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Aussichten für sinkende Zinsen Fed-Powell-Aussagen: Märkte sehen nur das, was sie sehen wollen

Fed-Chef Powell sprach gestern Abend über die Aussichten auf sinkende Zinsen. Die Märkte suchten sich das heraus, was sie sehen wollten.

Fed-Chef Jerome Powell
Fed-Chef Jerome Powell. Foto: Loren Elliott/Bloomberg

Aktienkurse sollen steigen, Gold soll steigen – also sieht man als Anleger derzeit das, was man sehen will. Man braucht von der Zinsfront her Aussagen, die die Ansicht unterstützen, dass die US-Inflation weiter sinkt, und dass daher die Zinsen bald sinken können. Gestern nun sprach Fed-Chef Jerome Powell zur Aussicht auf sinkende Zinsen in den USA. Und eigentlich waren die Aussagen doch eher hawkisch, also eher zurückhaltend, was sinkende Zinsen angeht (hier die Einschätzung von Markus Fugmann gestern Abend).

Fed-Powell mit eher hawkischen Aussagen

„Fed-Chef will erst bei nachhaltigem Inflationsrückgang lockern“, so lautet aktuell die Headline der Einschätzung von Bloomberg zur Powell-Rede. Eigentlich eine klar hawkische Aussage, die eher Zurückhaltung und eine Verschiebung der Zinssenkungen andeutet. Aber die Aktienkurse stiegen gestern Abend, und konnten wie auch Gold ihre erhöhten Niveaus über Nacht halten. Damit signalisieren die Märkte, dass sie weiterhin an Zinssenkungen im Juni glauben.

Was waren die wichtigsten Aussagen? Bevor die US-Notenbank die Leitzinsen senkt, warten die Währungshüter laut Fed-Chef Jerome Powell auf deutlichere Anzeichen für einen dauerhaften Rückgang der Teuerung. Der wohl wichtige Satz für Aktienbullen war dieser: „Die jüngst höher als erwartet ausgefallenen Inflationszahlen änderten das Gesamtbild indessen nicht wesentlich“, so Powell am Mittwoch in einer Rede an der kalifornischen Stanford University. Er wiederholte seine Erwartung, dass es angemessen sein dürfte, die Zinsen “irgendwann im Jahresverlauf” zu senken.

“Was die Inflation angeht, ist es noch zu früh, um zu sagen, ob die jüngsten Zahlen mehr als nur eine Schwankung darstellen”, sagte Powell. “Wir gehen nicht davon aus, dass es angemessen ist, unseren Leitzins zu senken, solange wir nicht stärker darauf vertrauen können, dass die Inflation nachhaltig in Richtung 2% sinkt.” „Angesichts der Stärke der Konjunktur und der bisherigen Fortschritte bei der Inflation haben wir Zeit, unsere geldpolitischen Entscheidungen von den eingehenden Daten leiten zu lassen“, so Powell. FMW: Das sind aber klar hawkische Aussagen, die für spätere Zinssenkungen sprechen. Aber die Märkte fokussieren sich derzeit auf die Powell-Aussage, dass sich der Ausblick auf bald sinkende Zinsen auch durch eine aktuell höhere Inflation und eine robuste Konjunktur grundsätzlich nicht ändert.

„Wenn sich die Wirtschaft im Großen und Ganzen wie erwartet entwickelt, halten es die meisten Mitglieder des Offenmarktauschusses für wahrscheinlich angemessen, irgendwann in diesem Jahr mit der Senkung des Leitzinses zu beginnen“, so Powell.

“Powell scheint immer noch im Taubenlager verortet angesichts der Einschätzung, dass der Inflationsanstieg zu Beginn des Jahres eher ein Ausrutscher als ein neuer Trend sein könnte”, sagte Kathy Bostjancic, Chefvolkswirtin bei Nationwide Mutual Insurance. “Seine Kommentare unterstützen unsere Ansicht, dass eine Zinssenkung im Juni zur Debatte steht, wir aber ab den März-Zahlen einen Rückgang der Inflationsraten sehen müssen.” Wahrscheinlicher sei derzeit indessen eine Zinssenkung im Juli, so Bostjancic.

Analysteneinschätzung

Ipek Ozkardeskaya, Senior Analyst bei der Swissquote Bank, schreibt aktuell, Jerome Powell bekräftigte gestern, dass die Fed es nicht eilig hat die Zinsen zu senken, dass sie aber noch in diesem Jahr eine Zinssenkung vornehmen wird und dass der jüngste Inflationsanstieg ihre geldpolitischen Aussichten nicht „wesentlich“ verändert hat. Letzteres reichte aus, um den Markt vor Freude in die Höhe zu treiben.

Die Datenfront zeichnete laut Ipek Ozkardeskaya jedoch ein anderes Bild. Der ADP meldete 184.000 neue Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft in den USA – mehr als erwartet, während der ISM-Index für das nicht-verarbeitende Gewerbe expandierte, wobei die Beschäftigungs- und Preiskomponenten jedoch niedriger ausfielen als erwartet (was für eine dovishe Fed spricht). Anfang dieser Woche sprang der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe jedoch in den Expansionsbereich und die Preise zogen schneller an, und die GDPNow-Prognosen der Atlanta Fed deuten auf ein Wachstum von 2,8 % im ersten Quartal hin.

Die Fed hat es vielleicht nicht eilig, die Zinsen zu senken, aber die Anleger sind laut Ipek Ozkardeskaya der Meinung, dass sie es tun sollte, wenn sie nicht Teil der Wahlgeschichte im November sein will. Die Herausforderung ist also groß: Entweder senkt die Fed die Zinsen bis zum Frühsommer und geht damit das Risiko ein, dass die Inflation bis zum Jahresende weiter ansteigt, oder sie wartet bis nach den Wahlen und geht damit das Risiko ein, die Wirtschaft unnötig unter Druck zu setzen. Der Einfachheit halber werden wir sagen, dass die Daten entscheiden werden. Aber die Märkte reagieren nicht in vollem Umfang auf die Daten, wenn die Fed-Mitglieder weiterhin die dovishen Aussagen auf dem Tisch halten. Und diejenigen, die etwas anderes sagen, bleiben ungehört. Raphael Bostic von der Fed sagte, dass er in diesem Jahr nur eine Zinssenkung erwartet – nach der Wahl. Hat das jemand gehört, so Ipek Ozkardeskaya fragend.

Weiter führt sie aus: Die 2-jährige US-Rendite gab gestern nach, als Powell betonte, dass der jüngste Inflationsanstieg die Sichtweise der Fed – drei Zinssenkungen in diesem Jahr gemäß ihrem jüngsten Dotplot – nicht „wesentlich“ ändere, und die 10-jährige Rendite sank auf 4,36 %. Der US-Dollar-Index gab deutlich nach und der S&P500 erholte sich. Als nächstes werden die Anleger heute auf die wöchentlichen Anträge auf Arbeitslosenunterstützung und den Abbau von Arbeitsplätzen schauen, während sie auf die US-Arbeitsmarktdaten vom Freitag warten.

FMW/Bloomberg



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