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Goldgräberstimmung bei Wärmepumpen – Expertenanalyse

Beim Thema Wärmepumpen herrscht aktuell Goldgräberstimmung. Hier dazu die aktuelle Analyse eines Experten.

Wohl kein Thema ist in Deutschland derzeit mehr im Fokus als der Streit um Wärmepumpen. Die Bundesregierung will den Einbau mit voller Macht vorantreiben. Am Markt herrscht Goldgräberstimmung. Hier drucken wir dazu die aktuelle Analyse des Bloomberg-Experten Chris Bryant ab: Im Filmklassiker Die Reifeprüfung von 1967 wird dem ziellosen 21-Jährigen, gespielt von Dustin Hoffman, erzählt, dass er mit Plastik eine glänzende Zukunft haben könnte. Eine Neuverfilmung würde heute wahrscheinlich Wärmepumpen empfehlen. Die Karriere als Installateur dieser effizienten Heizungen scheint eine sichere Sache zu sein. Derzeit läuft es für die Hersteller prima, aber am Ende könnten sie durch billigere Konkurrenz unter Druck geraten.

Wärmepumpen als Baustein der Energiewende

Wärmepumpen nutzen Strom, um Wärme von außen (aus der Luft, dem Boden oder dem Wasser) mittels eines Kältemittels in das Haus zu übertragen. Sie verkaufen sich auf beiden Seiten des Atlantiks wie warme Semmeln, da Regierungen neue Gas- und Ölheizungen verbieten, ehrgeizige Installationsziele festlegen und großzügige Anreize bieten, um ihre Einführung zu fördern. Während sie in der Anschaffung teurer sind als Gaskessel — die Kosten variieren stark je nach Land und Technologie, liegen aber in Deutschland in der Regel über 15.000 Euro — können Wärmepumpen die monatlichen Energierechnungen und die CO2-Belastung senken und gleichzeitig die Abhängigkeit Europas von feindlichen Fossilbrennstoff-Exporteuren wie Russland verringern.

Nachfrage nach Wärmepumpen in Europa und den USA

Installateure haben mehrmonatige Auftragsstaus, und es fehlt an qualifiziertem Personal, während die Hersteller Wärmepumpen als potenzielle Goldgrube betrachten. Sogar Elon Musk denkt laut darüber nach, mit Tesla in den Markt einzusteigen. “Es ist buchstäblich eine einmalige Gelegenheit”, so sagte es David Gitlin, CEO der Carrier Global Corp., als er letzten Monat die Übernahme des Wärmepumpengeschäfts des hessischen Konkurrenten Viessmann Group für 12 Milliarden Euro ankündigte. Die europäischen Regierungen “zwingen Sie im Grunde dazu, von alten, mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln auf Wärmepumpen umzusteigen, und für diesen Austausch wird man bis zum Vierfachen des Preises verlangen.”

Hohe Gewinnspannen bei Wärmepumpen – Verwunderung über Viessmann-Deal

Die Hersteller von Wärmepumpen erzielen derzeit hohe Gewinnspannen, da die Nachfrage ihre Lieferfähigkeit übersteigt, aber es ist ein weltweiter Wettlauf um den Ausbau der Produktionskapazitäten im Gange, und die Unternehmen sind auf der Suche nach Übernahmemöglichkeiten, um Größenvorteile zu erzielen. Die “Technologie an sich ist nicht sehr anspruchsvoll”, und die Attraktivität des europäischen Marktes “ist den Wettbewerbern nicht entgangen”, sagte mir Phil Buller, ein Analyst für Industrieunternehmen bei Berenberg.

Die Branche war schockiert über die Verkaufsentscheidung von Viessmann, denn deutsche Familienunternehmen legen in der Regel mehr Wert auf Unabhängigkeit als auf Geld. Aber das Unternehmen wollte es nicht mit den viel größeren asiatischen und amerikanischen Konkurrenten aufnehmen. Der 34-jährige Max Viessmann, CEO in vierter Generation, nahm zwar auch Carrier-Aktien und einen Sitz im Verwaltungsrat des US-Unternehmens, aber 80 % des Kaufpreises wurden in bar bezahlt.

Wir werden bald herausfinden, ob dies ein schwacher oder kluger Schachzug war. In Großbritannien ist bereits ein Preiskampf entbrannt, und längerfristig besteht die Gefahr, dass die europäischen Wärmepumpenhersteller ein ähnliches Schicksal erleiden wie die Solarunternehmen, die von den billigeren chinesischen Importen verdrängt wurden.

Absatz von Wärmepumpen in europäischen Ländern

Für die Verbraucher ist der Kampf um Marktanteile zu begrüßen, denn der Mangel an Arbeitskräften und Bauteilen hat die ohnehin schon hohen Kosten für Wärmepumpen in die Höhe getrieben; niedrigere Preise sind notwendig, um die Akzeptanz zu erhöhen und die öffentliche Unterstützung für die Energiewende aufrechtzuerhalten.

Anbieter Nibe hat massiv profitiert

Im Moment sind die Anleger nicht allzu besorgt und haben die Aktien der wenigen börsennotierten Unternehmen in diesem Sektor nach oben getrieben. Der schwedische Wärmepumpenhersteller Nibe Industrier AB hat in den letzten zehn Jahren (einschließlich reinvestierter Dividenden) einen Wertzuwachs von rund 1.700 % erzielt. Die Aktie wird mit dem mehr als 40-fachen der geschätzten Gewinne gehandelt (KGV) und ist damit etwa dreimal so teuer wie der Stoxx Europe 600 Index.

Entwicklung der Nibe-Aktie

Das Management von Nibe zeigte sich zuversichtlich, nachdem es diese Woche einen beeindruckenden Gewinn für das erste Quartal bekannt gegeben hatte. Der Umsatz mit Wärmepumpen stieg im Jahresvergleich um mehr als 40 %, während Preiserhöhungen zu einer Ausweitung der operativen Marge der Klimasparte auf 17,5 % beitrugen.

Obwohl Nibe im März aus dem Rennen um eine Beteiligung am japanischen Klimaanlagen- und Wärmepumpenhersteller Fujitsu General ausgestiegen ist, bekräftigte das Unternehmen diese Woche sein Engagement für “weitere offensive Akquisitionen” und investiert in die Verdoppelung der Produktion. “Wir werden uns anstrengen und unser Bestes tun, um am Wachstum teilzuhaben”, hieß es aus dem Management bei einer Telefonkonferenz mit Investoren. “Auf diese Gelegenheit haben wir seit etwa 20 Jahren gewartet.”

Wettrennen der Anbieter

Auch deutsche Hersteller gehen in die Offensive: Stiebel Eltron, Vaillant und Robert Bosch — alle wie Viessmann typische Mittelständler — haben große Investitionen in Europa angekündigt, um die Goldgrube auszubeuten. Das Problem ist, dass dies auch für die japanischen Giganten Daikin Industries, Mitsubishi Electric und Panasonic sowie für die chinesische Chinas Midea Group gilt.

Vorteile europäischer Anbieter bei Wärmepumpen

Wärmepumpen ähneln technologisch den Klimaanlagen, die asiatische Unternehmen seit Jahrzehnten in Massenproduktion herstellen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur stellten asiatische Unternehmen (und ihre ausländischen Töchter) 75 % der 2021 weltweit verkauften Wärmepumpen her. Die heimischen Unternehmen haben allerdings auch Standortvorteile. Kenntnis der lokalen Gegebenheiten und Anlagen, die auf typische Heiz- und Gebäudeeigenschaften eines Landes zugeschnitten sind, bieten bei Wärmepumpen einen größeren Vorteil als in der Solarbranche, meint etwa Matthew Trewhella, CEO des britischen Herstellers von Erdwärmepumpen Kensa Group.

In europäischen Häusern werden häufig Hydroniksysteme — wasserbasierte Verteilungsmedien wie Heizkörper und Fußbodenheizungen — und nicht die in anderen Teilen der Welt üblichen Umluftsysteme verwendet. Das könnte einen “etwas regionaleren Markt für Wärmepumpen als für andere Branchen der Erneuerbaren Energien” begünstigen, sagt Meredith Annex, Leiterin der Abteilung für saubere Energie bei BloombergNEF. Hauseigentümer könnten ein teureres deutsches System einer billigeren chinesische Anlage vorziehen, weil ihre Immobilie beim Verkauf mehr wert ist.

Und auch wenn die Technologie selbst nicht schwer zu beherrschen ist, braucht man doch jemanden, der sie installiert: Carrier ist der Ansicht, dass die enge Verbindung von Viessmann zu Zehntausenden von Technikern, die die hessischen Produkte bevorzugen, einen “Burggraben” schafft, der verteidigt werden kann. Die Investoren von Carrier scheinen davon nicht überzeugt zu sein: Die Aktien des Unternehmens sind seit Bekanntwerden der Übernahme um mehr als 5 % gesunken.

Fazit des Autors

Mein Rat an alle, die eine Karriere anstreben, die nicht der Gnade der künstlichen Intelligenz ausgeliefert ist, lautet: Werden Sie Installateur von Wärmepumpen. Aber angesichts der Tatsache, dass globale Unternehmen ein Auge auf Europas aufkeimenden Markt geworfen haben, kann ich es Viessmann nicht verübeln, dass sie den Großteil ihrer Plastikchips zu Geld gemacht haben.

FMW/Bloomberg

Installation einer Wärmepumpe in Großbritannien
Installation einer Wärmepumpe in Großbritannien. (Photo by Leon Neal/Getty Images)

 



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