-Dollar, Euro, chinesischer Renminbi, japanischer Yen oder Schweizer Franken: Sie alle sind Fiat-Geld. Der Begriff Fiat stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „So sei es“; Fiat-Geld lässt sich auch als „Zwangsgeld“ verstehen.

Das Fiat-Geld zeichnet sich vor allem durch drei Eigenschaften aus: (1) Es ist staatlich monopolisiertes Geld; (2) es wird überwiegend durch Bankkreditvergabe „aus dem Nichts“ geschaffen; und (3) es ist entmaterialisiertes Geld, hat die Form von Papierzetteln (eigentlich: Baumwollstücken) und Einträgen auf Computerfestplatten („Bits & Bytes“).

Das Fiat-Geld leidet unter einer Reihe von ökonomischen und ethischen Defiziten. Fünf seien kurz angesprochen:

(i) Fiat-Geld ist inflationär. Es verliert seine Kaufkraft im Zeitablauf, weil seine Menge von den staatlichen Zentralbanken unablässig nach politischen Erwägungen vermehrt wird. Inflationäres Geld ist schlechtes Geld, es erschwert das Wirtschaften und schadet vielen Menschen.

(ii) Fiat-Geld begünstigt einige auf Kosten vieler. Es sorgt für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen, indem es die Erstempfänger des neuen Geldes begünstigt auf Kosten derjenigen, die die neue Geldmenge erst später erhalten oder gar nichts von ihr abbekommen (das ist der „Cantillon Effekt“).

Das Anwachsen der Geldmenge führt notwendigerweise zu einer Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Sie fällt beim Fiat-Geld besonders stark aus – das ist auch der Grund, warum der Staat das Warengeld durch sein eigenes, beliebig vermehrbares Fiat-Geld ersetzt hat: Der Staat und die ihm besonders nahestehenden Gruppen profitieren vom inflationären Geld.

(iii) Fiat-Geld sorgt für Boom-und-Bust. Die Vermehrung der Geldmenge durch Kreditvergabe senkt die Marktzinsen künstlich. Die Ersparnis sinkt dadurch ab, und Investitionen und Konsum nehmen zu. Die Volkswirtschaft beginnt über ihre Verhältnisse zu leben. Früher oder später zerplatzt die monetär angezettelte Reichtumsillusion, und aus dem Boom wird ein Bust.

(iv) Fiat-Geld treibt die Volkswirtschaft in die Überschuldung. Die künstlich gesenkten Zinsen verleiten Private, Unternehmen und Staaten zur Schuldenwirtschaft. Die Schuldenlasten wachsen dabei im Zeitablauf stärker an, als die Einkommen zunehmen.

(v) Fiat-Geld lässt den Staat auswuchern – zu Lasten der Freiheit der Bürger und Unternehmen. Es erlaubt dem Staat, seine Finanzkraft gewaltig auszuweiten, und damit kann er sich im wahrsten Sinne des Wortes eine wachsende Gefolgschaft erkaufen.

5. Grundsätzliches zum Bitcoin

Angesichts dieser ökonomischen und ethischen Defizite des Fiat-Geldes ist es nicht verwunderlich, dass findige Menschen sich daran gemacht haben, besseres, gutes Geld zu schaffen.

Das Angebot des freien Marktes sind Kryptoeinheiten, allen voran der Bitcoin, die derzeit bekannteste von ihnen. Was zeichnet den Bitcoin aus?

Bei ihm handelt es sich um eine virtuelle, digitalisierte Einheit – in Form eines errechneten einmaligen Zahlen- und Buchstaben-Codes.

Bitcoins werden durch Computerrechenleistung produziert, für die der Einsatz von Kapital (beziehungsweise Rechnerkapazität) erforderlich ist.

Die Bitcoins werden dezentral, durch einen Zusammenschluss vieler Computer weltweit, erzeugt; eine zentrale Produktionsstelle (wie die staatlichen Monopolzentralbanken beim Fiat-Geld) gibt es hier nicht.

Die insgesamt erzeugbare Bitcoin-Menge beträgt laut dem „Protokoll“ (das ist die Konstruktions-Blaupause für den Bitcoin) 21 Millionen Stück. Die Bitcoin-Menge ist also begrenzt. Bislang sind etwa 16,7 Millionen produziert worden.

Die Blockchain, auf der der Bitcoin aufbaut, ist ein dezentrales, öffentlich einsehbares Kassenbuch. Transaktionen werden direkt zwischen den Handelsparteien abgewickelt („Peer-to-Peer“), und sie werden endgültig und fälschungssicher abgespeichert, ohne dass dafür eine zentrale Stelle erforderlich wäre.

6. Bitcoin und das Regressionstheorem

Mit Blick auf die technischen Eigenschaften des Bitcoin lautet eine wichtige Frage: Kann die Kryptoeinheit zu Geld werden? Eine zu erfüllende Bedingung ist, dass der Bitcoin im Einklang mit dem Regressionstheorem steht.

Zur Erinnerung: Das Regressionstheorem besagt, dass Geld (1) spontan im freien Markt und (2) aus einem Gut hervorgegangen sein muss, das, bevor es als Geld verwendet wurde, einen Tauschwert gehabt hat, der sich allein aufgrund seines nicht-monetären Nutzens erklärte.

In der Diskussion, ob der Bitcoin mit dem Regressionstheorem vereinbar ist, gibt es unterschiedliche Positionen. Ich kann hier nicht alle Sichtweisen vorstellen, sondern will mich auf eine beschränken, die mir besonders gehaltvoll erscheint.

Der erste Bitcoin ist am 9. Januar 2009 entstanden. Sein Marktpreis war null. Und für die kommenden 10 Monate blieb er bei null, obwohl bereits Transaktionen mit ihm ausgeführt wurden. Der erste Bitcoin-Preis entstand am 5. Oktober 2009: 1 US$ entsprach 1309,03 Bitcoin.

Wie erklärt sich, dass der Bitcoin plötzlich einen Marktpreis erhielt? Zunächst probierte man die Blockchain aus. Der Bitcoin diente dabei als Verrechnungseinheit.

So gesehen reflektierte der nicht-monetäre Wert des Bitcoin den Nutzwert des neuen Zahlungs- und Transfersystems Namens Blockchain. Er war die notwendige Voraussetzung für den späteren monetären Tauschwert des Bitcoin.

Aus meiner Sicht steht die Wertfindung des Bitcoin im Einklang mit dem Regressionstheorem – und damit erfüllt der Bitcoin eine notwendige Bedingung, um zu Geld werden zu können.

7. Wettbewerber Bitcoin

Damit der Bitcoin zu Geld werden kann, muss er aber nicht nur mit dem Regressionstheorem vereinbar sein, es müssen weitere Bedingungen erfüllt sein – Bedingungen, die ihm im Wettbewerb der Währungen die entscheidenden Vorteile bringen.

Auf der einen Seite genießt der Bitcoin einen – im Grunde paradoxen – Wettbewerbsvorteil, den er der Existenz des Staates verdankt: Der Bitcoin ist dem Zugriff des Staates entzogen.

Der Staat kann seine Kaufkraft nicht manipulieren, weil er seine Menge nicht beeinflussen kann. Er kann auch nicht auf die Umsätze, die mit Bitcoin gemacht werden, zugreifen. Das verleiht dem Bitcoin eine besondere Attraktivität.

Allerdings hat der Bitcoin auch Wettbewerbsnachteile (die er sich mit anderen Geldaspiranten, zu denen auch Gold und Silber zählen, teilt).

Das staatliche Fiat-Geld ist als gesetzliches Zahlungsmittel privilegiert. Das gibt ihm einen staatlich gewährten transaktionstechnischen Vorteil gegenüber konkurrierenden Tauchmitteln.

Zudem sind Bitcoin-Transaktionen in vielen Ländern steuerlich benachteiligt gegenüber Transaktionen, die mit dem staatlichen Fiat-Geld ausgeführt werden.

Hinzu kommt, dass die Leitungsfähigkeit der Blockchain, viele (kleine) Zahlungen mit geringem Zeit- und Kostenaufwand zu bewältigen, derzeit noch nicht mit den herkömmlichen Zahlungsverkehrssystemen mithalten kann.

All das hemmt derzeit die Attraktivität und Verbreitung der Kryptoeinheit. Doch der Status quo kann und wird sich wohl ändern, wenn mehr und mehr Menschen einsehen, dass Kryptoeinheiten für sie besser, vorteilhafter sind als das staatliche Fiat-Geld.

Deshalb ist es wichtig, dass es Menschen freigestellt wird, Erfahrungen mit den neuen Geldaspiranten zu sammeln – und Anbieter die Freiheit haben, ihr Angebot immer besser auf die Nachfragewünsche auszurichten.

8. Waren- versus Digitalgeld: das Verlustrisiko

Nun einige Überlegungen zum Verlustrisiko des Geldes – dem Risiko, dass es seine Kaufkraft einbüßt. Beginnen wir mit dem Warengeld.

Gold wird nachgefragt aus einer Reihe von Gründen. Man verwendet es in der Industrie und zu Schmuckzwecken. Das ist die Nachfrage nach Gold aufgrund nicht-monetärer Motive.

Zusätzlich gibt es eine Goldnachfrage aufgrund monetärer Motive: Menschen wollen Gold halten, weil sie beispielsweise im gelben Metall das „ultimative Zahlungsmittel“ erblicken. Beide Nachfragemotive zusammen ergeben die Gesamtnachfrage nach Gold.

Selbst wenn Gold nicht mehr aufgrund monetärer Motive nachgefragt werden würde, hätte es immer noch eine Nachfrage aufgrund seines nicht-monetären Nutzens. Solange es also eine nicht-monetäre Verwendung gibt, wird das Gold stets einen positiven Marktpreis haben. Die Kaufkraft des Goldes (sein Tauschwert gegenüber anderen Gütern) kann so gesehen nicht auf null fallen; Gold kann nicht zum Totalverlust werden.

Wie verhält es sich bei Kryptoeinheiten? Die Nachfrage nach zum Beispiel Bitcoin speist sich ebenfalls aus zwei Motiven: (1) Mit Bitcoin lassen sich verschlüsselte, Blockchain-basierte Transaktionen abwickeln. Der Bitcoin dient in dieser Verwendung als (eine unter vielen anderen) Verschlüsselungsmöglichkeiten. So gesehen gibt es für den Bitcoin eine Nachfrage aufgrund eines nicht-monetären Motivs.

(2) Der Bitcoin hat aber auch eine Nachfrage aufgrund eines monetären Motivs: Eine wachsende Zahl von Menschen handelt mit ihm, und nicht wenige hoffen darauf, dass der Bitcoin zum neuen Geld wird, vielleicht sogar die etablierten Fiat-Währungen ablösen wird. Der Bitcoin hat ja viele Eigenschaften, die ihn zu gutem Geld machen könnten.

Könnte es aber sein, dass der Bitcoin noch durch eine neue Krypto-Innovation überrundet wird? Vielleicht wird künftig eine neue, mengenmäßig begrenzte Kryptoeinheit entwickelt, die einfacher, schneller und kostengünstiger zu handhaben ist als der Bitcoin?

Wenn das der Fall sein sollte, könnte die Bitcoin-Nachfrage aufgrund monetärer Motive im Extremfall ganz verschwinden. Und vielleicht wäre damit auch die Bitcoin-Nachfrage aufgrund des nicht-monetären Motivs in Frage gestellt. Kurzum: Der Bitcoin könnte im Extremfall wertlos werden, er unterliegt so gesehen einem Totalverlustrisiko.

Man kann an dieser Stelle zu folgendem Schluss gelangen: Aus heutiger Sicht unterliegt die Beständigkeit der wertbestimmenden Faktoren beim Bitcoin einem größeren Risiko als beim Gold. Das mag auch erklären, warum der Preis des Bitcoin mitunter stark schwankt.

Entscheidend für seinen Markterfolg wird letztlich vor allem auch sein, ob der Bitcoin „das letzte Wort“ auf dem Weg zu einer Cyber-Währung ist, oder ob die Innovationskraft der IT-Welt nicht doch noch eine bessere Lösung hervorbringt.

9. Digitales Warengeld

Das führt mich zu abschließenden Frage: Welche Möglichkeiten bestehen, die Blockchain zu nutzen, um das Edelmetallgeld in die digitale Welt zu führen?

Die Frage passt, so meine ich, durchaus in die Zeit – auch und gerade im Zeitalter der Digitalisierung. Denn Edelmetalle sind aus geldtheoretischer Sicht (immer noch) geradezu perfektes Geld.

Betrachten wir ein einfaches Beispiel: Herr Schmidt möchte Gold erwerben (weil er der Meinung ist, Gold sei das „beste Geld“). Er wünscht das Gold aber nicht in physischer, sondern in „digitalisierter“ Form zu halten.

Das Goldhandelshaus bietet Herrn Schmidt daraufhin eine Feinunze Gold an, die mittels eines „Colored Bitcoin“ digitalisiert ist. Der Colored Bitcoin ist ein Bitcoin, der einen Anspruch auf die Herausgabe einer bestimmten physischen Goldmenge repräsentiert, die beim Goldhandelshaus verwahrt ist.


(Grafik durch anklicken vergrößern)

Es handelt sich beim Colored Bitcoin im Grunde um eine digitalisierte Banknote, die gedeckt ist mit einer bestimmten Feingoldmenge (im geldtheoretischen Fachjargon ist der Colored Bitcoin ein Geldzertifikat).

In unserem Beispiel kauft der Herr Schmidt eine Feinunze zum Preis von 1.100 Euro. Zudem erwirbt er den Colored Bitcoin (in Höhe von 600 Satoshis) zum Preis von 0,03 Euro.

Das Edelmetall lässt sich fortan per Colored Bitcoin (also mittels digitalisiertem Geldzertifikat) einfach und kostengünstig im Tausch- beziehungsweise Zahlungsverkehr übermitteln.

An dieser Stelle ist allerdings zu bedenken, dass die Bitcoin-Menge begrenzt ist, und dass eine steigende Nachfrage nach Bitcoin seinen Preis in die Höhe treibt – und damit auch die Kosten, das Gold unter Verwendung von Colored Bitcoins zu digitalisieren.

Es wäre daher möglicherweise eine Verschlüsselungstechnologie vorzuziehen, die die Informationen auf der Blockchain fälschungssicher ablegt, die aber nicht wie der Bitcoin mengenmäßig begrenzt ist.


10. Die große Disruption

Wie die Zukunft des Geldes aussehen wird, ob Kryptoeinheiten (allen voran der Bitcoin) das Rennen machen, oder ob sie ein Transportvehikel (ein Geldzertifikat) sein werden für ein Warengeld (Edelmetalle), lässt sich aus heutiger Sicht nicht abschließend beantworten.

Mit der Blockchain und den Kryptoeinheiten ist ein Währungswettbewerb in Gang gekommen – und der Wettbewerb ist bekanntlich ein Entdeckungsverfahren, dessen Endergebnis man nicht kennen kann.

Doch eines können wir schon heute wissen: Der Währungswettbewerb ist ein Verdrängungswettbewerb. Er läuft auf ein “entweder-staatliches-Fiat-Geld” oder ein “frei-im-Markt-gewähltes-Geld” hinaus.

Die Blockchain ist eine Disruption. Sie gibt die berechtigte Hoffnung, dass der Technologiefortschritt das schafft, was ökonomischer Vernunft und ethischer Einsicht bislang nicht gelungen ist: das staatliche Fiat-Geld durch ein besseres, ein gutes Geld zu ersetzen.

Das wäre ein bedeutender Schritt in eine friedvollere, gerechtere und produktivere Welt!


Thorsten Polleit



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6 Kommentare

  1. moin,moin , so weit so gut und richtig.ich habe mises auch gelesen und verstanden. ich weiss ,dass es unglaublich sexy ist was bitcoin und co für den nutzer sein kann.denn was der normal sterbliche noch nicht verstanden hat, ist ,dass im laufe seiner lebensarbeitskraft(ca 1mio €) ca .60 % davon wieder wegbesteuert bzw. enteignet wird .bitcoin würde dessen ein ende bereiten ,denn was der staat nicht sehen kann ,kann er nicht stehlen und wir hätten gleichzeitig echte demokratie.und ihm wären die finanziellen mittel entzogen, am ende, wie 2008 schon gesehen, die 2. schwachstellen
    (bilanzfälschung+zahlung.-haftungssverweigerung) des fiat systems zu decken. was wir in wirklich brauchen ist ein kryptografisch geschütztes fiat system,in dem die umlaufgeschwindikeit nicht gebremst wird.das peer to peer problem löst die kryptografie nämlich nicht. grüsse
    o.

  2. Vielen Dank für den sehr interessanten Artikel!
    Die optimale Anzahl des Geldes „Eins“ wird m.E. besonders bei Kryptowährungen bedingt durch das theoretisch „freie“ Erschaffen einer bzw. vielen neuen Kryptowährungen dazu führen, das unmöglich zu erkennen ist, welche Währung denn nun einen monetären Tauschwert erhalten wird. Dieses wäre wiederum nur durch übergeordnete (staatliche) Kontrolle zu erreichen, was wiederum Kryptowährung mit ähnlichen Nachteilen ausstattet, wie bisheriges FIAT-Geld.
    Da beißt sich m.E. die Katze in den Schwanz.

  3. Ohhh,Hr Poleit will den Begriff,“Waehrung“ durch „Einheiten“ ersetzen..aha!!!
    Mal sehen,wann man von einer Weltwaehrung bzw.Einheit liest,lol
    Den Papierjunkies,wird doch nicht etwa der Arch gehen?

  4. Interessanter Artikel. Meine Kritik an den Kryptoeinheiten ist folgende. Ich bin der Meinung, dass von den Befürwortern zu positiv und euphorisch und teilweise auch naiv darüber argumentiert und berichtet wird. Man sollte nie vergessen, dass der Teufel im Detail steckt.

    Problem 1) die oft erwähnte nicht Vermehrbarkeit von KW läuft doch darauf hinaus, dass viele Dinge auf lange Sicht nicht finanziert werden können, da im System irgendwann das Geld buchstäblich aus geht und sich der Großteil in den Händen weniger befindet, während die Masse fast garnichts davon hat. Daraus folgt schon…

    Problem 2) diejenigen, die dann schließlich große Mengen der KW halten, bekommen einen nicht legitimierten Vermögenszuwachs, durch erhebliche Wertsteigerung Ihres Kapitals, das wiederum führ zu….

    Problem 3) es werden sich unkontrollierbare Machtblasen bilden, in Händen von Leuten/Personengruppen, die in keiner Weise demokratisch legitimiert wurden. Das könnten zB. auch Konzerne sein, deren Macht noch zusätzlich wächst, einmal durch die ohnehin vorhandene Marktmacht (Monopolstellung) und noch zusätzlich durch die Monetäre macht, wie bei Punkt 1 genannt, deren Wertzuwachs (Kaufkraft) immens steigt.

    Problem 4) die Transparenz der Kryptowährungen ist quasi nicht vorhanden. Niemand außer den Urheber kennt wirklich den Algorithmus hinter den KW. Es ist für mich als Nutzer nicht ohne weiteres möglich zu erkennen, ob die Währung beliebig vermehrbar ist oder nicht. Und warum sollte ich überhaupt eine Währung benutzen, die von einer Privatperson(kreis) erschaffen wurde?! Das wäre doch in etwa so, als würde man einer wildfremden Person sein eigenes Vermögen einfach so ungeprüft geben.

    Die Problematiken, die sich durch Kryptowährungen ergeben würden, wären zu komplex, damit ich diese hier alle wiedergeben kann. Aber wenn man tiefer in diese Materie gedanklich eintaucht, wirft die Sache mehr Fragen und Probleme auf, als es wirklich löst und beantwortet.

  5. @alle
    ihr habt alle recht.
    1. geld muss auch für jeden praktikabel sein(algo erkennung,akzeptanz)
    2. geldmenge darf nicht gedeckelt sein (kredit -finanzierung)
    3. geld muss schnell sein (sonst globalisierungsproblem)
    4. geld muss anonym sein (sonst steuer.-staatsproblem)
    5. geld muss variabel zinsfähig sein ( sonst bretton woods problem)
    6. die haftung.-zurückzahlbarkeit,bilanzierbarkeit muss open source mathematisch wissenschaftlich und demokratisch kontrolliert sein und !!!!!nicht politisch!!!!!!!!!!!!!!!(den politik und religion ist der untergang)

    …ich hab bestimmt was vergessen. ach ja ,aber ihr wisst schon was für gegner hier jetzt auf den plan gerufen werden,oder?
    iasas
    o.

  6. ups,wenn ich meine liste so sehe ,fällt mir auf,da wird in europa von den verantwortlichen jeder punkt mit dem gegenteil dessen praktiziert.ultimatives mittelalter.automatischer datenaustausch,lohnbesteuerung,bilanzbetrug durch target2,bargeldobergrenze etc.,weitergabe haftungsrisiko(zurückzahlbarkeit),daten cd´s+panamapapers,ecb fälscht zinsgefälle,swift,immunität des esm gremium etc. das alles von parteien die in absoluten zahlen meist nicht mal ein drittel repräsentieren und sogar schon mit schwarzen koffern fotografiert worden sind. die meinungsmacher in england wissen schon was zu tun ist ,wenn in eu wieder das kreuz gezeigt wird.

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