Anleihen

Anleger stellen sich auf eine Zeit ohne Zentralbankreize ein Eine seismische Verschiebung der Kapitalströme stützt den Euro

Eine seismische Verschiebung der Kapitalströme stützt den Euro

An den Anleihe- und Devisenmärkten tut sich was. Milliarden an Kapital fließt zurück nach Europa, da die EZB gute Gründe hat weitere Zinserhöhungen im Kampf gegen die hohe Inflation durchzuführen, wodurch die Renditen steigen. Durch die stark gestiegenen Renditen kehren die Anleihemilliarden nach Europa zurück. Dies verringert schließlich den langfristigen Währungsdruck und stützt den Euro. Eine Verschiebung der Kapitalströme deutet darauf hin, dass sich die Anleger auf eine Zeit ohne Zentralbankreize einstellen.

Die Tonlage ist zuletzt wieder falkenhafter ausgefallen. Einige Mitglieder der EZB sorgten mit ihren Aussagen für weiter steigende Zinserwartungen. Am Mittwoch hatte sich Christine Lagarde bei einer Rede vor dem EU-Parlament klar positioniert: Der Leitzins wird am 16. März von aktuell 3,0 % auf 3,5 % angehoben. Obwohl sich die Inflation seit drei Monaten abschwächt, hören die Notenbanker nicht auf zu betonen, dass man noch weit davon entfernt sei, die Inflation zu besiegen.

So hatte EZB-Direktorin Isabel Schnabel am Freitag davor gewarnt, dass die Märkte die hohe Inflation unterschätzen könnten. Sie verwies auf die Stärke des zugrunde liegenden Preisdrucks und raschere Lohnsteigerungen und sagte, “wir müssen daher möglicherweise energischer handeln.” Es ist also davon auszugehen, dass die EZB die Zinsen auch nach der März-Sitzung weiter erhöhen wird. Die gestiegene Zinserwartung treibt die Renditen für europäische Anleihen an und könnte schließlich zu einer Trendwende bei den Kapitalströmen führen und so den Euro mittelfristig beflügeln.

Euro: Verschiebung der Kapitalströme an den Märkten

Wie Bloomberg berichtet, vollzieht sich auf den europäischen Anleihe- und Devisenmärkten eine seismische Verschiebung der Kapitalströme, da sich die Marktteilnehmer auf eine Welt ohne Zentralbankanreize einstellen.

Dreihundert Basispunkte an Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank seit Juli haben den jahrelangen Exodus aus den festverzinslichen Fonds der Region gestoppt. Die Nettoabflüsse, die sich Ende 2021 auf 818 Mrd. Euro (872 Mrd. US-Dollar) beliefen – so viel wie seit mindestens zwei Jahrzehnten nicht mehr – sind nun rückgängig gemacht worden, wie Daten der Deutschen Bank AG zeigen.

Die gestiegenen Anleiherenditen sowie die Erleichterung darüber, dass der Krieg in der Ukraine keine tiefere Energiekrise ausgelöst hat, beseitigen auch eine grundlegende Belastung der Einheitswährung. Die positive Entwicklung führt sogar dazu, dass das Kapital von Märkten mit höheren Renditen wie in den USA auf Euro lautende Vermögenswerte umgeschichtet wird.

Euro: Zinserwartungen führt zu Kapitalströmen nach Europa - Renditen steigen

„Die zugrunde liegende Dynamik der Kapitalströme wird in diesem Jahr deutlich positiver für den Euro“, sagte George Saravelos, der globale Leiter der Devisenforschung der Bank. „Geldverwalter berichten uns, dass sie zum ersten Mal seit langem eine Welle von Investitionsströmen in europäische festverzinsliche Wertpapiere sehen.“

Renditen: Gestiegene Zinserwartungen

Die EZB hielt die Zinsen jahrelang im negativen Bereich, um die Kreditkosten zu senken, und kaufte Billionen von Anleihen auf, um zunächst das stagnierende Wachstum und dann den Ausbruch von Covid zu bekämpfen, so Bloomberg.

Die Anleger sträubten sich dagegen und verringerten den Anteil der Euro-Anleihen in europäischen Investmentfonds zwischen 2014 und 2021 um 14 Prozentpunkte – was letztlich zu einer Untergewichtung von einer halben Billion Euro führte, so die Strategen der Deutschen Bank.

Jetzt, da die Renditen so hoch sind wie seit Jahren nicht mehr und die Stimmung gegenüber festverzinslichen Wertpapieren weitaus positiver ist, da die EZB mit den Zinserhöhungen der US-Notenbank gleichzieht, dürften sich die Nettoströme positiv entwickeln, so die Daten der Deutschen Bank. Die Geldmärkte gehen von weiteren EZB-Zinserhöhungen um fast 125 Basispunkte aus, verglichen mit zusätzlichen 75 Basispunkten in den USA.

„Die Lücke zwischen den Zinssätzen der Fed und der EZB wird sich schließen“, so Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research bei Invesco Asset Management Ltd. „Deshalb wird der Euro im Laufe dieses Jahres wahrscheinlich weiter an Wert gewinnen.“

Die Trendwende bei den Kapitalströmen ist ein Schlüsselfaktor, der die optimistische langfristige Einschätzung der Deutschen Bank untermauert, auch wenn der wiedererstarkte Dollar das EUR/USD-Währungspaar in diesem Monat nach unten gedrückt hat. Der Euro wurde am Freitag um 1,07 $ gehandelt und lag damit unter seinem jüngsten Höchststand von 1,1033 $ am 2. Februar.

EZB-Geldpolitik hat den Ausverkauf von Anleihen gestoppt

Verbesserung der Euro-Zuflüsse

Die am Freitag veröffentlichte Bilanz der EU für Dezember deutete auf eine Verbesserung der Euro-Zuflüsse hin, sagte Jordan Rochester, Devisenstratege bei Nomura. Zusätzlich zu den Portfoliozuflüssen stieg die Leistungsbilanz – begünstigt durch niedrigere Energiepreise – weiter auf einen Überschuss von 16 Milliarden Euro.

Allerdings dürfte die Rückführung von Kapital in den Euroraum ein mehrjähriger Prozess sein, der von Ebbe und Flut geprägt sein wird: In den Jahren vor der Pandemie ließen die Abflüsse nach, um dann im Zuge einer neuen Runde von Konjunkturmaßnahmen, die die Renditen erneut nach unten drückten, wieder zuzunehmen.

Und der Verkauf von Gemeinschaftsanleihen – der als weiterer potenzieller Katalysator für einen größeren Kapitalzufluss gilt – ist wahrscheinlich noch Jahre entfernt. Und das, obwohl der Ruf nach gemeinsamen Emissionen lauter wurde, nachdem der Krieg in der Ukraine die dringende Notwendigkeit unterstrichen hatte, die Investitionen in Verteidigung und Energiesicherheit zu erhöhen.

Andere positive Faktoren sind nach wie vor im Spiel

Die Kosten für ausländische Investoren zur Absicherung von US-Schuldtitel sind in die Höhe geschnellt und schmälern ihre Renditen in dem Moment, in dem die Renditen auf ihren Heimatmärkten wieder attraktiver werden. Dies wird wahrscheinlich zu einer Rückführung von Kapital nach Europa führen, so wie es auch in Japan der Fall war, wo die Anleger im letzten Jahr eine Rekordsumme an Auslandsanleihen abgestoßen haben.

Angesichts der niedrigeren Energiepreise, die den Leistungsbilanzüberschuss der EU wieder ansteigen lassen, ist es nicht undenkbar, dass der Euro schließlich in den Bereich zurückkehrt, in dem er vor dem QE gehandelt wurde, so Kit Juckes, Chief Global FX Strategist bei Societe Generale SA. Die Gemeinschaftswährung erreichte 2014 ein Jahrzehnteshoch von 1,40 $.

„Die EZB hat die europäischen Anleger aus den europäischen Anleihen verdrängt und lässt sie jetzt wieder hinein“, sagte er.

FMW/Bloomberg



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