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EZB-Jahresrückblick 2017: Mario Draghi´s Sichtweise im Wortlaut

Laut Mario Draghi ist im Jahr 2017 für die Eurozone alles total super gelaufen. Wirtschaftswachstum, Arbeitsmarkt, Abbau notleidender Bankkredite, alles bestens. Nur die Inflation sei...

FMW-Redaktion

Laut Mario Draghi ist im Jahr 2017 für die Eurozone alles total super gelaufen. Wirtschaftswachstum, Arbeitsmarkt, Abbau notleidender Bankkredite, alles bestens. Nur die Inflation sei nicht so stark gewachsen wie gewünscht. Den 241 Seiten langen Jahresbericht der EZB wollen wir Ihnen in seiner vollen Länge nicht antun, sondern nur Mario Draghi´s Sicht auf das Jahr 2017 in seinen eigenen Worten. Zitat:

Der Konjunkturaufschwung im Euroraum entwickelte sich 2017 zu einem soliden und breit angelegten Wirtschaftswachstum von 2,5 %. Zum Jahresende wurden 18 Wachstumsquartale in Folge verzeichnet. Dies bedeutete den stärksten Aufschwung seit 10 sowie das breiteste Wachstum seit 20 Jahren. Gleichzeitig sank im Berichtsjahr das Gefälle der Wachstumsraten zwischen den Ländern des Euroraums auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Währungsunion.

Dank des robusten Wachstums schritt auch die Erholung am Arbeitsmarkt rasch voran. Die Beschäftigung stieg um 1,6 % und erreichte – gestützt durch eine Erwerbsbeteiligung der weiblichen und älteren Arbeitnehmer auf Rekordniveau – den höchsten jemals verzeichneten Stand. Die Arbeitslosenquote fiel auf den niedrigsten Stand seit Januar 2009. Seit Mitte 2013 wurden insgesamt 7,5 Millionen Arbeitsplätze geschaffen und damit die während der Krise erlittenen Jobverluste insgesamt wieder ausgeglichen.

Wie bereits in den Vorjahren spielte die Geldpolitik der EZB bei der Erholung und Konvergenz der wirtschaftlichen Entwicklung im Euroraum eine zentrale Rolle. 2017 waren die in der Vergangenheit beobachteten Asymmetrien bei der Übertragung der geldpolitischen Impulse kaum noch feststellbar, und die Finanzierungskosten stabilisierten sich im gesamten Euro-Währungsgebiet auf Rekordtiefstwerten. Dies trug zum kräftigsten Zuwachs der Kreditvergabe an den privaten Sektor seit Ausbruch der Krise im Jahr 2008 bei.

Die robuste realwirtschaftliche Entwicklung ging allerdings nicht mit einer entsprechenden Inflationsentwicklung einher. Während sich die Gesamtinflation von ihren einstigen Tiefständen erholte und im Jahresverlauf durchschnittlich 1,5 % betrug, blieb der binnenwirtschaftliche Preisdruck gedämpft, und die zugrunde liegende Inflation ließ keine Anzeichen für einen dauerhaften Aufwärtstrend
erkennen.

Die unterschiedlichen Aussichten für Wachstum und Inflation prägten die geldpolitischen Beschlüsse der EZB während des gesamten Jahres und ließen auch eine Rekalibrierung des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten angebracht erscheinen.

Im Oktober beschloss der EZB-Rat, den monatlichen Umfang der Ankäufe weiter zu reduzieren – von 60 Mrd € auf 30 Mrd € –, das Programm jedoch um mindestens neun Monate bis September 2018 zu verlängern. Darüber hinaus verzichtete der EZB-Rat in seinen offiziellen Verlautbarungen im März 2018 darauf, ausdrücklich auf seine Bereitschaft hinzuweisen, das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten
auszuweiten, falls sich der Ausblick eintrüben sollte.

In den Beschlüssen des EZB-Rats kommt sein gestiegenes Vertrauen in die Aussichten für die Wirtschaft zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund wäre ein unveränderter geldpolitischer Kurs zunehmend expansiv geworden. Die Beschlüsse trugen jedoch auch dem Umstand Rechnung, dass es einer gewissen Zeit bedarf,
bis sich Inflationsdruck aufgebaut hat, und dass eine konsequente Fortführung der Geldpolitik nötig ist, damit die Inflationsdynamik dauerhaft und selbsttragend wird.

Obwohl die Geldpolitik momentan die beabsichtigte Wirkung erzielt, sind Nebeneffekte nicht auszuschließen. Aus diesem Grund behielt die EZB die Risiken für die Finanzstabilität, die eingedämmt schienen, auch 2017 genau im Auge. Das stärkere nominale Wachstum trug zu einer Verringerung der Risiken bei, indem es die Schuldentragfähigkeit von Unternehmen und privaten Haushalten verbesserte. Die Schuldenquoten in beiden Sektoren sanken auf ihr jeweiliges Niveau von Anfang 2008, woraus sich erkennen ließ, dass die Erholung nicht auf Kosten einer Neuverschuldung im privaten Sektor ging. Vielmehr stiegen praktisch erstmals seit Beginn der Währungsunion die Ausgaben des privaten Sektors,
während seine Verschuldung zurückging.

Auch für Banken bot die anziehende Konjunktur eine Chance, ihre Bilanzen weiter zu stärken. Die robustere Wirtschaft half, die Ertragslage durch höhere Geschäftsvolumina und niedrigere Wertminderungskosten zu stabilisieren. Mit einem Anstieg der harten Kernkapitalquote im dritten Quartal 2017 auf durchschnittlich 14,5 % verbesserte sich die Schockabsorptionsfähigkeit der Banken, und auch die Aktivaqualität entwickelte sich positiv.

Darüber hinaus beschleunigten die Banken im Euroraum den Abbau notleidender Kredite (Non-Performing Loans – NPL), deren Quote von 8 % des Gesamtkreditbestands im Jahr 2014 auf 5,2 % im dritten Quartal 2017 sank. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2017 gingen die NPL um 119 Mrd € zurück, wobei der Anteil der Kreditverkäufe am Sekundärmarkt an den Gesamtveräußerungen anstieg. Dazu trugen auch Initiativen der EZB zur Verbesserung der Transparenz an den NPL-Märkten bei. Dennoch sind nach wie vor weitere Anstrengungen zum Abbau der hohen NPL-Bestände notwendig.

Auch die Lage an den Finanzmärkten beobachtete die EZB 2017 weiterhin genau. Die Märkte zeigten sich relativ ruhig, blieben jedoch anfällig gegenüber abrupten Neubewertungen von Risiken und einem Anstieg der Finanzmarktvolatilität. Diese Risiken traten Anfang 2018 an den globalen Aktienmärkten zutage, bislang haben sie allerdings nicht nennenswert auf die Kreditmärkte und somit die allgemeineren
Finanzierungsbedingungen des Euroraums übergegriffen.

Das Jahr 2017 stand außerdem im Zeichen bedeutender Entwicklungen in der Zahlungsverkehrslandschaft des Euro-Währungsgebiets. So wurde die letzte Migrationsphase zu TARGET2-Securities abgeschlossen; danach verarbeitete die Plattform im Berichtsjahr durchschnittlich 556 684 Transaktionen pro Tag. Mit der
Einführung der neuen 50-€-Banknote erhöhte sich die Zahlungssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger des Euroraums, die an Verkaufsstellen nach wie vor am liebsten mit Bargeld bezahlen.

Die EZB geht davon aus, dass die Wirtschaft 2018 weiter kräftig wachsen wird, und ist nach wie vor zuversichtlich, dass sich die Inflation ihrem mittelfristigen Zielwert annähern wird; Unsicherheiten bezüglich der Unterauslastung der Wirtschaft bestehen allerdings weiterhin. Eine von Geduld, Beharrlichkeit und Umsicht geprägte Geldpolitik ist daher nach wie vor notwendig, um eine Annäherung der Inflation an ihren Zielwert sicherzustellen.

EZB-Chef Mario Draghi
EZB-Chef Mario Draghi. Foto: EZB

Quelle: EZB



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